Am Freiherrn von Münchhausen kommt im zentralen Weserbergland niemand vorbei. Der Hype um den „Lügenbaron“ nimmt dabei etwas kuriose Züge an.
Auch zwei Schlösser sind mit dem Namen des Geschichtenerzählers verknüpft. Das kann schon mal zu Verwechselungen führen…
Schloss Münchhausen ist eigentlich ganz einfach zu finden. Man muss nur den diversen „Münchhausen“-Schildern folgen.
Also zunächst ins Münchhausenland Bodenwerder-Polle, dann in die Münchhausenstadt Bodenwerder, dort die Münchhausenstraße enlang zum – Überraschung – Münchhausenplatz. Da steht man dann vor Rathaus und Münchhausen-Museum.
Dumm nur, wer eigentlich nach dem 5-Sterne Schlosshotel Münchhausen, einem Schmuckstück der Weserrenaissance, gesucht hat.
Sterne-Luxus sucht man im Rathaus-Schloss Münchhausen jedenfalls vergebens. Das Münchhausen-Schlosshotel liegt ca. 25 Kilometer entfernt in Aerzen bei Hameln (wo man einen ähnlichen Kult um den Rattenfänger treibt).
Aber welches ist nun das echte Schloss Münchhausen, falls man das so sagen darf? Mal sehen…
Das Schlosshotel Münchhausen
Opulent. Anders lässt sich der Rauchersalon im Schlosshotel Münchhausen kaum beschreiben. Ein Kamin, der Versailles alle Ehre machen würde, erhebt sich meterhoch.
Ein mit Verzierungen völlig überfrachteter Treppenaufgang aus dunklem Holz führt gegenüber zur ersten Etage, von der riesige Wandbilder grüßen. Und über allem wölbt sich eine buntest verzierte Kassettendecke.
Der Besucher steht auf dicken Teppich, betrachtet die halbnackten Figuren, die das Kaminsims tragen und staunt über diesen Overkill an detailverliebtem Pseudo-Mittelalter-Design. Welche Komplexe mögen den Auftraggeber wohl umgetrieben haben?
Nunja, es waren die frühen 1920er Jahre. Der verlorenen Weltkrieg und die begleitenden Wirren steckten auch den Superreichen der jungen Weimarer Republik noch in den Knochen.
Da beruhigte die Flucht in opernhafte Fantasieszenarien, wo die Luxuswelt noch in Ordnung war.
Verantwortlich für die bis heute erhaltene Inneneinrichtung waren die Architekten Wangenheim und Lübke und der Maler Oscar Wichtendahl. Die Rechnungen zahlte Großgrundbesitzer Eduard Meyer (Spezialist für Saatgutvermehrung und Schweinezucht).
Sie entschieden sich für ein Stilmix aus Mittelalter, Barock, Rokoko, Empire, Klassizismus und Symbolismus, das sicher auch dem in die Niederlande geflohenen Ex-Kaiser Wilhelm II. gefallen hätte. Hauptsache imposant und detailreich.
Reichtum durchs Kriegsgeschäft
Von der ursprünglichen Einrichtung des Schlosses – eine der Vorzeigebauten der Weserrennaissance aus den 1570er Jahren ist leider nicht viel übrig.
Das Anwesen ließ damals Hilmar von Münchhausen errichten – ein reich gewordener Söldnerführer. Der Militärunternehmer bewegte mit mehreren tausend unter seinem Kommando stehenden Landsknechten in 1540er, 1550er und 1560er Jahren von einem Kriegsschauplatz zum nächsten.
Profit aus verlustreichen Kämpfen
Er kämpfte im Geldrischen Erbfolgekrieg, im Schmalkaldischen Krieg, für die Dänen gegen Schweden und für Kaiser Philipp II. gegen Frankreich. Nicht immer siegreich, häufig mit hohen Verlusten. Aber bei jedem Krieg strömten ordentlich Münzen in die heimischen Schatztruhen.
Das Geld legte er vorausschauend in Immobilien an. So erwarb er zum Beispiel Schloss Leitzkau für 70.000 Taler, ein früheres Kloster nahe Magdeburg, und baute es um.
