Der 1. Oktober 1218 hat es für den jungen Burgverwalter Eberhard von Münzenberg in sich. Vor dem Tor von Burg Münzenberg steht der geldgierige Feind, dessen Schergen gerade die umliegenden Bauernhöfe plündern.
Auf der Baustelle des neuen Burgturms, wo es jederzeit Schwerverletzte geben kann, möchte der Architekt mehr Geld.
Und am Abend wird auch noch eine potentielle Braut für Eberhard mit Anhang aber ohne Mitgift zum Festmahl erwartet.
Münzenberger Ritter als Manager
Eberhard ist adelig, hat nach Jahren als Knappe auch den Ritterschlag hinter sich gebracht und managt als Kastellan das Unternehmen „Burg Münzenberg“ mit dutzenden Hilfskräften und einer kleinen Truppe plus Bürgermiliz.
Aber der Anfang 20-Jährige trägt aus Sicht der mittelalterlichen Zeitgenossen einen schweren Makel: Seine Geburt war unehelich.
Die Geschichte des Eberhard von Münzenberg ist ebenso dramatisch wie erfunden. In Szene gesetzt hat sie das Team von Story House Production im Auftrag des ZDF für das Terra X-Format „Ein Tag in…“.
Ein Alltag in der Vergangenheit
Normalerweise dreht sich die Serie um einen Tag im Leben eines Menschen. Sie beschreibt in circa 45 Minuten den Alltag zum Beispiel in den Gassen des mittelalterlichen Köln, in der freien Reichsstadt Frankfurt am Main im Dreißigjährigen Krieg oder im Berlin der Kaiserzeit.
Mit dabei sind viele Komparse in historischen Kostümen und Kulissen und natürlich Animationen. Alles ist sehr detailverliebt, stimmungsvoll und durchaus spannend. Und nicht immer nur mit dem Fokus auf den Malaisen von Königen und Mätressen.
Ich bin vom Zuschauen gar nicht mehr losgekommen.
Aber zurück zu Eberhard (gespielt von Paul Lux). Der Zuschauer erfährt, dass so eine Burg ein kleiner Verwaltungssitz ist, zuständig für die umliegenden Bauernhöfe und Dörfer. Die verlangen Schutz und entrichten im Gegenzug Abgaben.
Wenn sie nicht gerade mal wieder vom Nachbarn überfallen worden sind und sich Unzufriedenheit breit macht. Aber zum Glück gibt es ja Eberhard als Vermittler, der auch mal gnädigerweise auf Naturalien verzichtet.
Die Sache mit dem Kerbholz
Weil bei der Landbevölkerung kaum jemand Lesen und Schreiben kann, wird die Abgabenlieferung über Einritzungen auf einem Kerbholz festgelegt. Wobei das Holztäfelchen aus zwei Teilen besteht, die exakt ineinanderpassen und beide die Markierungen tragen.
Das war eine nahezu fälschungssichere Methode, um Informationen zu duplizieren. Im Film wird’s äußerst anschaulich erklärt.
Eberhard ist Chef des Wirtschaftshofs: Mit Werkstatt, Backstube und Lagerräumen. Und auf der Burg amtiert er als „Mädchen für alles“: Erst diskutiert mit dem Burgturmarchitekten (Burg Münzenberg hat ja sogar zwei mächtige Türme, die sich bis heute erhalten haben).
Dann schaut er mal in der Küche nach dem Rechten, wo das Festmahl für die Hochzeitsanbahnung brutzelt.
Apropos ehelich: Sehr schön wird im Film erklärt, dass die unehelichen Adelskinder („Bastarde“) des hohen Mittelalters von den väterlichen Familien durchaus positiv gesehen und keineswegs verheimlicht wurden.
Zwar standen sie in der Erbfolge hinter den ehelichen Kindern zurück, doch konnten sie immer noch wichtige Aufgaben wie die Verwaltung einer Burg übernehmen. Gutes eigenes Personal war schließlich kostbar (und die Kindersterblichkeit hoch).
