Burg Niederhaus und der Meteorit vom Nördlinger Ries

Die Burg Niederhaus ist heute eine Ruine. Ihr Baumaterial ist etwas ganz Besonderes. Sie wurde aus Resten des Einschlags eines Meteoriten im Nördlinger Ries errichtet. / Bild: gemeinfrei
Podcast (mit Sounds von Hybrid_V / CC-Lizenz)

Die Geschichte von Burg Niederhaus beginnt mit einem kosmischen Zwischenfall. Vor 14,4 Millionen Jahren schlug ein etwa 10 Kilometer großer Meteorit in die damals subtropische schwäbische Idylle ein.

Er riss einen Krater von etwa 350 Quadratkilometern. Heute bekannt als das Nördlinger Ries.

Roter Suevit: Das Gestein bildete sich beim Meteoriteneinschlag im Nördlinger Ries / Foto: Wikipedia / Juhannes Baier / CC-BY-SA 3.0
Der sogenannte Impaktor war mit Überschallgeschwindigkeit durch die Atmosphäre gejagt. Im 30 Grad-Winkel traf er die Erdoberfläche. Dabei entluden sich gigantische Energien.

Das Gestein am Einschlagspunkt wurde hunderte Meter tief zermahlen und unter dem Druck von mehreren Millionen Bar und Temperaturen von etwa 30.000 Grad aufgeschmolzen und zum Teil in die Luft geschleudert.


Der Meteorit verdampfte, zerstreute sich in kleinste Partikel und vermischte sich mit der heißen, zum Teil verflüssigten Mineralienmasse, die Sekundenbruchteile zuvor noch massives Gestein gewesen war.

Druckwelle raste um die Erde

Als die Druckwelle um die Erde gefegt war und sich die Glutwolken verzogen, klaffte im Ländle ein Krater mit 24 Kilometer Durchmesser. Der Meteorit hatte ein 500 Meter tiefes Megaloch gerissen. Bis zum Boden hätte man damals nicht schauen können.

Der Krater war bereits Sekunden nach dem Einschlag mit einer gut 400 Meter dicken Schicht aus zermahlenem Gestein und erstarrten Schmelzen gefüllt, sogenanntem Impaktgestein. Ascheregen überzog das Land.

Im Boden des Nördlinger Ries blieb eine festgebackene und gleichzeitig poröse Masse zurück. 1919 hat der Geologen Adolf Sauer diesem Gestein den Namen Suevit gegeben („Schwabenstein“). Heute liegt dieses Gestein meist unter Sedimentschichten verborgen, die hunderte Meter dick sind.

An manchen Stellen hat die Erosion die Suevit-Schichten freigelegt, und man kann sie sich anschauen.

Das recht leichte, rotbraune bis graue Gestein hat hervorragende Dämmeigenschaften. Es wird seit Jahrhunderten im Ries als Baustoff geschätzt.

Wobei wir endlich wieder bei der eingangs erwähnten Ruine der Burg Niederhaus im Landkreis Donau-Ries sind.

Eine Burg aus Suevit

Im 12. Jahrhundert entstand hier auf einer felsigen Höhe eine Burg. Als Baumaterial wurden dafür natürlich Steine aus dem schon damals beliebten Suevit genutzt.

Es steckte ja quasi vor der Baustelle im Boden und konnte ohne große Extrakosten abgebaut werden.

Von seiner Entstehung mit kosmischer Hilfe wusste man freilich noch nichts. Die Burg war der Sitz der adeligen Familie derer von Hürnheim.

Tod in Neapel

Bergfried der Burg Niederhaus – die Steine aus Suevit sind gut zu erkennen / Foto: Wikipedia / Dark #Avenger / CC-BY-SA 3.0

Diese von Hürnheims waren treue Gefolgsleute der Staufer. Und das bis zur buchstäblichen letzten Minute.

Als 1268 Konradin von Hohenstaufen, der letzte der Stauferkönige, in Neapel unter dem Richtschwert starb, war Friedrich von Hürnheim dabei. Der Schwabe wurde in Neapel ebenfalls enthauptet.

Bruder Hermann kehrte vom letzten Staufer-Feldzugsdebakel hingegen wohlbehalten zur Burg Niederhaus zurück.

