Als Burg Ulmen den Schatz der Christenheit hütete

Die Burgruine Ulmen über dem Ulmener Maar / Fotos: Burgerbe.de

1208 beherbergte die beschauliche Burg Ulmen in der Eifel einige der bedeutendsten Reliquien des Abendlands. Darunter Splitter vom „wahren Kreuz Christi“ in einer schweren vergoldeten Kiste, die Burgherr Ritter Heinrich von Ulmen gerade vom turbulenten vierten Kreuzzug mitgebracht hatte.

Diese Splitter stellten in den Augen der Zeitgenossen so eine Art Mischung aus Tolkiens Ring der Macht und dem Heiligen Gral dar.

Allein die Anwesenheit dieser religiös immens bedeutsamen Stücke auf einer eher schwach verteidigten Anlage weckte sofort massive Begehrlichkeiten.

Es war heiße Ware. Gestohlen, unterschlagen und mit dem Potenzial, ruinöse Kriege ebenso wie finanziell einträgliche Wallfahrten auszulösen.



Burg Ulmen und die Politik

Mit einem Mal geriet die bescheidene Befestigung, idyllisch über dem etwa 9500 Jahre alten Ulmener Maar gelegen, in die Händel der damaligen Weltpolitik.

Die Limburger Staurothek – mit einem Splitter des Kreuzes / Bild: gemeinfrei

Ritter Heinrich war schnell klar: Wenn er versuchen sollte, die mächtigen Stücke noch länger auf seiner Burg zu behalten, wäre er bald ein toter Ritter. Daraufhin traf er eine selbstlos wirkende Entscheidung mit Folgen bis heute…

In Ulmen selbst ist heute ist von den dramatischen Monaten des Frühjahrs 1208 nichts mehr zu merken.

Die Ruine der Oberburg wirft ihren Schatten auf den Vulkansee, einen Steinwurf weiter erhebt sich nahe des Maarufers der Kirchturm von St. Matthias.

Aber zurück zu Ritter Heinrich ins Jahr 1208. Der Adelige, ein treuer Gefolgsmann der Staufer, war gerade 33 Jahre alt.

Auf zum Kreuzzug

Wenige Jahre zuvor war er mit diversen seiner adeligen Nachbarn zum Kreuzzug aufgebrochen. 1202 machte er in Venedig Station. Die Glaubenskrieger steckten im östlichen Mittelmeer fest. 1204 eroberten sie Konstantinopel, die Hauptstadt des – ebenfalls christlichen – Byzanz.

Ritter Heinrich dürfte dabeigewesen sein. Der Anführer des Kreuzzugs, Markgraf Bonifaz von Montferrat, ließ den kaiserlichen Bukoleone-Palast plündern.

Die Schätze, darunter unschätzbar wertvolle Reliquien wie eine Staurothek (ein Behältnis für Splitter des „wahren Kreuzes“), ließ der Markgraf ins von ihm beherrschte Thessalonike bringen.

Die Belagerung Konstantinopels im vierten Kreuzzug – in einer Illustration des 15. Jahrhunderts. Bild: gemeinfrei

Doch so sicher war seine Herrschaft auf dem unruhigen Balkan nicht. Anfang September 1207 fiel Bonifaz im Kamof gegen die anstürmenden Bulgaren. Nun steckte seine Witwe Margarethe von Ungarn in der Klemme.

Es mussten dringend Verbündete her. Am besten aus dem Reich. Ihr Blick fiel auf Ritter Heinrich…

Der Historiker Dr. Bernhard Kreutz vermutet nun folgendes:
In dieser Notsituation hat wohl Margarethe (..) die Staurothek und andere Reliquien aus dem Schatz ihres Mannes dem Ulmener anvertraut. Er sollte sie nach Deutschland zu König Philipp von Schwaben bringen und den Staufer und seine byzantinische Gemahlin Irene so zum Eingreifen in Thessalonike bewegen„.

Mit den Schätzen in die Eifel

Heinrich machte sich beladen mit Schätzen auf in die Eifel und kam unbeschadet in seiner Heimatburg an. Den König erreichen die Pretiosen freilich nie.