Und wenn sich die Möglichkeit bot, konnten auch uneheliche Kinder Karriere machen.
Blick auf Burg Münzenberg / Foto: Burgerbe.de
Einer der Höhepunkte der Episode ist das Auftauchen der feindlichen Nachbarn, die den Münzenbergern die Fehde erklärt haben, weil sie sich eine einträgliche Mühle aus Münzenberger Besitz unter den Nagel reißen wollen.
Ganz nebenbei erklärt der Film, nach welchen Regeln so eine Fehde ablief, und warum sie am Ende für alle Seiten eine ziemlich teure Geschichte sein könnte.
Wie das ausgeht und was noch bei dem Festmahl passiert, bei dem man einen Blick auf die international angehauchte Haute Cuisine des Jahres 1208 werfen kann, will ich hier nicht verraten.
Burg Münzenberg in der Wetterau ist heute eine imposante Ruine, die man besuchen kann.
Für Freunde von ohne erhobenen Zeigefinger erklärter Alltagsgeschichte ist die Episode echt empfehlenswert. Und die anderen Teile über das Leben in Rom, Berlin, Köln, Frankfurt und New York sind es ebenso.
„Ein Tag auf Burg Münzenberg“ ist zurzeit in der ZDF-Mediathek abrufbar:
Sollte der eingebettete Player einen Fehler anzeigen: Hier geht es zum Film auf ZDF.de
Andere Teile der „Ein Tag in“-Serie sind auch auf Youtube zu finden.
Wer sich weitere Filme der Terra X-Reihe anschauen möchte:
Hier geht’s zur Episode „Ein Tag im Paris des Jahres 1775“
Und hier ein paar Bilder von Burg Münzenberg per Drohne:
Die reale Geschichte der Burg Münzenberg
Die hessische Vorzeige-Ruine fällt schon durch ihre Größe auf. Zwei Bergfriede sind weithin sichtbar, gebaut um 1150 und – nach einer weitgehenden Zerstörung der Burg im Jahr 1260 – mit Eingängen in jeweils zehn Meter Höhe versehen.
Der Erbauer der Burg Kuno von Hagen-Arnsburg (1151-1207) machte sich als Kämmerer der römisch-deutschen Kaiser Barbarossa und Heinrich VI. einen Namen. Kuno begleitete die beiden Staufer auf ihren Zügen nach Italien.
In der restlichen Zeit war er damit beschäftigt, von Burg Münzenberg aus die eigene Herrschaft in der umliegneden Wetterau auszubauen. Er durfte sogar eigene Münzen prägen.
Hagen-Arnsburg nannte sich nach „seiner“ Burg Kuno I. von Münzenberg und schenkte die Familien-Stammburg Arnsburg (Landkreis Gießen) im Jahr 1174 den Zisterziensern.
Aus seiner Zeit ist unter anderem noch das romanische Palas erhalten.
Selbstbewusste Münzenberger
Die Münzenberger waren selbstbewusst. Das zeigte sich auch in der Ausstattung ihrer Burg. „Repräsentative Wohnbauten mit dem reichen plastischen Schmuck an Säulen und Kapitellen der Fensterarkaden geben auch ein nachdrückliches Zeugnis von Rang und Selbstverständnis ihrer Erbauer„, heißt es in einem Artikel zur Geschichte der Burg auf der Seite der staatlichen Schlösser und Gärten Hessen.
Die Burg gilt als ein Idealbild einer Anlage aus der Stauferzeit. Münzenberger mussten sich im Vergleich zur nahen Kaiserpfalz in Gelnhausen auch keineswegs verstecken.
Die Pfalz in Gelnhausen ist übrigens auch als Ruine erhalten, und man könnte den Besuch beider Anlagen kombinieren…
Gut hundert Jahre lang prägten die Münzenberger die fruchtbare Gegend nach 1150 machtpolitisch. Im Jahr 1255 starb jedoch der letzte männliche Nachkomme von Kuno I. ohne männlichen Erben. Damit endete die hoffnungsvoll gestartete Dynastie.
