Ein frühmittelalterliches Schwert geht auf Reisen: Damit die wertvolle Grabbeigabe eines Fürsten vom Niederrhein auch ihre letzten Geheimnisse preisgibt, begleiten Restaurator Eugen Müsch vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) und der Archäologe Ulrich Lehmann das Fundstück zu Untersuchungen nach Leipzig.
Dort durchleuchtet ein Computer-Tomograph das Innenleben des Schwertes, das aus dem berühmten Gräberfeld in Krefeld-Gellep stammt. Hintergrund ist ein Forschungsprojekt des LWL, das den Schwertschmiede-Techniken des frühen Mittelalters auf der Spur ist.
„Wurmbunte Klingen“ heißt dieses Forschungsvorhaben, bei dem die Altertumskommission und die LWL-Archäologie für Westfalen seit einem Jahr kooperieren. Damit ist die innere Struktur der Schwerter des frühen Mittelalters gemeint, die sich in einem speziellen Schweißmuster in der Schwertklinge ausdrückt.
Diesem „Innenleben“ spürt der Archäologe Ulrich Lehmann nach, wenn er gemeinsam mit Kollegen verschiedener Forschungseinrichtungen Schwerter mit modernen Methoden durchleuchtet.
„Es geht uns darum, die Qualitätsunterschiede der Schwerter wissenschaftlich fassen zu können und damit auch die Bedeutung der Waffe im Frühmittelalter zu dokumentieren“, erläutert der Fachmann die Forschungsziele.
Fast 30 Schwerter aus Westfalen hat das Forschungsprojekt bereits auf diese Weise naturwissenschaftlich untersucht und dokumentiert. Sie alle stammen aus Gräbern des 6. bis 8. Jahrhunderts.
Das Museum Burg Linn hat jetzt das Ringschwert, das mit fast einem Meter Länge aufwartet und eindrucksvoll verziert ist, für die Untersuchungen im Rahmen des Forschungsprojektes zur Verfügung gestellt.
Ringpaar aus Gold
Das Schwert aus Krefeld hat ein Ringpaar am Knauf, das aus Gold gefertigt ist. Es besitzt außerdem Almandin-Einlagen (Eisentongranat) und ist mit vergoldeter Bronze verziert. Zwar handelt es sich nicht, um eines der legendären Ulfberth-Schwerter, aber dennoch erweist es sich als ganz schön aufwendig gearbeitet…
Der Computertomograph, der nun für die archäologischen Untersuchungen wichtige Zusatzerkenntnisse liefert, steht im Institut für Mineralogie, Kristallographie und Materialwissenschaft in Leipzig.
Er funktioniert ganz ähnlich wie die Apparate, die man aus Krankenhäusern kennt.
Im Unterschied zum menschlichen Untersuchungsobjekt wird das Schwert in diesem Tomografen in den Röntgenstrahlquellen gedreht. Damit kann ein vollständiges 3D-Modell des Schwertes einschließlich seines Innenlebens erstellt werden.“
So können wir die Konstruktion und die Schwert-Oberfläche, die über die Jahrhunderte in den Gräbern erheblich korrodiert ist, wieder nachbilden und damit die Außenwirkung der Waffe erfassen“, schildert Lehmann.
Rückschlüsse auf Schwerter-Besitzer
Von den Ergebnissen erhofft sich der Archäologe wichtige Erkenntnisse über die Qualität der jeweiligen Schwerter und Aussagen über den Status ihrer Besitzer.
In der Restaurierungswerkstatt der LWL-Archäologie für Westfalen in Münster hat Restaurator Eugen Müsch im Vorfeld bereits Röntgenfluoreszenz-Analysen an den Waffen durchgeführt.
Mit dieser Methode kommen die Forscher der Frage auf den Grund, welches Gold genau für die Schwerter verwendet wurde, welche Legierungen in den Waffen enthalten sind und welche Teile etwa vergoldet wurden.
Die Ergebnisse dieses Forschungsprojekts sollen in die Archäologie-Landesausstellung 2015 in Herne einfließen. Dafür ist die Rekonstruktion eines Schwertes aus Beckum geplant.
Mithilfe der Untersuchungen lassen sich auch längst fast vollständig verwitterte Bestandteile der Waffen wie hölzerne Schwertscheiden und deren Innenfutter aus Fell nachbilden.
Eines der fränkischen Schwerter aus dem Gelleper Gräberfeld ist übrigens schon vor Jahren werkstoffkundlich untersucht worden: Detlef Stender holte sich bei mehreren Experten Rat und ließ die Klinge aus dem späten 6./7. Jahrhundert in den damaligen Krefelder Krankenanstalten röntgen.
Hier sein Bericht in Kurzfassung: „Ein Beitrag zur Erforschung alter Schmiedekunst“
Das Schwert war bekanntlich nicht die einzige prägnante Waffe der Franken. Ein Krieger, der etwas auf sich hielt, konnte mindestens genauso gut mit der Franziska genannten Wurfaxt umgehen.
Quelle:
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des LWL vom 5. Dezember 2013 mit dem Titel: „Archäologie-Projekt erforscht Waffenkunst im frühen Mittelalter mit Tomografie“