Warum der Ritter seinen Auftrag nicht ausführte, ist nicht klar. Zeit hätte er gehabt, das Königspaar starb erst einige Monate nach Heinrichs Rückkehr.

Die Ruine von Burg Ulmen über dem Ulmener Maar / Foto: Burgerbe.de

Glücklich wurde der Ulmener mit seinen Pretiosen nicht. Kaum zuhause, belagerte ihn gleich Kreuzfahrer-Kollege Ritter Werner von Bolanden, der wohl genau um die Bedeutung der Stücke aus Thessalonike wusste.

Der Ablauf der Belagerung ist unklar. Angesichts der Bedrohung musste Ritter Heinrich eine Entscheidung treffen. Er zeigte sich fromm und großzügig und vermachte die Schätze umliegenden Kirchen und Klöstern.

So waren sie dem Zugriff anderer raffgieriger Ritter entzogen.

Und die dankbaren Kirchenoberen priesen Heinrich als christliches Vorbild. Einige Schenkungsurkunden sind bis heute erhalten geblieben.

Ruine des Kloster Stuben: Einst Heimat der Staurothek / Foto: Wikipedia / Rolf Kranz / CC-BY-SA 4.0

Das wertvollste Stück, die Staurothek – elf Kilogramm vergoldetes Silberblech – mit den holzernen Kreuz-Chrsti-Splittern, gab er 1208 an das Kloster Stuben an der Mosel, ein Konvent adeliger Damen. Hier war Heinrichs Schwester Irmgard die Oberin. Eine Schenkung in der Familie sozusagen.

Die Staurothek sorgte jahrhundertelang für einen Pilgerstrom zum Kloster Stuben. Heute kann man noch die majestätische Ruine der Klosterkirche sehen. 1835 kam die Staurothek an das Bistum Limburg.

Zu Gast bei der Krönung des Stauferkönigs

Zurück zu Ritter Heinrich: Er hatte hohes Ansehen erlangt. Als 1215 der Staufer Friedrichs II. in Aachen zum deutschen König gekrönt wird, ist der Ritter aus der Eifel dabei.

1217 bis ca. 1221 nahm er am fünften Kreuzzug teil, der im Debakel endete. Heinrich starb nach 1234 in der Heimat.

Heute weht über der Ruine Fahne die Fahne des Ortes Ulmen / Foto: Burgerbe.de

Heinrichs Nachfolger ergänzten seine hoch über dem Maar gelegene Burg 1292 über eine direkt benachbarte Niederburg erweitert. Die Burgen wurden in die Ulmener Stadtmauer integriert.

Als die Ritterzeit endetem versuchten sich Adelige hier noch einige Zeit als Raubritter über Wasser zu halten und unabhängig zu bleiben.

Es half alles nichts: 1490 kam Ulmen an Kurtrier. Wie so viele Burgen der Region wurde auch die Befestigung in Ulmen zwischen 1679 bis 1689 mehrfach von Brand und Truppen des Sonnenkönigs Ludwig XIV. schwer beschädigt und schließlich zerstört.

Burg Ulmen heute…
Ab 1815 hatten die Preußen in der Ruine das Sagen, die das Areal als Steinbruch versteigerten. Viele Ulmener Häuser wurden nach einem Brand 1831 aus Steinen der Burg neu errichtet.

Seit 1852 gehören die Reste der beiden Ruinen der Gemeinde Ulmen . Heute sind nur noch ein paar restaurierte Mauern zu sehen.

Die Staurothek heute

Die Staurothek hat die Zeitläufte bestens überstanden: Heute heißt sie Limburger Staurothek und wird an einem historisch aufgeladenen Ort gezeigt: In der einst im Auftrag des Limburger Bischof Tebartz-van Elst errichteten Luxuswohnung – heute Teil des Diözesanmuseums des Bistums Limburg.

Zum detaillierten Nachlesen der Geschichte empfehle ich: „Heinrich von Ulmen – ein Kreuzfahrer zwischen Eifel und Mittelmeer“ von Bernhard Kreutz – zu finden auf Kliomedia.

Ein paar Youtube-Bilder von Ulmener Maar und den beiden Burgruinen: