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DDR contra Burgen, Schlösser, Herrenhäuser: Politik mit TNT



Grenzstein an der Innerdeutschen Grenze / Foto: Wikipedia / Andreas Praefcke / CC BY-SA 2.5 / Bild oben: Abriss des Berliner Stadtschlosses 1950 / Bundesarchiv, Bild 183-08103-0025 / Köhler, Gustav / CC-BY-SA 3.0

Es ist schon zynisch, wenn historische Gebäude, die den Dreißigjährigen Krieg, Einmarsch und anschließende Vertreibung der napoleonischen Truppen und die Feuerstürme des Bombenkriegs überstanden haben, anschließend im „Arbeiter und Bauernstaat“ gesprengt oder abgetragen wurden.


Burgen und Schlösser waren den DDR-Machthabern aus vier Gründen ein Dorn im Auge:
1. Als Symbole des (preußisch-deutschen) Militarismus
2. Als teure Instandhaltungsobjekte
3. Als unsichere Punkte im Grenzstreifen
4. Und weil die Sowjets sie auch nicht mochten

Am 7. Oktober 1947 hatte die Sowjetische Militäradministration in der DDR im berüchtigten Befehl 209 angeordnet, dass alle Schlösser und Herrenhäuser, die sich nicht als Schulen, Verwaltungsgebäude oder im Gesundheitswesen nutzen ließen, „zur Baustoffgewinnung“ abgerissen werden sollten.

Mit den recycelten Schlosssteinen sollten „Neubauernhöfe“ gebaut werden (nach dem Motto „Junkerland in Bauernhand“).

Allein in Sachsen standen im März 1948 gut 1800 „Gutshöfe und Adelsschlösser“ auf der Abbruchliste zur Baumaterialgewinnung.

In den anderen DDR-Regionen sah es ähnlich aus. Prominenteste Beispiele dieser desaströsen Politik sind natürlich die gesprengten Stadtschlösser in Berlin und Potsdam, deren Schleifung auch im Westen für Aufregung sorgte.



Doch noch mehr bedeutenden Anlagen machte das SED-Regime den Garaus. Hier mal weitere Beispiele:

Schloss Monbijou

1667 hatte Dorothea Sophie von Brandenburg am rechten Spree-Ufer, außerhalb der Stadtmauern, einen Garten mit Sommerhäuschen errichten lassen.

König Friedrich I. ließ die Anlage Anfang des 18. Jahrhunderts erweitern. Seit 1712 residierte hier Sophie Dorothea von Brandenburg-Lüneburg, die Mutter Friedrichs des Großen. Sie soll dort rauschende Feste gefeiert haben. Es ist auch ihr Geburtsort.

Schloss Monbijou / Foto: Wikipedia/Stephan Herz. Bild von 1735, Urheberrecht abgelaufen.
Ihr Sohn ließ den Bau dann durch den Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff modernisieren und erweitern. Von 1786 bis zu ihrem Tod 1805 lebte die unglückliche Königin Friederike Luise im Schloss.

Schon 1820 entwickelte sich das Schloss der preußischen Königinnen in eine ganz andere Richtung: Museumsbestände wurden hier eingelagert.

1877 ließ Kaiser Wilhelm I. in den 42 Sälen das Hohenzollernmuseum einrichten.

Jeder verflossene Monarch und jede Monarchin der Dynastie bekamen einen Raum. Den Nazis stand das Haus gegenüber des Bode-Museums im Weg. NS-Städteplaner Albert Speer hätte es im Zuge des Baus der „Welthauptstadt Germania“ am liebsten versetzt.

1943 brannte das Schloss dann nach einem Bombenangriff aus. Die Ruine blieb stehen.

1959 beschloss dann der Ost-Berliner Magistrat die Sprengung des „preußischen Symbols“. Heute erinnern in Berlin nur noch Straßennamen, die Monbijoubrücke am Bode-Museum (nur für Fußgänger und Straßenmusiker) und der Monbijoupark an das Schloss.


Sprengung der Ruine von Schloss Schwedt 1962 / Bild: Screenshot Youtube
Sprengung der Ruine von Schloss Schwedt 1962 / Bild: Screenshot Youtube

Schloss Schwedt

Das Schloss in Brandenburg war Residenz der Familie Brandenburg-Schwedt, einer Nebenlinie der Hohenzollern. Im 17. Jahrhundert wurde das Renaissance- und Barockschloss nach dem Vorbild des Holländischen Klassizismus umgebaut.

Bei den heftigen Kämpfen an der Oder brannte das Schloss im Frühjahr 1945 nach Granatbeschuss vollständig aus. Auf Anordnung von Walter Ulbricht wurde die Ruine 1962 gegen den Protest der örtlichen Denkmalbehörde gesprengt und abgerissen.

Schloss Neustrelitz

300 Jahre lang hatten die Regenten des Herzogtums Mecklenburg-Strelitz an ihrem Schloss in Neustrelitz herumgebaut, das ursprünglich ein kleines Jagdschloss war (die alte Residenz war 1712 abgebrannt).

