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Inflation im Mittelalter: Böse Halser von Burg Hals

Millionen-Banknote von 1923: Auf Burg Hals kannte man die Inflation schon im 15. Jahrhundert / Foto: gemeinfrei / Bild oben: Burgerbe.de

Burg Hals in Passau ist einer der Schauplätze einer mittelalterlichen Inflation, die den süddeutschen und österreichischen Raum jahrelang plagte.

Rückblick auf das Jahr 1457: Unter den Habsburgern herrschte Familienstreit. Kaiser Friedrich III. und sein Bruder Erzherzog Albrecht IV. bekriegten sich. Kriegsknechte und Kanonen waren enorm teuer.

Die hohen Herren waren so knapp bei Kasse, dass sie zu Tricks griffen. Münzverschlechterung war das Gebot der Stunde.

Legaler Betrug mit Kleingeld

Was die Großen des Reiches bereits eifrig praktizierten, das konnten die Kleinen schon lange. Zum Beispiel machte der Herr der Burg Hals in diesen Jahren mit einem dreisten Betrug mit selbst geprägtem Kleingeld Kasse. Und zwar ganz legal.

Auf der Burg, malerisch gelegen über einer Schleife der Ilz, ließ der hochverschuldete Johann III., Landgraf von Leuchtenberg, unter Hochdruck Münzen schlagen.

Das durfte er, denn der Adelige hatte hier das Münzrecht. Pfennige und halbe Pfennige (Hälblinge) verließen die Prägestätte auf Burg Hals in großer Zahl. Und niemand schrieb dem Herrscher vor, wieviel edles Silber er denn nun in seine Münzen packen sollte.

Die Ruine von Burg Hals heute / Foto: Burgerbe.de

Böser Halser-Pfennig / Foto: Wikipedia / Weners / CC-BY-SA 4.0
Die nur Bruchteile von Gramm leichten Münzen von Burg Hals sahen den gleichzeitig umlaufenden Pfennigen der Herzöge von Österreich und Bayern ausgesprochen ähnlich.

Auch das auf die Mini-Münzen geprägte Wappenschild war verwandt. Nur allzu schnell wurden sie verwechselt, gerade wenn große Mengen des Kleingelds den Besitzer wechselten und die Geschäftspartner nur aufs Gewicht der Barschaft schauten.

Das war vom Landgrafen wohl auch beabsichtigt.

„Silberpfennig“ aus Kupfer

Doch der Silbergehalt unterschied sich deutlich. Im Gegensatz zu den österreichischen und süddeutschen Pfennigen, bestand das Halser Kleingeld vor allem aus Kupfer und einer Kupfer-Zinn-Legierung. Silber wurde dem Münzmetall auf Burg Hals nur in homöopathischen Dosen (zwei bis sieben Tausendstel) beigemischt.

Im Volksmund nannte man das minderwertige Geld Schinderlinge und Böse Halser. Später pendelte sich ein Wechselkurs von sechs Halser Pfennigen gegen einen „guten“ österreichischen Pfennig ein.

Einige Monate scheint die Münzverschlechterung funktioniert zu haben. Dann reagierten die Nachbarterritorien mit einem Verbot der Bösen Halser. Andere Landesherren probierten freilich den gleichen Trick. Speziell österreichischen – angeblich Silber enthaltenden Pfennigen – trauten viele nicht mehr über den Weg.

Doch mangels Alternativen hatten die einfachen Leute oft keine andere Wahl, als das schlechte Geld als Entlohnung für Dienstleistungen und Waren anzunehmen. Das schlechte Geld war noch jahrzehntelang im Umlauf.

Heutige Schatzsucher sollten sich über Funde aus dieser Zeit also nicht zu sehr freuen…

Vermögende horteten derweil die „gute, alte Währung“ und gaben die Schinderlinge beherzt zum jeweiligen Nennwert aus. Geprägt wurden die Bösen Halser nur zwischen 1457 und 1460. 1458 war der Landgraf verstorben. Die Erben ließen das Projekt auslaufen.

1460 kamen wieder „echte“ Silberpfennige auf den Markt. Die mittelalterliche Inflation der Schinderlingszeit war damit beendet.

Burg Hals beherbergte im Mittelalter eine Prägestätte für Münzen / Foto: Burgerbe.de

Die Geschichte der Burg Hals

Die Burg Hals stammt wohl aus der Zeit nach dem Jahr 1000. 1072 tauchen erstmals „Herren von Hals“ in einer Urkunde auf. 1375 kam die Burg in den Besitz der Grafen von Leuchtenberg. Die Leuchtenberger beherrschten Ländereien bis nach Böhmen und damit wichtige Handelsrouten.

1399 entführte Burgherr Johann von Leuchtenberg sogar den Bischof von Bamberg, kerkerte ihn auf der Burg ein und erpresste ein fürstliches Lösegeld.

Kaiser Karl IV. bescherte den Herren das Recht, eigene Münzen zu schlagen. Die Bösen Halser konnten die hochverschuldeten Leuchtenberger allerdings auch nicht mehr retten.

Burg Hals auf einem Merian-Stich aus dem Jahr 1721. Die Mauern sind zum Teil eingerissen. Bild: gemeinfrei

1517 kauften die Wittelsbacher die Herrschaft mitsamt der Burg auf. 1622 beschädigte ein Brand die Burg schwer. 1741 wurden die Umfassungsmauer zum Teil eingerissen, um keinen Schutz für durchziehende Truppen zu bieten. Große Teile der Mauer stürzten dann 1810 ein. In dieser Zeit wurde die Burg zur Ruine.

William Turner malt Burg Hals

Für Maler der Romantik war die Burgruine über der Iltz ein quasi ideales Motiv. Der wohl bedeutendste von ihnen, Joseph Mallord William Turner, kam 1840 vorbei und füllte sein Skizzenbuch mit Ansichten von Passau und Burg Hals mit Bleistift und Aquarellfarben.

Das „Passau and Burg Hals Sketchbook“ hat sich erhalten und liegt heute in der Londoner Tate Gallery. Turners Passauer Bilder sind online verfügbar, hier eine Bleistiftzeichnung der Burg. Besonders das Lichterspiel auf den alten Mauern faszinierte Turner.

Die Burgruine Hals befindet sich heute in Privatbesitz und ist für die Öffentlichkeit geschlossen. Gelegentlich werden Besichtigungen angeboten. Am besten informiert man sich auf der Seite Stadtfuchs Passau.

Inflation unter den römischen Kaisern

Münzverschlechterungen sind keineswegs eine Erfindung des Mittelalters. Auch bei Denaren und Goldmünzen („Aureii“) der römischen Kaiserzeit schwankte der Edelmetallgehalt. Beliebt waren Kupferprägungen mit einem fünfprozentigen Silberüberzug.

Weiterlesen:

Auch Kaiser Friedrich III. verschlechterte seine Münzen. Das Münzkabinett des Landesmuseums Württemberg zeigt einen dieser kaiserlichen Pfennige aus der Schinderlingszeit.

Winfried Dolderer berichtet im kostenpflichtigen Angebot von Spiegel-Online über „Münzentwertung im 15. Jahrhundert: Die erste große Währungskrise und ihre Folgen“ (Link zum Artikel)

Wer die Gegend erwandert, sollte sich unterhalb der steilen Burgfelsen vor Steinschlag in acht nehmen. Das Bayerische Fernsehen berichtet: