Den ganz großen Mediencoup erhoffte sich die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten aus dem Inhalt des Juwelentresors der letzten deutschen Kaiserin Auguste.
Der dämmerte seit Jahrzehnten verschlossen hinter der Wand des Ankleidezimmers der Kaiserin im Neuen Palais in Potsdam vor sich hin. Und der Schlüssel war pfutsch.
Mehrere Versuche, den Stahlschrank denkmalgerecht zu öffnen, scheiterten. Also wurde er angebohrt und per Mini-Kamera ausgeforscht. Ergebnis: Der Tresor ist leer.
Keine wirkliche Überraschung, wenn man bedenkt, dass die Kaiserin im Zuge der Revolution und des Sturzes der Monarchie 1918 genug Zeit hatte, ihre Juwelen einzupacken und mit ins Exil nach Haus Doorn zu nehmen.
Und dann waren ja noch die sowjetischen Besatzungstruppen, die sich sehr für verschlossene Behälter auf Schlössern interessierten (damals war der Schlüssel offenbar noch vorhanden).
Doch die Panzerknackerei hatte einen unerwarteten Nebeneffekt. In dem engen Raum hinter dem Tresor fand Jörg Kirschstein, Schlossbereichsleiter Babelsberg von der SPSG auch noch einen verschlossenen Schrank mit Transportkisten.
Darin lag Korrespondenz der letzten deutschen Kaiserin und Königin von Preußen Auguste Viktoria (1858-1921), Ehefrau des rastlosen Wilhelm II. – rund tausend Briefe aus der Zeit vor ihrer Vermählung 1881 und den ersten Jahren als Gattin des deutschen Kronprinzen.
Die Briefe sind zu dutzenden in dicken Umschlägen verstaut. Die meisten sind in den 1880er-Jahren mit Augustes Siegel verschlossen worden.
Für Historiker ist das ein Glücksfall, da der größte Teil der Post der Ex-Kaiserin 1945 verbrannt worden ist und sich nur wenig erhalten hat (im Gegensatz zu Dokumenten aus der Hand ihres Gatten).
Der Tresor im Garderobenzimmer der Kaiserin war leer. Doch dahinter lag keine Wand. Sondern ein Hohlraum, mit 1000 unentdeckten Briefe der letzten deutschen Kaiserin. Wie ein Schlosser in #Potsdam einen Sensationsfund machte: @SPSGmuseum pic.twitter.com/XLioNq0Lrd
— pnn.de (@PNN_de) 8. August 2018
Es handelt sich offenbar vorwiegend um Briefe an Verwandte und deren Antworten. Die meisten Schreiben gingen zwischen der Prinzessin Auguste Viktoria (von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg) und anderen Mitgliedern des Hauses Schleswig-Holstein hin und her.
Besonders schätzte die Prinzessin den Austausch mit ihrer Großtante, Königin Vicoria von England. Die letzten Briefe zwischen Viktoria und Victoria sind in einem eigenen Kuvert enthalten, eigenhändig beschriftet von der Prinzessin.
Auch Pläne für Kirchen sind unter den Dokumenten. Die Planung neuer Gotteshäuser war ein Hobby der frommen Auguste, weswegen sie in Berlin auch den Spitznamen „Kirchenjuste“ angehängt bekam.
Die Kisten waren offenbar 1888 beim Einzug des Kaiserpaars aus dem Berliner Schloss mitgenommen und dann im Wandschrank in der Garderobe eingelagert und vergessen worden.
Die offenen Briefe haben die Finder ausgewertet. Es geht um Familiendinge – die Gesundheit ihrer Söhne oder den Austausch von Strickmustern.
Irgendwie musste sich die junge Mutter ja beschäftigen, der ein Heer von Dienstboten alle Arbeit abnahm (als Kaiserin übernahm sie dann auch vermehrt repräsentative Aufgaben).
Jörg Kirschstein, Schlossbereichsleiter Babelsberg und Kurator der Ausstellung „Kaiserdämmerung„, schreibt:
„Obwohl der völlig überraschende Fund noch nicht im Detail untersucht werden konnte, darf man schon jetzt von einem Sensationsfund sprechen, der möglicherweise auch ein neues Licht auf die letzte deutsche Kaiserin und ihre Zeit zu werfen vermag.“
Briefe von weiblichen Adeligen sind historisch eine recht interessante Quelle. Man denke nur an die Korrespondenz der Liselotte von der Pfalz aus dem Haifischbecken am französischen Hof. Doch an den Esprit der unglücklich verheirateten Herzogin von Orleans wird Wilhelms Juste wohl nicht herankommen…
Ganz nebenbei brachten die Briefe der Kaiserin / Prinzessin der Berlin-Potsdamer Schlösserstiftung auch den gewünschten PR-Coup, der gerade richtig kam, um die laufende Ausstellung „Kaiserdämmerung“ noch weiter zu promoten.
Die Umschläge mit der Korresponz werden nun in einer Vitrine im Ankleidezimmer der Kaiserin gezeigt – wenige Meter neben dem Fundort, wo sie 130 Jahre lang lagerten.
Die Öffnung der Briefe soll nun auch medienwirksam ausgeführt werden. Im Jahr 2021 – zum 100. Todestag der Kaiserin – sollen Augustes Briefe dann als Buch erscheinen.
Weiterlesen:
Mehr dazu schreibt Kirschstein im Blog der SPSG: „Sensationeller Fund im Neuen Palais: 1000 vergessene Briefe an Kaiserin Auguste Victoria entdeckt“
Claudia von Duehren berichtet in der Berliner Zeitung: „Post von der letzten deutschen Kaiserin“