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Schloss Harff: 1972 gesprengt für den Tagebau




In der DDR störten Burgen und Schlösser aus ideologischen Gründen. Daher ließ das SED-Regime sie reihenweise sprengen.

In Westdeutschland war der Hass auf die „Junker“ nicht so ausgeprägt. Doch so manches alte Schloss kam trotzdem auf die Abschussliste, weil es den Erfordernissen des Wirtschaftswunders im Weg stand.

Ein solcher Fall war Schloss Harff mit seinem 15 Hektar großen englischen Landschaftsgarten in Bedburg.

Da das Schloss auf einer für den sich immer weiter ausdehnenden Tagebau Frimmersdorf vorgesehenen Fläche lag war, ließen die Rheinischen Braunkohlenwerke (später Firma Rheinbraun, heute Teil von RWE) es im Jahr 1972 kurzerhand sprengen. Der Schlosspark wurde gerodet.

Das Foto oben zeigt Schloss Harff kurz vor der Sprengung (aus der Sammlung Ludger Allhoff, gemeinfrei).


Im Rückblick eine Kultursünde erster Güte. Die Sprengung wird heute gerne als Argument angeführt, wie der NRW-Tagebau eine Kulturlandschaft vernichtet (Link zu Zeit-Online-Artikel von 2013).

Heute erinnern nur noch ein Gedenkstein und eine Infotafel mit den Grundrissen an die einstige Wasserburg der Herren von Harff.

Achtstöckiger Hautptturm

Schloss Harff um 1860 / Sammlung Duncker / gemeinfrei
Schloss Harff um 1860 / Sammlung Duncker / gemeinfrei

Die Anlage wurde dominiert von einem gotischen Hauptturm aus dem 14. Jahrhundert. Er wurde mehrfach aufgestockt und war am Ende acht Stockwerke hoch.

Hier wohnte Arnold von Harff, der von 1496 bis 1498 durch ganz Europa bis nach Jerusalem reiste und sich dabei fleißig Notizen machte. Sein Tagebuch („Die Pilgerfahrt des Ritters Arnold von Harff“) gehört zu den frühen Reiseklassikern der deutschen Literatur.


Aus der mittelalterlichen Wasserburg an der Erft wurde mit der Zeit ein repräsentatives Schlösschen. 1824 kam ein weiterer Turm hinzu.

Die Vorburg wurde bereits 1886 abgebrochen, um den Blick auf den Park zu verbessern.

Hier lagerte die umfangreiche Bibliothek der Grafen von Mirbach-Harff mit vielen spätmittelalterlichen Handschriften. Dazu gehörte auch die älteste datierte Handschrift des Sachsenspiegels von 1295.

Schlossherr Graf Wilhelm von Mirbach-Harff (übrigens ein ehemaliger Schüler der von seiner Familie gegründeten Ritterakademie auf Schloss Bedburg) war in der Spätphase des Ersten Weltkriegs, nach dem Frieden von Brest-Litowsk, für wenige Monate deutscher Botschafter in Moskau.

Dort wurde er 1918 von Revolutionären bei einem Handgranaten-Attentat ermordet. Er wurde in der Kapelle von Schloss Harff aufgebahrt.

Ich habe leider keine Belege zu Bürgerprotesten gegen die Sprengung gefunden. Ob es 1972 wohl jemanden interessiert hat?

Gebäude vor Abriss katalogisiert

Der Sprengung gingen umfangreiche Vorbereitungen voraus. So katalogisierte die damalige Fachhochschule Aachen zuvor noch den Gebäudebestand und vermaß den Komplex. 1971 begannen dann Rückbauten und Entkernungen.

Schloss Harff war nicht die einzige Burg die dem rheinischen Braunkohlenrevier zum Opfer fiel: 1963/64 hatte Rheinbraun bereits Burg Lürken bei Eschweiler abreißen lassen.

Notgrabung fand römische Spuren

Eine Notgrabung konnte noch feststellen, dass die Anlage an der Stelle einer römischen Villa rustica entstanden war.

Beim einige Kilometer entfernten Schloss Paffendorf gingen die Tagebau-Betreiber klüger vor. Sie haben es saniert und zu einem Schmuckstück gemacht, in dem die Geschichte des Kohleabbaus in den leuchtendsten Farben geschildert wird…

Historische Innenansichten aus dem Schloss finden sich auf der Seite des Schützenzugs der Schill’schen Offiziere von Morken-Harff

Bilder des Abrisses von Ulrich Holthausen zeigt die Seite Morken-Harff.com. Sie gibt dazu auch weitere Informationen.






2 Gedanken zu „Schloss Harff: 1972 gesprengt für den Tagebau“

  1. Pingback: Zu sehr mit Adelsbibliothek befasst – Archivalia

  2. Abriß ist so pervers, hat etwas satanisches; zu der Erkenntnis kam ich heute morgen, am Dienstag, den 19.01.2021 als ein Wohnhaus in Lützerath, Rhlnd. vor meinen Augen verschwand. Kohleverstromung und damit die Idee, auch Dörfer und Kulturgüter zu zerstören (auch uralten Baumbestand) ist eine rätselhafte Idee des menschlichen Geistes. Lieber Gruß und schauen Sie gerne auf meine Stopkohle Facebook Seite Christiane Niesel – es geht darum noch 20qkm Land zu retten vor E(r)kelenz. Machen Sie gerne mit und reihen sich in den Widerstand ein. Alle Dörfer bleiben Christiane Niesel

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