Danach teilten sich zunächst mehrere Adelsgeschlechter die Burg als sogenannte Ganerbenburg.
Burg Münzenberg wird aufgerüstet
Über die Familie von Falkenstein (die um 1260 das Falkensteiner Palas errichteten) kam die Burg im 15. Jahrhundert ans Geschlecht derer von Solms-Braunfels.
Die Adelsfamilie versuchte, die Burg zu einer starken Festung zu machen. Sie ließen extra fünf Batterietürme für Kanonen in den Ringmauern errichten.
Damit war die Burg um 1500 rüstungstechnisch auf dem neuesten Stand.
Doch egal wie viele Kanonen Verteidiger hinter den Mauern aufboten: Die Zeit der großen steinernen Bollwerke war vorbei. Um das Jahr 1600 herum war die Münzenburg bereits nicht mehr bewohnt und begann langsam zu verfallen.
Im Dreißigjährigen Krieg quartierten sich allerlei unterschiedliche Truppen in der herunterkommenden Anlage ein.
Soldaten des kaiserlichen Feldherrn Wallenstein beschossen die Burg im Jahr 1628 ausgiebig. Danach war für den Wiederaufbau einfach kein Geld mehr da. Und es bestand auch keine strategische Notwendigkeit.
Statt dessen diente die Burg als Steinbruch für den Wiederaufbau der von der durchziehenden Soldateska geschundenen Wetterauer Dörfer.
Seit dieser Zeit steht Burg Münzenberg als – wenn auch malerische – Ruine auf ihrem massiven Basalfelsen.
Die nächsten 200 Jahre nach Ende des Dreißigjährigen Krieges überstand die Anlage verhältnismäßig gut.
Burgenromantik rettet die Ruine
In der Burgenromantik des 19. Jahrhunderts, 1846, begannen erste Sicherungen und Sanierungen.
1847 konnten interessierte Besucherinnen und Besucher bereits einen der Türme erklettern.
Dankenswerterweise verzichteten die Regierungsbehörden auf einen kurzzeitig angedachten Wiederaufbau der Burg im neogotischen Stil und ließen die Ruine in ihrem Zustand. Seit 1935 gehört die Burg dem Land Hessen.
Die Wände von Palas und Falkensteinbau sind noch bis zum zweiten Stock erhalten. Schon von weitem bietet die Burg einen eindrucksvollen Anblick.
Im Oktober 2013 wurde bekannt, dass ein Investor den Bau von acht bis zu 200 Meter hohen Windrädern in Sichtweite der Burg plant.
Mehr dazu hier im Blog: Geheimplan: Windräder vor Burg Münzenberg. Der Plan wurde 2017 vom Regierungspräsidenten in Darmstadt abgelehnt.
Führungen auf Burg Münzenberg
Die Burg ist ganzjährig dienstags bis sonntags tagsüber für Besucher geöffnet.
Ein Bergfried kann erklettert werden – von oben hat man einen prima Rundumblick.
Vom 1. April bis 30. Oktober gibt es jeden Sonntag von 12 bis 13 Uhr sowie von 15 bis 16 Uhr öffentliche Burgführungen.
Der Preis beträgt zwei Euro pro Person, zuzüglich zum Eintritt.
Vorteil für Familien mit ungeduldigen Kindern: Es ist durchaus möglich, die ganze Anlage in einer halben Stunde zu durchschreiten und anschließend zum Kuchenessen aufzubrechen, ohne etwas zu übersehen. Man kann sich natürlich auch deutlich mehr Zeit nehmen…
Lage:
Burg Münzenberg
35516 Münzenberg
Link:
Website der Burg Münzenberg auf der Seite der staatlichen Schlösser und Gärten des Landes Hessen.
Hach, da existiert noch ein fast 50 Jahre altes Foto von mir, vor einem der Türmen, stolz wie ein Ritter in die Kamera blickend, mit einem Holzschwert an meiner Seite…
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