„So ward der Henker ein Edelmann.
Und Ahnherr der Schelme von Bergen.
Ein stolzes Geschlecht! Es blühte am Rhein.
Jetzt schläft es in steinernen Särgen.“
Den Schelmen von Bergen widmete Heinrich Heine 1846 ein denkwürdiges Gedicht. Das Adelsgeschlecht mit dem spaßigen Namen gab es tatsächlich. Sein Stammsitz, die Schelmenburg, lag im Frankfurter Stadtteil Bergen-Enkheim und ist erhalten. (Foto: Wikipedia /Lumpeseggl / CC-BY 4.0)
Mit seiner Geschichte vom Maskenball im Düsseldorfer Residenzschloss gab Heine seine ganz eigene Erklärung, wie die Schelme zu ihrem eigenartigen Titel kamen.
In Heines Geschichte tanzt ein maskierter Henker mit der Herzogin von Berg. Dass das Auge der adeligen Dame ausgerechnet auf den (gesellschaftlich ausgegrenzten) Scharfrichter gefallen ist, bemerkt das Publikum erst, als um Mitternacht die Masken fallen.
Dieser himmelweite Standesunterschied – das geht im reaktionären Herzogtum Berg nun mal gar nicht: Ein Seitenhieb Heines auf die zu seiner Zeit noch quicklebendigen deutschen Monarchien, deren blaublütige Herrschende ihre Standesdünkel nach Kräften pflegten.
Der im eigenen Schloss düpierte Herzog löst das Problem in Heines Gedicht flugs, indem er den Scharfrichter noch an Ort und Stelle adelt – und ihn zum Schelm von Bergen macht.
Die Geschichte der „rheinischen Lösung“ ist charmant, hat aber den Haken, dass sie auf einem Missverständnis beruht.
Schelme als „Halsabschneider“
Denn Schelm bedeutete zu mittelalterlichen Zeiten nicht den schlitzäugigen Gesellen, den Heine und später Heinz Erhard im Sinn hatten.
Je weiter man zurückgeht, desto düsterer wird die Bedeutung. Vom Halunken im Dreißigjährigen Krieg bis schließlich zum „Todbringer“ zur Zeit der Kreuzzüge. „Halsabschneider“ ist ein Wort mit einer ähnlich „freundlichen“ Bedeutung.
Der erste Schelm von Bergen, ein Werner, taucht schon 1194 in einer Urkunde auf. Also just zu jener Zeit, als das Schelmische noch äußerst tödlicher Ernst war.
Eventuell hat sich Werner von Bergen diesen Namenszusatz durch besonders grausames Verhalten als Kreuzfahrer erworben. Belegt ist das allerdings nicht. Seine Nachkommen hielten den Beinamen jedenfalls in Ehren und behielten ihn bei.
Wenn dieser erste Schelm gerade niemanden auswärts umbrachte, wohnte er auf einer kurz zuvor errichteten hölzernen Turmhügel-Wasserburg in Frankfurt-Bergen.
Zur Stauferzeit entstanden ja viele Burgen im Frankfurter errichtet, um das Land zu sichern (z.B. Burg Münzenberg in der Wetterau).
Wann die Burg schließlich aus Stein aufgebaut wurde ist nicht klar. Vermutlich aber erst Mitte des 14. Jahrhunderts. 1354 mussten die einstmals freien Reichsritter der Schelme von Bergen in die Dienste des mächtigen Ulrich III. von Hanau treten.
Ihre Burg, in der Urkunde schon als „festes Haus“ bezeichnet, erhielten sie als Lehen zurück.
Die Schelme hatten weiter Geldprobleme. Da lag es für Sibold und Gerlach Schelm von Bergen nahe, sich an den Kaufleuten der reichen Handelsstadt Frankfurt und ihren reisenden Geschäftspartnern schadlos zu halten.
Eroberer kamen übers Eis
Nach jahrelangem Raubrittertum nahmen die Frankfurter die Burg (damals auch Burg Gruckau genannt) im Winter 1381 ein. Der Wassergraben war gerade zugefroren. Die Schelme raubten weiter.
1389 wiederholte sich der Angriff der Frankfurter im Zuge der Kronberger Fehde.
Die Frankfurter mussten im selben Jahr allerdings eine herbe Niederlage gegen die Ritter der Umgebung einstecken – und die Schelme von Bergen waren die lachenden Dritten.
Abriss: Schloss statt Burg
Zwischen 1500 und 1520 ließ Adam Schelm von Bergen noch einen weiteren Wassergraben anlegen, der nun auch die Wirtschaftsgebäude vor Angreifern schützte, die keine nassen Füßen riskieren wollte. Der militärische Wert war eher gering.
1672 ließ Friedrich Adolph Schelm von Bergen die Burg kurzerhand abreißen und an ihrer Stelle – ganz im Geist der Zeit – ein repräsentatives Barockschlösschen errichten.
Anfang des 19. Jahrhunderts starben die Schelme aus.
Nun schliefen sie tatsächlich in „steineren Särgen“. Die Burg (die Wassergräben warenlängst zugeschüttet) wurde Kern einer Landwirtschaft.
1942 kaufte die Gemeinde Bergen-Enkheim das Anwesen für 100.000 Reichsmark. Heute ist die Schelmenburg ein „Haus der Vereine“ und Sitz der Musikschule Bergen-Enkheim. 2012/13 wurde die Anlage 14 Monate lang renoviert, nun fließt auch wieder Wasser durch den Graben.
Der Platz vor der Schelmenburg ist einmal im Jahr Schauplatz des Laien-Schauspiels „Schelmenspiel„.
Weiterlesen:
Die Frankfurter Neue Presse berichtete 2013 über die Wiedereröffnung der sanierten Schelmenburg: „Das Kräuterweib und der Schelm“ (nur noch kostenpflichtig verfügbar)
Informationen der Stadt Frankfurt zur Sanierung: „Fachgerechte Wiederherstellung der Schelmenburg“
Eine Übersicht über diverse Sagen im Zusammenhang mit den Schelmen von Bergen findet sich auf der Seite des Schelmenspiels
2013: Enthüllung des Denkmals „Kräuterfrau“ (eine Hexenfigur aus dem Schelmenspiel) vor der Schelmenburg: