Unter alten Dielen und in zugemauerten Nischen alter Schlösser und Burgen stecken die erstaunlichsten Dinge: Bei der Bodensanierung stießen Arbeiter in einem Turm des malerischen Wasserschlosses Glatt beispielsweise auf rund hundert gut erhaltene Schuhe.
Unter den Dielenbrettern stapelten sich Modelle aller Größen aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert. Schwere Leder-Treter ebenso wie weiche Leinen-Hauspantoffeln für den gemütlichen Kaminabend. Und zwar alles einzelne Exemplare.
Jahrhundertelang Schuhe versteckt
Was in aller Welt mag die Schlossbewohner jahrhundertelang dazu bewogen haben, sich von einzelnen Schuhen zu trennen und diese versteckt unter dem Fußboden im Obergeschoss eines Turms aufzubewahren und ständig für besohlten Nachschub zu sorgen? War es vielleicht der Versuch eines Schutzzaubers? Und wenn ja für/gegen wen oder was?
Oder steckt ein anderer irgendwie gearteter alter Brauch dahinter, der nach den Napoleonischen Wirren in Vergessenheit geriet?
Interessant ist, dass der Schuhfund kein Einzelfall darstellt. Im Gegenteil. Im Sammelband „Denkmalpflege im Rheinland 2010“ hat Kristin Dohm dazu einen zwölfseitigen Aufsatz unter dem Titel „Eingemauerte Schuhe im gotischen Turm von Schloss Liedberg“ verfasst.
Damen- und Kinderschuhe
Bei der Sanierung des niederrheinischen Schlosses Liedberg (bekannt durch sein „Pfadfindergrab„) waren acht eingemauerte Damenschuhe zum Vorschein gekommen. In Schloss Horkheim bei Heilbronn tauchten vier Kinderschuhe aus dem 18. Jahrhundert auf.
Dummerweise existieren keine Quelle, die über alten Schuh-Einmauer-Bräuche Auskunft geben würden. Also tappen die Archäologen im Dunkeln – und entdecken immer mal wieder neue Schuhe.
Auch international kennt man das Phänomen. „Seit 1958 führt das Northampton Museum in England eine Datenerfassung zu der speziellen Fundkategorie concealed shoes für den gesamten europäischen Raum“, berichtet Kristin Dohm – mit 1500(!) erfassten Schuhfunden.
Die ältesten Exemplare fanden sich sogar hinter dem 1308 angebrachten Chorgestühl der Kathedrale von Winchester.
Die Forscher können den europaweiten Trend bislang nicht aufklären. Vieles spricht aber dafür, dass der Schuh als Schutzsymbol gegen üble Mächte fungierte.
Und im Wasserschloss bei Sulz am Neckar scheint man – gemessen an der Zahl der versteckten Schuhe – den Schutz besonders drigend gebraucht zu haben.
Der Brauch, unerwünschte Personen mit Schuhen zu bewerfen, reicht weit in die Geschichte zurück. Erstaunlich ist daran, wie viele Jahrhunderte der Brauch erhalten blieb – und wie er dann hierzulande sang- und klanglos verschwand.
Schloss Glatt kann besichtigt werden. Es bietet ein Adelsmuseum und eine innovative Kunstgalerie.
Der hier zunächst verlinkte LVR-Sammelband mit dem Aufsatz von Kristin Dohm ist leider nicht mehr online verfügbar.
Als Einmauern Trend war
PS: Zur großen Zeit der Burgen und Schlösser wurde eingemauert, was das Zeug hielt: arme Hunde, abgehackte Hände oder auch unliebsame Gräfinnen oder aufrecht stehende Ritter in ihrer Rüstung verschwanden hinter schnell hochgezogenen Mauern und überraschen heute gelegentlich noch Bauarbeiter…
Hier eine Lösungsalternative zu der Frage nach den versteckten Schuhen:
Wir kennen heute noch das Sprichwort “ Er ist mit dem linken Fuß aufgestanden“. Im MA war es ein übler Scherz anderen den rechten Schuh am Bett zu verstecken, denn dann musste dieser mit dem linken Fuß aufstehen, was Unglück bringen sollte.
Dies erklärt auch die Tatsache, dass vorwiegend Einzelschuhe gefunden wurden.
Die Kommentarfunktion ist deaktiviert.