Schlösser und Burgen stehen ja meist an irgendwie landschaftlich herausgehobenen und/oder strategisch wichtigen Punkten.
Aber am Grund von Gewässern?
Glaubt man einigen Märchen, dann finden sich in den dunklen Untiefen von Seen, Flüssen, Meeren und Sümpfen reihenweise versunkene Burgen, Schlösser, Klöster, Kirchen und sogar ganze Städte (es muss ja nicht gleich Atlantis sein).
Glocken aus der Tiefe
Sagen berichten von versunkenen Glocken, die Auserwählte zu bestimmten Zeiten aus der Tiefe hören sollen. Zum Beispiel im Main bei Aschaffenburg oder im Mecklenburger Teufelssee.
Gerhart Hauptmann hat dazu 1896 ein ziemlich düsteres Geisterstück geschrieben mit dem pompösen Titel „Die versunkene Glocke: Ein Deutsches Märchendrama“.
Große Schätze sollen in den versunkenen Gemäuern auf Mutige warten. Sofern sie einen Weg hinunter finden und sich nicht von allgegenwärtigen Warnungen und ihrer inneren Stimme davon abhalten lassen in die gruselige Finsternis hinabzusteigen.
Viele sollen nicht zurückgekehrt sein…
Meistens geht es bei diesen Sagen auch irgendwie um Moral, Sünde, Unschuld, den Teufel und den ewigen Kampf zwischen Mut und Furcht.
In den Märchen kann alles drinstecken, was eine packende Geschichte braucht, inklusive einem Hauch Mystik und Geheimnis – und häufig der Hoffnung auf schnellen Reichtum.
Das Schloss im Laacher See
Eine rheinische Sage weiß zum Beispiel von einer versunkenen Burg im Laacher See.
Im Mittelalter soll diese Burg Laach einem alternden, früheren Minnesänger gehört haben. In den Mauern habe dieser sein früheres, sündiges Leben schwer bereut und dabei gesungen. Und das immer noch ziemlich gut,
Singende Seegeister
Mit dem Gesang soll der Burgherr die ebenfalls singenden Laacher Seegeister jedenfalls so neidisch gemacht haben, dass sie ihn mitsamt Burg in den See hinabgezogen haben sollen.
Einem Wanderer sei der Burgherr viele Jahre später erschienen, habe ihm seine Geschichte erzählt und vorgesungen, heißt es in der Sammlung „Rheinlands schönste Sagen und Geschichten“ aus dem Jahr 1886 (hier der Volltext).
Klingt verdächtig nach dem Drehbuch eines Musicals.
Was ist dran an den Sagen?
Dass in Volksmärchen viel von versunkenen Burgen, Schlössern etc. die Rede ist, ist zumindest auffällig. Und manche Sagen haben ja einen wahren Kern. Gibt es ein paar von den mysteriösen versunkenen Burgen vielleicht doch wirklich?
Was könnte der Hintergrund der oftmals jahrhundertealten Geschichten sein?
Also ein nicht zu unterschätzender Grund ist natürlich die Lust am emotionalen Geschichtenerzählen vor der Ära von TV, Streamingdiensten und Videoportalen.
Viele der Sagen sind nur nur packende Geschichten, sondern haben ja auch eine Moral und sind damit aus Elternsicht „erzieherisch wertvoll“. Ideal für Winterabende nach getaner Arbeit im Kreis von Familie und Freunden…
Der Sage nach können Burgen auch tief im Berg stecken.
Inspirierende Burgruinen
In den Jahrhunderten, in denen die Märchen entstanden und sich entwickelten, hat es wahrscheinlich noch viel mehr sichtbare Burgruinen gegeben als heute. Verbunden mit sich immer weiter aufschaukelnden Geschichten, was wohl alles in den verfallenden Mauern passiert sei.
Irgendeinen Grund musste es ja haben, dass die einst so stolze Burg nun in Trümmern lag.
Und in Seen und Flüssen konnte man bei Niedrigwasser auch immer wieder eigenartige Felsformationen entdecken, die die Fantasie inspirierten…
Gab es die Burg Laach wirklich?
Also alles erfunden? Nicht ganz. Das Körnchen Wahrheit ist hier und da zu finden.
Bleiben wir am Laacher See mit der Sage vom singenden Burgherren. Tatsächlich hat es auf einem Felssporn gegenüber des bekannten Klosters Maria Laach im hohen Mittelalter eine Turmhügelburg gegeben.
Die Befestigung hatte eine Länge von beachtlichen 170 Metern und war älter als das bis heute bestehende Kloster.
Hier saß unter anderem Pfalzgraf Heinrich von Laach, der 1093 das Kloster stiftete. Einige Jahre nach dem Tod des Pfalzgrafen ließ sein Stiefsohn die Burg abreißen. Offenbar fühlten sich die Mönche sonst nicht sicher.
Jahrhundertelang waren noch Trümmer der Burg sichtbar. Es kann also sehr gut sein, dass die Reste dieser Burg Laach die Sage von der versunkenen Burg im Laacher See inspiriert haben.
Aber alte Burgen in Flüssen oder Seen gibt es nicht, oder?
Naja, die Lage von Gewässern ändert sich ja. In den Zeiten weitgehend unregulierter Flüsse war noch stärker als heute.
Die damalige Burg Kemnade im heutigen Ruhrgebiet hat 1486 bei einem Hochwasser sogar das Ruhrufer gewechselt (ohne ihren Standort zu verändern).
In neueren Zeiten hat eher das Fluten von Talsperren zum Untergang diverser Dörfer geführt. Also Ruinen unter Wasser findet man schon.
Ein spektakuläres Beispiel, zwar nicht für eine Burg, aber für einen aus einem See herausragenden Kirchturm, findet sich im Reschensee in Südtirol. Jan Henne schreibt darüber in der Zeitschrift „Geo“.
