Vesting Bourtange: Stützpunkt der aufständischen Holländer




Zugbrücke vor dem Haupttor der Festung Bourtange
Amsterdam? Nein, Bourtange. Die Zugbrücke vor dem Haupttor der Festung
Wenn Niederländer eine Festung bauen, was überragt dann wohl die Mauern? Na klar, der evangelische Kirchturm und die unvermeidliche Windmühle. So ist es natürlich auch bei der sternförmig angelegten Vesting Bourtange, einer der erstaunlichsten Wehrbauten des Landes.

Die fünfzackige Befestigung mit ihrem komplizierten System an Wassergräben und Zugbrücken ist nämlich genau so erhalten (beziehungsweise rekonstruiert worden), wie sie um 1742 ausgesehen hat – und auf jeden Fall einen Besuch wert.

Feuer aus mehreren Richtungen

Die Idee der Sternfestungen war, einem Angreifer die Annäherung zu erschweren und ihn dann von mehreren Seiten aus im Vorfeld der Mauern unter konzentriertes Feuer zu nehmen, während man den feindlichen Kanonen und Gewehren möglichst wenig Angriffsfläche bietet.

Die penible sternförmige Anlage der Wälle und Gräben ist vom Boden aus schwer einzuschätzen und wird erst aus der Luft klar erkennbar.



Festungswall und Windmühle von Bourtange im Winter
Festungswall und Windmühle von Bourtange im Winter
In Bourtange spaziert man erstmal über mehrere malerische rote Zugbrücken, die nun so gar nicht militärisch aussehen, entlang an Wasserläufen und niedrigen grasbewachsenen Erdwällen.

Von den kriegserprobten spanischen Landsknechten, die sonst eher mit angespitzen eisernen Fallgattern und hoch aufragenden Steinmauern voller rauchender Schießscharten zu tun hatten, dürfte dieses freundliche Bild wahrscheinlich mit einem heiseren Lachen kommentiert worden sein. Allerdings: Sie kamen da nie rein.

Luftaufnahme der Festung Bourtange/NL (Foto Wikipedia/NL:Gebruiker)
Luftaufnahme der Festung Bourtange im Sommer (Foto Wikipedia:Gebruiker)

Soldatenunterkünfte an der Batteriestraat
Soldatenunterkünfte an der Batteriestraat
Bevor der Besucher das Hauttor erreicht, umrundet man fast die halbe Festung (tolle Fotomöglichkeiten, auch Dank der alles überragenden Windmühle) und kann sich schon mal ein Bild machen.

Besonders schön ist die Tour im Winter, wenn die Gräben zufrieren und die Wälle mit Schnee bedeckt sind wie in diesem Winter.

Das Tor ist ein schmales Steingebäude, dahinter liegen keine weiteren Hindernisse. Wer einmal durch ist, ist im Herz der Festung. Der Kopfsteinpflasterweg Batteriestraat führt schnurgerade vorbei an ehemaligen Kasernen zum zentralen Platz mit dem Haus des Kommandanten. Heute ist in der „Commanderie“, Marktplein 4, ein Geschäft für Outdor-Kleidung.

Freundliches Festungsstädtchen

Der zentrale Platz der Festung
Der zentrale Platz der Festung
Die Festungsstadt ist von freundlichen Giebelhäusern aus rotbraunen Ziegeln gerägt und wirkt überhaupt nicht militärisch.

Caspar David Friedrich hätte an dieser Festung sicher viel Freude gehabt. Kriegsgerät sieht man nur auf den Plattformen auf den Wällen, wo heute wieder einige Kanonen hinaufgehievt wurden und jetzt ihre Läufe in die friedlich verschlafene Landschaft recken.

Spanier kommen heute ja nur noch als Touristen her und fallen dann bestenfalls in die kleinen Kuchen-Cafés ein.

1580 sah das noch anders aus. Die Spanier hielten Groningen besetzt, und die niederländischen Aufständischen hätten es ihnen gerne wieder abgenommen. Auf einem Sandrücken führte ein schmaler Weg durch die Moore und Sümpfe der Gegend zwischen Groningen und dem deutschen Lingen an der Ems.