Nach seinem Tod 1573 im Alter von 61 Jahren setzte seine Witwe Lucia von Reden den gerade begonnen Bau von Schloss Schwöbber fort und sorgte für die Errichtung des Mitteltrakts.
Hilmars jüngster Sohn Hilmar der Jüngere (1558–1617) hatte das Rittergut nach einem Losentscheid geerbt. Er ließ den Mitteltrakt durch zwei Flügelbauten einrahmen.
Damit hatte das Schloss die heutige U-förmige Gestalt. Damals war der Innenhof allerdings komplett von Gebäuden umschlossen, da sich gegenüber des Schlossbaus ein heute verschwundener Wirtschaftshof anschloss. Heute steht dort eine Mauer.
Zar Peter zu Gast im Schloss
Zur Zeit des 1720 geborenen „Lügenbarons“ war Schloss Schwöbber weiter im Besitz derer von Münchhausen. 1715 konnte die Familie sogar den russischen Zaren Peter im Schloss empfangen, der sich für die dortige Ananaskultur interessierte.
1717 erbte Friedrich von Münchhausen Schwöbber, ab 1741 war sein Sohn Landdrost Otto II. von Münchhausen (1716–1774) mehr als 30 Jahre lang der Herr im Schloss.
Ob der weit gereiste Geschichtenerzähler in seiner Kindheit gelegentlich bei den Verwandten auf Schwöbber zu Gast war?
Schloss Münchenhausen in Bodenwerder
Davon kann man ausgehen, schließlich wurde Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen, wie er mit vollem Namen hieß, im 25 Kilometer entfernten Bodenwerder geboren – im Herrenhaus des dortigen Gutshofs der Familie Münchhausen nahe der Weser.
Hier war man traditionsbewusst. Vater Georg Otto hatte über der Tür das Familienwappen der anbringen lassen. Der junge Hieronymus war ein Urururenkel von Hilmar dem Jüngeren.
Die Münchhausens aus Bodenwerder und die aus Schwöbber gehörten zum selben Zweig der Familie, der sogenannten schwarzen Linie.
Als Page in den Krieg
Allzu viel Zeit, zwischen den Schlössern Münchhausen und Schwöbber herumzustromern, wird der Hieronymus nicht gehabt haben. Schließlich wurde er bereits mit 13 Jahren als Page an den braunschweigischen Hof nach Wolfenbüttel geschickt.
Kaum angekommen, begleitete er Herzog Anton-Ullrich in den Russisch-Österreichischen Türkenkrieg auf die Krim (heute Ukraine). Seine dortigen Erlebnisse sollen ihn zu diversen Geschichten inspiriert haben.
17 Jahre lang lebte Münchhausen im Ausland, hauptsächlich in der damals russischen Garnisonsstadt Riga.
An langen Abenden in deutsch-baltischen Kreisen erzählten sich die Herren Offiziere und Gutsbesitzer Kriegsgeschichten, die man gelegentlich ein wohl auch ein kleines bisschen ausschmückte.
1750, mit gerade mal 30 Jahren, hatte Münchhausen genug von der Zeit als Expat. Außerdem hatte er das Gut Bodenwerder geerbt und kehrte – nun verheiratet mit Jacobine von Dunten – zurück.
Die restlichen 47 Jahre seines Lebens verbrachte er als Gutsherr im Herrenhaus nahe der Weser und pflegte das Leben eines redseligen Landedelmanns.
Selbst veröffentlicht hat der Freiherr die ihm zugeschriebenen Geschichten nie. Das übernahmen andere, zum Teil sehr zum Missvergnügen des alternden Türkenkriegs-Veteranen.
Münchhausen lebte noch im Schloss, als Gottfried August Bürger im September 1786 die erste Auflage seines Bestsellers „Wunderbare Reisen zu Wasser und zu Lange – Feldzüge und lustige Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen“ veröffentlichte. Zwei Jahre später folgte eine erweiterte Ausgabe.