Die Burg Reina in der Elbe
Aber kommen wir zu Burgen. Das jüngste Jahrhunderthochwasser der Elbe ist erst wenige Jahre her.
Burgen und Schlösser am Elbufer sind immer wieder von Überflutungen bedroht. Das war früher nicht anders.
Die Burg Reina bei Dessau soll ein gemauertes Rechteck am Ufer der Elbe gewesen sein. Sie entstand zwischen 1050 und 1100. Die Lage am Fluss war günstig. Anhaltinische Fürsten feierten hier gern.
Im Jahr 1213 wird das Ministerialgeschlecht derer von Reine erwähnt, in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts war die Burg sogar häufig Hoflager anhaltinischer Fürsten.
Der Legende nach wurde die Burg verflucht und versank in der Elbe.
Letzteres stimmt.
Zwischen 1315 und 1325 beschädigte ein Hochwasser der Elbe die Burg so schwer, dass sie aufgegeben wurde. Ihre Reste liegen heute im Fluss. Bei Niedrigwasser sind noch einige Mauerreste sichtbar, schreibt Oliver Wege in der Mitteldeutschen Zeitung.
Versunkene Burg im Steinhuder Meer?
Alte Erzählungen in Niedersachen berichteten von der um 1600 aufgegebenen Kranenburg. Es gibt auch eine Urkunde von 1320, die ihre Existenz bezeugt. Aber da, wo sie sein sollte, irgendwo im Umkreis des Steinhuder Meeres, waren keine Reste mehr zu finden.
Seltsamerweise trug eine Untiefe im Steinhuder Meer im 18. Jahrhundert den Namen Burg. Und immer wieder tauchten dort Keramikscherben auf.
2009 konnte ein Forschungsprojekt den Standort schließlich nachweisen. Im Steinhuder Meer machten die Wissenschaftler die Umrisse eines Teils der Burg mit Hilfe von Georadar-Messungen sichtbar.
Man geht heute von einer 120 x 90 Meter großen bebauten Fläche aus.
Hier mein Blogartikel zur Entdeckung der „versunkenen Burg im Steinhuder Meer„.
Mitten im Steinhuder Meer liegt übrigens auch eine erhaltene Burg. Auf der einzigen Insel. Ich habe sie mir mal angeschaut.
Die Suche nach Rohstoffen und die immer weiter verbesserte Scan- und Analysemethoden werden sicher noch zu weiteren Funden führen. Jüngstes Beispiel ist die 11.000 Jahre alte, gigantischen Steinmauer in 27 Meter Tiefe am Grund der Ostsee. Wahrscheinlich erbaut von steinzeitlichen Jägern (Link zu National Geographic).
Fazit: Auf Märchen hören
Burgen entstanden häufig auf Höhen. Aber wenn etwa in der norddeutschen Tiefebene keine ausreichend breiten Felsklippen zur Hand waren, baute man eben auch mal ins Flachland.
Gewässer konnten ja auch eine Schutzfunktion haben, wenn sie nicht gerade zugefroren oder nur knietief waren.
Die Lage an Flüssen und Seen bot sich in vielen Fällen zudem dank der dort häufig verlaufenden Handelswege und oft auch wegen Grenzlinien an.
Klar dass einige Burgen im Lauf der Zeit durch Hochwasser und Änderung von Flußläufen und der Höhe von Wasserständen betroffen waren (und sind, siehe die Anrainer von Elbe & Co.).
Und jede „verschwundende“ Burg bot den Nachbarn natürlich für Generationen Gesprächsstoff, der wahrscheinlich immer weiter ausgeschmückt wurde.
Erhalten hat sich einiges davon in lokalen Volksmärchen, die Dank Brüder Grimm und Kolleg*innen bis heute überliefert wurden und vielfach weiter erzählt werden.
Wer eine verschwundene Burg sucht, sollte also vorher ruhig mal in alten Sagenbüchern herumstöbern.
Manche Märchen sind auch noch gar nicht so alt:
Das versunkene Schloss – ist zum Beispiel ein Märchen von Heinrich Seidel (1842-1906) über eine unter einem Waldhügel versunkene Burg, von der nur noch die Spitze des Schornsteins sichtbar war.
Hier die Textversion. Dieses Märchen gibt es auch als Hörbuch aus der empfehlenswerten Reihe „Lie liest vor“:
Versunkene Paläste im Mittelmeer
Der Artikel wäre nicht komplett ohne einen Hinweis auf die versunkenen Tempel und Paläste im Hafen von Alexandria und von Thonis-Herakleion (in der Aboukir-Bucht).
Ich habe vor einigen Jahren natürlich auch die Ausstellung „Ägyptens versunkene Welten“ über die Entdeckungen des Tauchers Frank Goddio gesehen. Siehe dazu des Artikel aus der Süddeutschen Zeitung „Schätze im Verborgenen“
Mehr Sagen über versunkene Burgen
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Alle sieben Jahre soll man auf dem Grund des Mains bei Wertheim die versunkene Wettenburg sehen, weiß eine Sage.
Litatur
Zum Thema versunkene Burgen gibt es reichlich Literatur. Vor allem wird darin jeweils die Geschichte einzelner Regionen beleuchtet.
Zum Beispiel im Buch „Versunkene Burgen“ über frühmittelalterliche Unterwasserfunde im südlichen Ostholstein von Kersten Jungk (Eigenverlag).
Hallo lieber Jan,
Sagen und Volksmärchen faszinieren mich schon immer. Es war schön, hier darüber zu lesen, dein Beitrag gefällt mir – und vor allem auch eine KI-Bilder.
Liebe Grüße
Traudi