Auf der täglich von zehntausenden Nutzern angesteuerten Wikipedia-Startseite findet sich heute (21. Dezember 2008) eine Burg: Der Wikipedia-Beitrag über Burg Wildenstein hat es zum „Artikel des Tages“ der Online-Enzyklopädie gebracht.
Der Artikel über die Festung in der Schwäbischen Alb ist auch wirklich exzellent. Die Anlage aus dem 13. Jahrhundert gilt als eine der besterhaltenen deutschen Burgen. Sie liegt auf einem Felssporn, 200 Meter über der Donau.
Eine historische Ansicht von Matthäus Merian (1643) ist weniger ein genaues Abbild der Burg. Sie zeigt vielmehr, wie steil und gewaltig der Bau den Menschen dieser Zeit vorgekommen sein muss.
Flucht vor der Pest
Der Geschichte des Gemäuers verlief weitgehend friedlich. Oft war sie ein rettender Rückzugsort, etwa 1519 bei einer Pestepidemie.
Im Bauernkrieg suchten die Besitzer, die Herren von Zimmerer, mit adeligen Freunden hier Schutz.
Den Adeligen und ihren Soldaten gefiel es nicht besonders. Wilhelm Truchsess von Waldburg kam sich vor wie in „einer Mausefalle“, während unten die Bauern randalierten. Im Wikipedia-Artikel ist in dem Zusammenhang von „Lagerkoller“ die Rede.
Die Bauern ahnten davon nichts. Möglicherweise sahen sie die steilen Felsen um die Burg ähnlich ehrfürchtig wie später der Merian-Zeichner. Sie griffen jedenfalls nicht an.
Vier Musketiere als Verteidiger
Die Einnahme der Burg im Dreißigjährigen Krieg war eher eine Posse. 1642 wurde die Anlage durch die gewaltige Streitmacht von vier(!) Musketieren und einem Kommandanten bewacht.
Am 10. August des Jahres begaben sich drei dieser Musketiere auf ein Fest. Der Kommandant verdünnisierte sich, und ein einsamer Wachmann wurde rauchend vor der Burg von protstantischen Truppen überrascht.
Eine der in der Burg angestellten Frauen schloss noch die Tore. Aber da waren die Angreifer schon durch die Schießscharten geklettert.
Bayerisch-Katholische Truppen rückten bald an, wurden aber unter Verlusten zurückgeschlagen. Die Festung war halt nicht ohne.
Da die Hohentwieler aber nicht auf eine lange Belagerung eingerichtet waren, einigte man sich im September auf eine Kapitulation, und die Bayern zogen ein.
Sie ließen danach auch immer mehr als vier Soldaten in der Burg.
Der Tabakkonsum der Wächter sollte der Burg (damals Gefängnis) bald fast zum Verhängnis werden. Nicht ordnungsgemäß entsorgte Asche setzte 1744 die alte Holzbrücke zwischen Hauptbastion und Vorburg in Brand.
Salut für Marie Antoinette
Bis ins späte 18. Jahrhundert standen dort oben auch noch einige Geschütze. Dass sie verschwanden, ist übrigens (indirekt) der späteren französischen Königin Marie Antoinette zu verdanken.
Als sie 1770, als Maria Antonia, Erzherzogin von Österreich und künftige Braut von Ludwig XVI., nach Paris reiste, kam die junge Habsburgerin auch in Donaueschingen vorbei. Da waren Salutschüsse unerlässlich.
Also holte man flugs die letzten Geschütze der Burg Wildenstein hinunter und feuerte fröhlich drauflos.
Auf die Idee, die Kanonen wieder hochzuschleppen, kam anschließend allerdings niemand mehr.
Langsamer Verfall der Burg
Die Burg, seit 1627 im Besitz der Familie von Fürstenberg, hatte danach ihre strategische Bedeutung verloren und verfiel langsam. Glücklicherweise fanden sich aber immer wieder Zwischennutzungen.
1804 bis 06 und 1867 wurde die Anlage renoviert. 1944/45 zog sogar die Philosophische Fakultät der ausgebombten Universität Heidelberg (30 Studenten und zehn Professoren) mitsamt des aus der Nähe stammenden Martin Heidegger auf Burg Wildenstein ein.
Prinzessin verkauft die Burg
1971 verkaufte Prinzessin Theresa von Fürstenberg das Anwesen schließlich für 150.000 D-Mark an die schwäbische Sektion des Deutschen Jugendherbergswerks. Sie verstarb im Juli 2008 auf Schloss Werenwag bei Beuron.
Burg Wildenstein wurde dann für 4,7 Millionen Euro restauriert. Heute wird sie als Jugendherberge mit 160 Betten und 25.000 Besuchern pro Jahr genutzt (die Hälfte sind Schüler). Ein Teil der Räume kann allerdings auch ohne Herbergsausweis besichtigt werden.
Link: Der Südkurier hat die Jugendherberge Burg Wildenstein im Mai 2013 in einer Wander-Serie vorgestellt.
Lage: Jugendherberge Wildenstein
Burg Wildenstein
88637 Leibertingen
Schöne Geschichte! :) Der Truchsess von Waldburg (,Waldsee und Wolfegg) war aber auch berüchtigt für seine Grausamkeit gegenüber den Bauern. Sein Grab ist übrigens in der Kirche von Bad Waldsee…
Wo er recht hat, hat er recht. Die Wikipedia ist ein Wiki. Aber „Wiki“ kurz für „Wikipedia“ ist, wie wenn man den „Burgerbe-Weblog“ mit „Weblog“ abkürzen würde: unsinnig und unverständlich.
Hallo Klaus Graf,
mmmh, mit den Abkürzungen ist das so eine Sache. Erst ärgert man sich, und dann wird es gängig. Ich habe es jetzt mal in der Überschrift ausgeschrieben ;-)
Immer wieder ärgert mich, dass die Wikipedia hier einfach als Wiki bezeichnet wird.
2 Sagen von Burg Wildenstein in meinem neuen Buch: Sagen der Schwäbischen Alb, 2008, S. 66-68
http://www.amazon.de/Sagen-Schwäbischen-Alb-Klaus-Graf/dp/3871810312
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