Je nach vorherrschendem Architekturstil wurden seitdem Flügel an oder umgebaut, zuletzt noch 1905 bis 1909.

Dabei ließ der Herzog dem Westflügel gleich drei weitere Flügelbauten hinzufügen, wodurch ein geschlossener Hof entstand und sich die Fläche des Schlosses mal eben verdoppelte.

Schloss Neustrelitz: Postkarte um 1900 / Die Ruine wurde 1949 gesprengt / Foto: Public Domain
Schloss Neustrelitz: Postkarte um 1900 / Die Ruine wurde 1949 gesprengt / Foto: Public Domain

1918 wurde das Schloss Sitz des Landtags des kleinen Freistaats Mecklenburg-Strelitz. Wenige Tage vor Kriegsende, in der Nacht vom 29. auf den 30. April 1945, zündeten Unbekannte das Schloss an. Die Reste ließ die SED 1949 sprengen und abtragen.

1998 hat sich der Residenzschlossverein Neustrelitz gegründet, der sich für einen Wiederaufbau einsetzt.

Einen lesenswerten Rundgang durch Neustrelitz bietet übrigens der Blog sagenumwobene Stammhaus der Familie Keudel (später von Keudell).

Im 17. Jahrhundert bauten die Keudels am Fuß der Kuppe Schloss Keudelstein, drumherum erstreckte sich der Gutshof.

Die Besitzer wechselten mehrfach, doch letztlich landete das Gut immer wieder bei der weit verzweigten Familie. Nach dem Krieg wurde der letzte Besitzer, Alexander von Keudell enteignet und schon 1948 zu großen Teilen abgebrochen, da sie auf besagter „Baustoff-Liste“ stand.

1978 führten dann Sicherheitsbedenken der DDR-Grenztruppen zur Einebnung der Ruine. Die Betreiber der Seite Keudelstein.de haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Geschichte von Schloss und Gut wieder ins Bewußtsein der Öffentlichkeit zu holen.

Dort findet sich inzwischen auch eine sehr nützliche Chronik.

Die innerdeutsche Grenze / Foto: Wikipedia/Andreas Praefcke (licensed under Creative Commons Attribution ShareAlike 2.5)

Außerdem habe ich gefunden:

Schloss Lohmen

(und Gut Lohmen) in der Sächsischen Schweiz, das zum Teil abgebrochen wurde.

1998 bis 2004 wurden die erhaltenen Gebäude saniert. Heute sitzt dort die Stadtverwaltung des Ortes und ein Seniorenheim.

1947 wurden Lusthaus und der Treppenturm von Schloss Neuhausen (Prignitz) zur „Baustoffgewinnung“ gesprengt.

Im Dezember 1969 ließ das SED-Regime Schloss Rötha südlich von Leipzig sprengen. Zur Erinnerung soll an der Stelle jetzt für 1,5 Millionen Euro ein zweistöckiger Erinnerungspavillon aufgestellt werden. Das historische Verbündetenzimmer im Schloss soll sogar rekonstruiert werden.

Das 1594 von Caspar Siegmund von Muschwitz erbaute Schloss Wintdorf im brandenburgischen Leuthen (ca. 10 km von Cottbus entfernt) ging im Dezember 1969 in Flammen auf.

Offenbar lag Brandstiftung vor, der Fall konnte aber nie geklärt werden. Den Behörden war der Brand nur recht. 1974 ließen sie die Ruine sprengen und die Trümmer abtragen.

Ebenso schlimm wie dieses offensive Vorgehen gegen „imperialistische Relikte“ finde ich allerdings das jahrzehntelange Verkommenlassen historisch wertvoller Anlagen.

Nur die Wartburg und Burgen, die das Regime selbst nutzte, wurden einigermaßen in Stand gehalten.

Ansonsten hatte das Regime dem Erbe, das nicht in die realsozialistische Epoche passte, entweder den Krieg erklärt oder es schlicht ignoriert und verkommen lassen.

Ein Video zur Sprengung von Schloss Schwedt:



4 Gedanken zu „DDR contra Burgen, Schlösser, Herrenhäuser: Politik mit TNT“

  1. Hallo Patrick,
    an der Karte bin ich dran. Suche aber noch jemanden, der mir erklärt, wie das gehen könnte. Für Tipps & Hinweise bin ich immer offen!

    Grüße zurück

  2. Hallo und Moin,
    bitte mal eine Deutschlandkarte einfügen mit den Burgenstandorten. Und vielleicht Gastkommentare zu weiteren Burgen zulassen?

    Beste Grüße

    Patrick

  3. danke fürs lob :)
    wie ich grade hier lese, hab ich wieder etwas neues gelernt… das mit den burgen in der alten DDR wußte ich gar nicht.

    übrigens: deine burgenauswahl und deren beschreibungen sind einfach erstklassig.

    gruss
    torsten

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