Märchen in der ARD sind eine hochpolitische Angelegenheit. Mit Prinzen auf Brautschau, schlafenden Prinzessinnen, bösen Schwiegermüttern und fiesen Zwergen kann man schließlich einem Millionenpublikum alle möglichen Botschaften vermitteln.
Im Weihnachtsmärchen „Die Gänseprinzessin“ 2022 geht es um Widerstand, ein Land im Ausnahmezustand, die Last der Trauer und … Humor. Hauptdrehort ist das märchenhafte Schloss Wernigerode im Harz. In 15 Drehtagen war das Märchen im Kasten.
Stoffe der Gebrüder Grimm
Glücklicherweise sind die Märchen der Brüder Grimm eine nie verendende Quelle von Märchenstoffen für die ARD-Sender. Und immer lassen sich auch aktuelle Bezüge finden.
Diesmal bediente sich das Autorinnen-Team aus Katrin Milhahn und Antonia Rothe-Liermann beim (recht kurzen) Grimm-Klassiker „Die Gänsehirtin am Brunnen“.
Die Handlung: Im Land des seit Jahren trauernden Königs Klaus (Johann von Bülow) ist Lachen unerwünscht. Alle müssen stets ernst bleiben. Und das schon seit zwölf Jahren.
Dummerweise erzählt Prinzessin Polly gerne Witze. Es kommt zum Konflikt. Polly flieht, verrsteckt sich und dabei trifft den Abenteurer Leif (Jascha Baum) und den Widerstandskämpfer Hagen (Zoran Pingel). Ob es ihnen gemeinsam gelingt, den König wieder zum Lachen zu bringen?
Eine besondere Rolle spielen übrigens die eigens trainierten Gänse…
Schloss Wernigerode ist ein beliebter Drehort, wenn ein verspuktes Schloss gesucht wird. Es diente zum Beispiel 2012 als Kulisse für die Verfilmung von Otfried Preußlers Kinderbuchklassiker „Das kleine Gespenst“. Der Streifen kam 2013 in die Kinos.
Auch schon zu DDR-Zeiten wurde hier gerne gedreht. In den 1970ern zum Beispiel eine russische Version von Baron Münchhausen oder das Märchen „Schneeweißchen und Rosenrot“.
Bismarcks Vize ließ umbauen
Dass Schloss Wernigerode diesen „mittelalterlich-romantischen“ Charme hat, hat eher wenig mit dem historischen Erbe zu tun. Die historischen Fassaden sind meist neueren Datums.
Denn das Bild des heutigen Schlosses entstand in erster Linie beim historisierenden Umbau der alten Grafenburg der zu Stolberg-Wernigerode in den Jahren 1862 bis 1883 durch Fürst Otto zu Stolberg-Wernigerode.
Der Adelige schaffte es in den Jahren 1878 bis 1881 immerhin zum Vizekanzler des Kaiserreichs und damit zum Stellvertreter Otto von Bismarcks.
Vorbild für „mittlelalterliche“ Bauten
Das Schloss gilt sozusagen als „Leitbau des Norddeutschen Historismus“. Und das hieß: viel Fachwerk, viele Verzierungen (auf Schliss Wernigerode sind es vor allem die opulenten Holzreliefs) und viele Türme und eine übertriebene Menge an Zinnen. Ein Schloss wie aus einem Ritterroman.
Viele andere Baudenkmäler wurden in dieser Zeit entsprechend umgebaut, was mehr mit der Sehnsucht der Besitzer nach „romanischem Mittelalter“ zu tun hatte als mit den historisch gewachsenen Strukturen der Gebäude.
Ein Beispiel dafür ist das schon einige Jahre früher als preußische Fantasieburg am Rheun entstandene Schloss Stolzenfels oder Schloss Lichtenstein in der schwäbischen Alb.
Das Wissen, hier oben durch eine 150 Jahre alte Kulisse zu laufen, ändert freilich nichts daran, dass ein Besuch auf Schloss Wernigerode und eine Besichtigung der Räume ein absolut lohnenswertes Erlebnis ist.
Wenn man schon mal da ist, kann man sich ja auch gleich die Stadt im Schatten der Burg ansehen…
Und hier ein paar YouTube-Szenen von den Dreharbeiten:
RBB-Online berichtet vom Beginn der Dreharbeiten: „Drehstart für die Gänseprinzesson“ (Link zum Artikel)
Auf der Website von der „kurhaus production Film & Medien GmbH“ kann man ein paar Bilder aus dem Film und die Liste der am Dreh Beteiligten sehen.
Vielen Dank für den hervorragenden Beitrag!
Excellent recherchiert mit erstklassigen Bildern.
Da schaut man doch gern mal ein👍