Die wehrhafte Anlage hielt sich gut durch die Jahrhunderte. Eine Eroberung durch schwedische Truppen im Jahr 1634 überstand sie mit geringen Schäden. 1709 kaufte der Deutsche Orden die Burg. 53.000 Taler legte der religiöse Orden mit höchst weltlichen Interessen dafür auf den Tisch.

In den folgenden Jahrzehnten begann der Verfall der militärisch bedeutungslos gewordenen Anlage. Ab 1805 hatte das Königreich Bayern hier das Sagen. Die neuen Herren aus München zeigten viele Jahre lang kein Interesse am Erhalt ihrer Burgen im Ries.

Verfall für den Tourismus?

Angeblich ließen die bayerischen Regierenden die Anlage sogar bewusst verfallen, um mit der „romantischen Burgruine“ Touristen anzulocken.

Innenansicht von Burg Niederhaus / Foto: Luntik likes You / CC-BY-SA 4.0

Erst 1868 und 1901 bequemte sich das Königreich Bayern dazu, die Burg zu sichern. Auch zu diesem Zeitpunkt war die Entstehung des Nördlinger Ries durch einen Meteoriteneinschlag noch nicht entdeckt.

Beim auffällig leichten Gestein, auf das man hier gelegentlich im Boden stieß und das man natürlich auch in der Burg Niederhaus bemerkte, tippte man auf vulkanischen Ursprung.

Das war nichts Besonderes. Diverse Burgen wie zum Beispiel Veste Otzberg in Hessen stehen ja sogar auf lange erloschenen Vulkankegeln. Burg Ulmen in der Eifel steht auf dem Kraterrand eines früheren Vulkans.

Es sollte noch Jahrzehnte dauern, bis in Schwaben die Erkenntnis vom gigantischen Einschlag, bei dem sogar massives Gestein flüssig wurde, allgemeine Anerkennung in der Wissenschaft fand.

Die Burgruine Niederhaus ist heute frei zugänglich. Beim Besichtigen der Burg kann man auch eine Besonderheit bemerken: Der Burgbrunnen war innerhalb eines eigenen Brunnenturms geschützt. Davon ist heute nur noch ein Stumpf erhalten.

Mittlerweise stellt sich ein neues Problem: Das poröse Suevit in ihren Mauern wird durch Luftverschmutzung angegriffen. Bei Restaurierungsarbeiten wird es heute durch Kunststein ersetzt, dem nur geringe Mengen Suevit beigemengt sind.

Einweihung mit Astronaut
An die Hingerichteten von Neapel erinnert eine Gedenktafel und eine Stauferstele. Die Festrede bei der Einweihung der Stele hielt übrigens der deutsche Physiker und Astronaut Dr. Ulf Merbold (Link zur Augsburger Allgemeinen).

Ein Museum zum Meteoriteneinschlag
Mehr über die Geschichte des Meteoriteneinschlags („Ries-Ereignis“) im Nördlinger Ries erfährt man im empfehlenswerten RiesKraterMuseum im beschaulichen Nördlingen.

In der Nähe
Wer schon mal in der Gegend ist: Im Landkreis Donau-Ries steht auch die ansehnliche Burg Harburg.

Weiterlesen:
Axel Bojanowski schreibt bei Spiegel Online: “ Meteoriteneinschlag bei Nördlingen: Geologen ergründen Europas Urkatastrophe“ (Link zum Artikel)
Martin Müller lässt in den Nürnberger Nachrichten Prof. Stefan Hölzl, Leiter des Rieskratermuseums in Nördlingen, zu Wort kommen: „So heftig war der Asteroiden-Einschlag von Nördlingen“ (Link zum Artikel)
Sehr informativ finde ich den Wikipedia-Artikel zum Ries-Ereignis.
Mehr zum Suevit steht auf der Seite des Geopark Ries.



Ein Gedanke zu „Burg Niederhaus und der Meteorit vom Nördlinger Ries“

  1. Lieber Jan,
    das ist ein sehr interessanter Beitrag.
    Auch ich war auf dieser Burg: https://www.schlossspross.de/schl%C3%B6sser-burgen-kl%C3%B6ster/niederhaus-burgruine/
    und habe sie mit anderen Augen gesehen. Du berichtest ausführlich und es ist für mich interessant, das Ganze von dieser Seite zu sehen. Danke!
    Auch den Beitrag von der Harburg: https://www.schlossspross.de/schl%C3%B6sser-burgen-kl%C3%B6ster/harburg/
    ist lesenswert!
    Viele Grüße
    Traudi

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