Und an den bauten die Niederländer ihre Festung. Wilhelm von Oranien ließ eine Schanze mit fünf Bastionen anlegen.

Das dauerte erstmal, und die Spanier versorgten Groningen derweil einfach auf anderen Wegen. 1593 stellte Wilhelm Ludwig von Nassau die Festung fertig. Ein Jahr später konnten die Niederländer Groningen endlich wieder übernehmen.


Verfallende Grenzfestung

Blick vom Wall auf Haupttor und Zugbrücke
Blick vom Wall auf Haupttor und Zugbrücke
Nun hatte die Anlage eigentlich ihre Aufgabe bereits erfüllt und wurde Grenzfestung.

Ihr Schicksal war damit vorgezeichnet: Auf Verfall, Abzug von Soldaten und Sparrunden in Friedenszeiten folgten in Krisen und Krieg hektische Betriebsamkeit und Ausbauarbeiten. Im Jahr 1742, während des Ersten Schlesischen Krieges erreichte sie ihre größte Ausdehnung.

Es ist auch das Jahr, auf das die Rekonstruktion Bezug nimmt. Die Entwicklung von mit Sprengstoff gefüllten Granaten machte die Sternfestungen dann im 19. Jahrhundert strategisch wertlos.

Ein Angreifer konnte einfach mit einem Mörser im Bogen über die Wälle feuern und das gegen die Einschläge praktisch ungeschützte Innere der Festung in kurzer Zeit komplett zerstören.

Die Windmühle von Bourtange ist eine Rekonstruktion aus dem Jahr 1980
Die Windmühle von Bourtange ist eine Rekonstruktion aus dem Jahr 1980
1852 wurde die Festung aufgegeben und mit dem Abbau von Wällen begonnen. Jetzt konnten sich Zivilisten in den Mauern niederlassen und Handel und Gewerbe treiben. Es entstand ein jahrzehntelang blühendes Dorf.

Erst in den 1950er Jahren setzte ein rascher Niedergang ein, dem die Gemeinde Vlagtwedde mit dem Beschluss begegnete, die Festung wieder aufzubauen. Dazu mussten zum einen die Wälle und Wassergräben rekonstruiert werden.

Aber auch an der Bausubstanz tat man einiges. Die alte Bockwindmühle von Bourtange wurde 1832 verkauft, abgebaut und nach Ter Haar verlegt, wo sie heute noch steht.

Die heutige Bourtange-Mühle ist ein originalgetreuer Nachbau aus dem Jahr 1980. Liebevoll wurden auch die „Secreten“ wieder errichtet.

Die kleinen roten Holzhäuschen, die über die Wälle ragen, sind praktischerweise gleichzeitig Ausguck und Versteck für Scharfschützen – und können auch als Toiletten genutzt werden.

Briefmarke für die Festung

Die Festung ist in den Niederlanden sozusagen weltbekannt und bekam 2015 auch eine eigene Sonderbriefmarke.

Kanonen auf den Wällen
Kanonen auf den Wällen
Der Besuch der Festung ist kostenlos. Davor gibt es reichlich Parkplätze.

Kostenpflichtig ist lediglich der Besuch der kleinen Museumshäuser (Offiziers- und Soldatenwohnungen „de Baracquen“ und die ehemalige Synagoge von 1842). Vor der Festung liegt ein Besucherzentrum (offen 9 bis 17 Uhr. Sa./So, 11 bis 17 Uhr).

Bourtange liegt nur ein paar Kilometer hinter der Grenze. Von deutscher Seite aus ist es leicht zu erreichen über die A31, Abfahrt Dörpen. Auf der Autobahn wird netterweise auch darauf hingewiesen.

Lage: Vesting Bourtange,
Willem Lodewijkstraat 33,
Bourtange, Niederlande
Website (mehrsprachig, auch deutsch)

Hier ein paar Videobilder:

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Ein Gedanke zu „Vesting Bourtange: Stützpunkt der aufständischen Holländer“

  1. Ich war im Sommer in Bourtange. Wie ich sehe, hat es im Winter auch seinen Reiz. 🙂

    Schönen Bericht hast du da gemacht. Wie michael schon sagt, Kriegszüge im Winter waren eher selten aber theoretisch hätten sie realtiv rüber schlittern können 😉

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