Am Niederrhein klafft ein gigantisches Loch, das man bei klarem Himmel auch beim Landeanflug auf den Airport Düsseldorf bestens sehen kann: Der Tagebau Garzweiler.
Diverse niederrheinische Dörfer wurden umgesiedelt, damit die gigantischen Bagger die Kohle freischaufeln konnten (und bis in die 2040er Jahre weiter können).
Der Protest war gewaltig. Über das Schicksal Otzenraths sprach die halbe Republik.
Nun hatte die damalige Firma Rheinbraun (jetzt RWE Power) mit dem Braunkohle-Abbau zwar reichlich Geld verdient, aber gleichzeitig ein Imageproblem von ähnlichen Ausmaßen wie ihr staubiges Kohleloch. In solch einem Fall raten gutbezahlte Agenturen zu Lobbyarbeit und PR.
Ein Schloss als Besucherzentrum
So traf es sich gut, dass man da seit 1958 noch ein schickes Schlösschen in der Hinterhand hatte, das sich zu einem türmchenbewehrten Besucherzentrum ummodeln ließ: Schloss Paffendorf an der Erft.
Heute präsentiert RWE Power im ersten Stock des restaurierten Herrenhauses einige wenige archäologische Funde aus dem Tagebau.
Zu der Zeit, als die Wälder wuchsen, aus denen später unter hohem Druck die Kohle entstand, herrschte am Niederrhein ganzjährig ein tropisches Klima, das Krokodilen und allerlei gruseligen prähistorischen Raubtieren beste Lebensbedingungen bot (nein, es gibt keine Saurierknochen zu sehen).
Vor allem zeigt die Schau Zeugnisse aus der Geschichte der Braunkohlenindustrie inklusive vieler mit Inschriften versehener Briketts. Der Weg der Braunkohle von der Gewinnung bis zum Strom aus der Steckdose soll nachvollziehbar werden. Kritische Stimmen kommen nicht zu Wort.
Die Ausstellung ist kurzweilig und unaufdringlich. Wer möchte, ist nach ein paar Minuten wieder draußen. Der Besuch von Ausstellung und Schloss ist kostenfrei.
Wesentlich interessanter als die RWE-PR ist da der Gang rund ums pittoreske Wasserschloss, das von einem 7,5 Hektar großen englischen Landschaftsgarten aus dem 19. Jahrhundert mit Teich und Wasserlauf gesäumt ist.
Die Fotomöglichkeiten sind grandios. Man bekommt bei gutem Wetter auch garantiert Fahrradtouristen und Hochzeitspaare beim Fotoshooting zu sehen.
Die Vorgänger-Burg hatten die örtlichen Vögte um 1230 in die sumpfige Erftniederung gesetzt. Auf deren Trümmern errichtete der Jülicher Ritter Wilhelm von den Bongart bis 1546 ein Renaissance-Schloss. Die Familie – seit 1629 Reichsfreiherren – konnte das Schloss jahrhundertelang in ihrem Besitz halten.
Die Anlage besteht aus einem zweigeschossigen, mehrflügeligen Herrenhaus und der ehemals landwirtschaftlich genutzten Vorburg, die rechtwinklig einen geräumigen Wirtschaftshof umschließt.
Im Faltblatt zum Schloss heißt es: „Zwei wuchtige Rundtürme, diagonal gegenüberstehend, flankieren das Hauptgebäude.
Die Vorburg wird an den Ecken von massiven Türmen begrenzt, die mit abgeschrägten Sockeln bis in den damals von Erftwasser gespeisten Graben hinabreichen„.
Sein heutiges, neugotisches Aussehen mit Zinnen, Türmchen, Balustraden, Wasserspeiern und Balkonen bekam das Schloss in den Jahren 1861 bis 1865, als der pseudomittelalterliche Wiederaufbau alter Burgen schwer in Mode war.
Ludwig von den Bongart hatten den Kölner Baumeister August Lange mit dem Umbau beauftragt.
Den Park hatte zu Anfang des 19. Jahrhunderts bereits der Gartenbauer Maximilian von Weyhe zu einem englischen Landschaftsgarten mit Mammutbäumen, Ginkgos und Riesenlebensbäumen und vielen prägnanten Sichtachsen umgestaltet.
Das Schloss blieb nur gut 60 Jahre in dem Zustand: Im Februar 1916 richtete ein Brand erhebliche Schäden an.
Und dann rückten in den 1950er Jahren die Schaufelradbagger des Tagebaus Fortuna-Garsdorf immer näher. Die kapitalkräftige Rheinbraun streckte die Finger nach den Ländereien der von den Bongart aus.
Die letzte Eigentümerin verkaufte ihren Familienbesitz 1958 und erlebte, wie ihr Land umgebaggert wurde. Das Schloss und den historischen Park ließ Rheinbraun gnädigerweise stehen.
Wie die Gegend zur Zeit des Tertiärs ausgesehen haben mag, versucht ein Forstlehrgarten mit Farnen und anderen damals vorherrschenden Pflanzen zu vermitteln, den RWE 1967 angelegt hat.
Zwei 15 Millionen Jahre alte, bei Tagebau-Arbeiten entdeckte Stümpfe mächtiger Sequoia-Bäume stehen überdacht am Eingang zum Schlosspark. Sie sind durch Einlagerungen von Gerbsäure so gut erhalten, dass man die Jahresringe zählen kann.
Seit der bislang letzten Sanierung von Schloss Paffendorf, 1999 abgeschlossen, hat das Herrenhaus auch einen Aufzug. Neben den RWE-Ausstellungsräumen gibt es noch eine Galerie und eine Brasserie, nicht nur für hungrige Radler.
Öffnungszeiten
Die Ausstellung ist samstags, sonntags und feiertags von 10 Uhr bis 17 Uhr geöffnet.
Link: Infos zur Geschichte bei Paffendorf-Erft.de
Fotos: Burgerbe.de