Im Februar 1797 starb Münchhausen im Herrenhaus. „Seine“ Geschichten waren zu diesem Zeitpunkt bereits europaweit beliebt. Der Wohnsitz des Freiherrn ist heute als Schloss Münchhausen bekannt und im Besitz der Stadt.
Münchhausen-Museum
In einem der Gebäude befindet sich inzwischen das Münchhausen-Museum: „Erinnerungsstücke aus dem persönlichen Besitz des Hieronymus v. Münchhausen sowie Bilder und Dokumente zeichnen wichtige Stationen seines Lebenswegs nach„, heißt es auf seiner Homepage – und „Darüber hinaus beweisen die Museumsführer, dass sie die Kunst des Fabulierens brillant beherrschen„.
Aber zurück zu Schloss Schwöbber: Es blieb weiter im Familienbesitz. 1840 ließ Otto IV. von Münchhausen (1786–1853) eine Schlosskapelle im Stil der Neorenaissance errichten, die noch heute sehenswert ist.
Die Zeit der Gewächshäuser auf Schwöbber, die Zar Peter so imponiert hatten, endete bald darauf, als Ottos Bruder August (1798–1861) die Anlage erbte.
In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts kam die Familie immer mehr in finanzielle Bedrängnis. 1907 kam das Gut unter Zwangsverwaltung. 1908 brannte einer der beiden Flügel, der Teichflügel, nach einem Blitzeinschlag aus. Kriegsfolgen und Inflation taten ein Übriges.
1920 verkaufte Burchard von Münchhausen (1867–1940) das Gut mitsamt dem Schloss für 126.000 Goldmark. Das Schloss war 350 Jahre lang im Besitz der von Münchhausen gewesen. Die teilweise jahrhundertealte Inneneinrichtung wurde verramscht.
Nun schlug die große Stunde von Eduard Meyer (1859-1931), der durch die Bewirtschaftung großer Güter reich geworden war. Er kaufte das Rittergut und investierte große Summen im Schloss.
So ließ er den ausgebrannten Teichflügel wieder aufbauen und sorgte für die fanstastisch-opulente Inneneinrichtung
Den Krieg überstand das Schloss weitgehend unbeschadet, Schaden nahm 1945 vor allem die Parkanlage. Nach dem Krieg wurde das Gebäude zum Lehrerfortbildungsheim. Der benachbarte Golfclub nutzte das Schloss dann von 1985 bis 2002 als Club- und Gästehaus.
Und just in diese Zeit fiel ein weiteres Großfeuer: 1998 brannte es im mittleren Flügel. In den Folgejahren verfiel das Gebäude.
Danach, 2002 stand der bislang letzte Besitzerwechsel an: Ursula und Friedrich Popken, Inhaber der Mode-Kette Ulla Popken kauften das Schloss und begannen mit der dringend nötigen Sanierung.
Zwei Jahre später, 2004, konnte das 5-Sterne-Hotel eröffnen, das flugs nach dem Lügenbaron benannt wurde. Auch ein Restaurant eröffnete, das bis 2023 sogar über einen Michelin-Stern verfügte.
Herberge für WM-Kicker
Zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland mit Spielen im 50 Kilometer entfernten Hannover war das Schlosshotel dann als Herberge für Edel-Touristen und Kicker gleichermaßen beliebt.
Die französische Nationalmannschaft um Zinedine Zidane geruhte, hier zu schlafen, wusste die Neue Presse Hannover (Artikel inzwischen offline). Nur Wunschgast Barack Obama kam nicht vorbei.
Das Wappen des Hotels bezieht sich nun überraschenderweise nicht auf irgendeine Münchhausen-Geschichte, sondern zeigt eine Ananas: Eine Erinnerung an die Zeit, als der Zar nach Aerzen kam, um sich die fortschrittliche Pflanzenzucht anzuschauen. Und DAS ist sicher kein Lügenmärchen.
Weiterlesen:
Christiane Schillig berichtet im Denkmalmagazin „Monumente“: „Schloss Schwöbber – ein Neubeginn“
Auch die reizende Burgdame war schon da und berichtet in ihrem Blog vom „Edlen Schlosshotel bei Hameln“
Drohnenaufnahmen des Schlosshotels: