Erzählungen von reichen Schätzen, die in den dicken Mauern von Burgen ruhen sollen, sind nicht totzukriegen.
Und hin und wieder tauchen verborgene, längst vergessene Kostbarkeiten ja auch ganz unvermutet wieder unter alten Fliesen oder vergraben im Schlosspark wieder auf.
So geschehen auch auf Burg Kriebstein, „Sachsens schönster Ritterburg“ (Eigenwerbung).
Und gleich hatte man ein Politikum, denn die Geschichte des Schatzes führt Jahrzehnte zurück.
Und es hätte ihn dort eigentlich gar nicht geben dürfen…
Wohin mit den Schätzen?
Rückblende: Frühjahr 1944: Heinrich Graf von Lehndorff-Steinort weiß als Ordonnanzoffizier bei der Heeresgruppe Mitte aus erster Hand, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen ist.
Bald wird die haushoch überlegene Rote Armee ins Deutsche Reich einfallen.
Doch wohin mit seinen auf dem ostpreußischen Schloss Steinort gesammelten Schätzen?
Gut Steinort war seit 1420 im Besitz der Familie, da war einiges zusammengekommen…
Er bittet die befreundete Familie von Arnim um Rat. Die sind Besitzer der sächsischen Burg Kriebstein und bieten diese als Versteck an.
Ein Teil der Lehndorff’schen Schätze wird noch 1944 in Eisenbahnwaggon nach Sachsen gefahren und auf Kriebstein eingelagert.
Kurz bevor die Rote Armee auch in Sachsen einmarschiert, mauert der letzte Kammerdiener der von Arnims in großer Hektik einige besonders wertvolle Stücke in einem Schornstein ein: Silber, Porzellan, Gold und einen großen Gobelin.
Er arbeitet so eilig, dass einige Stücke dabei beschädigt werden.
Damit wurde er aber immerhin zum Retter des Schatzes von Kriebstein.
Graf wollte Nazis stürzen
Graf Lehndorff war ein Mann mit Gewissen. Er war 1941 Augenzeuge eines Massakers an 7000 Juden in Borrissow geworden und hatte sich daraufhin dem militärischen Widerstand angeschlossen.
Als Graf Stauffenberg am 20. Juli 1944 die Bombe in der Wolfsschanze zündete, wartete Lehndorff in Königsberg als Verbindungsoffizier der Verschwörer auf Befehle der neuen Regierung.
Als die nicht kamen, kehrte er aufs heimische Gut Steinort zurück, wurde verhaftet und nach zweimaliger Flucht schließlich im September in Berlin-Plötzensee mit dem Strang hingerichtet. Er wurde 35 Jahre alt.
Lehndorffs Wertsachen in Steinort und Kriebstein wurden von der sowjetischen Besatzungsmacht konfisziert. Sie wurden als Reparation nach Russland geschickt (das meiste dieser Beutekunst ist verschwunden), auf Museen der frisch gebackenen DDR verteilt oder auf Kriebstein eingelagert.
Die Burg diente als Sammelort für von den Besatzern „sichergestellte“ Wertsachen der verhassten „Junker“.
Der Schatz im Schornstein war allerdings in Vergessenheit geraten.
Die von Arnims hatten naturgemäß keinerlei Interesse den neuen Herren einen Tipp zu geben, schließlich waren ihre Burg 1945 enteignet und sie selbst um einen Großteil ihrer Habe gebracht worden.
Ein Hohlraum wird entdeckt
Erst 1986, als am nicht mehr benutzten Schornstein im Wohnturm Kabel verlegt werden sollten, fiel der Hohlraum auf.
Der damalige Burgleiter Bernd Wippert staunte nicht schlecht, als er auf das Versteck mit den Wertsachen stieß.
Nach der Wende tat Wippert etwas in der Museumbranche eher Ungewöhnliches: Er versuchte, die früheren Besitzer der diversen Fundstücke zu finden und die Eigentumsverhältnisse zu klären.
Es kam zu einer Reihe von Vergleichen. Im Fall der Lehndorffschen Sammlung gingen 430 Stücke (Möbel, Bücher, Gemälde, Silber, Porzellan) zurück an die Familie.
133 Stücke durfte die Burg behalten. Sie werden heute auf Kriebstein ausgestellt.
Erinnerung an Graf Lehndorff
Der Erinnerung an den mutigen Grafen Lehndorff ist auf Burg Kriebstein ein eigenes Zimmer gewidmet.
Es ist eine der ganz wenigen Gedenkstätten an den Widerstand gegen Hitler, der ja noch lange nach 1945 bei vielen Deutschen in dem Geruch stand, „hochverräterisch“ gewesen zu sein.
Bernd Wippert blieb Burg Kriebstein 37 Jahre lang als Burgleiter erhalten. 2017 ging er in den Ruhestand.
Das war der Sächsischen Zeitung einen Artikel wert: „Der Burgherr dankt ab“
Links:
Mehr zum Schatzfund auf Burg Kriebstein steht in einem Artikel von Uta Baier in der Online-Ausgabe der „Welt“: „Der Schatz aus dem Schornstein“
Ein ausführlicher Artikel über die Rückgabe von Annette Binninger stand 2010 in der Sächsischen Zeitung: „Der Schatz von Kriebstein kehrt heim nach Ostpreußen“ (leider nicht mehr online verfügbar).
Die Website von Burg Kriebstein
Die Grünen-Politikerin Antje Vollmer hat sich ausführlich mit dem Schicksal des Ehepaars von Lehndorff beschäftigt und dazu ein Buch verfasst: „Doppelleben: Heinrich und Gottliebe von Lehndorff im Widerstand gegen Hitler und von Ribbentrop“ (Link zu Amazon).
Hier ein Auszug aus einer Lesung von Antje Vollmer aus ihrem Buch:
Mehr zu sehenswerten Burgen und Schlössern in Sachsen hier im Blog:
Der Schatz von Schloss Moritzburg
Burg Wolkenstein und die NVA-Schrauber
Festung Königstein: Sachsens Pakt mit Napoleon
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Fotos: Burgerbe.de
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