Um Schloss Itter in Tirol tobte Anfang Mai 1945 eine der skurilsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs.
Die kämpfenden Parteien waren für den Zweiten Weltkrieg einzigartig: Auf der einen Seite gut bewaffnete SS-Kräfte, auf der anderen ein Sammelsurium aus US-Soldaten, Wehrmachtsangehörigen unter amerikanischem Kommando, einem desertierten SS-Offizier und französischen Politikern und Generälen.
Es ist eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, wann darüber ein Film gedreht wird.
In der zweiten Hälfte des Krieges war das Schloss ein Außenlager des KZ Dachau, gedacht für die Aufnahme von prominenten Häftlingen – Faustpfänder der Nazis.
Hier saßen unter anderem die ehemaligen französischen Staatschefs Édouard Daladier und Paul Reynaud ein, dazu die Generäle Maurice Gamelin und Maxime Weygand sowie Marie-Agnès Cailliaudie, deren „Vergehen“ darin bestand, die Schwester von Charles de Gaulle zu sein.
Anfang Mai 1945 machte sich die SS-Wachmannschaft aus dem Staub. Doch wirklich frei konnten sich die prominenten Gefangenen nicht fühlen, schließlich steckten die umliegenden Wälder voller SS-Männer, die trotz Hitlers Selbstmord erstmal weiterkämpfen wollten.
Ein tschechischer KZ-Häftling radelte in den nächsten Ort, um Hilfe zu holen. Dort traf er Wehrmachtssoldaten unter Major Josef „Sepp“ Gangl, die die Seite gewechselt und sich dem lokalen Widerstand angeschlossen hatten.
Und der abtrünnige Major wiederum hatte bereits Beziehungen zu den Amerikanern geknüpft, die in Innsbruck saßen und weiter nach Hitlers mystischer Alpenfestung suchten.
Am Ende standen zehn GIs unter Captain John C. Lee jr. bereit, das Schloss mitsamt seinen prominenten Bewohnern zusammen mit 14 Wehrmachtssoldaten und einem desertierten SS-Offizier zu verteidigen – unter dem Kommando der Amerikaner.
US-Armbinden für die „guten“ Deutschen
Captain Lee ließ die Deutschen Armbinden an ihren Nazi-Uniformen anbringen, um sie als „zahme Krauts“ identifizieren zu können. Die Amerikaner konnten sich auf einen Sherman-Panzer im Schlosshof stützen.
Die SS-Trupps im Wald und auf einem nahen Hügel verfügten über Maschinengewehre und Artillerie, die jetzt das Schloss unter Beschuss nahm. Der Panzer war bald ausser Gefecht gesetzt.
Die Schlossbesatzung feuerte zurück. Auch die Franzosen griffen, unterstützt von den Deutschen, zu den Waffen.
Major Gangl wurde bei der Schießerei getötet, als er den Ex-Ministerpräsident Reynaud aus der Schusslinie ziehen wollte.
Der Schlossbesatzung ging bald die Munition aus. Zum Glück der Verteidiger funktionierte das Telefon, und ein US-Kommandeur erkundigte sich nach dem Schicksal der Eingeschlossenen.
Auf die Hilferufe reagierte er mit dem Senden von Verstärkung. Die geriet gleich wieder unter Beschuss der SS.
Freigekämpft wurde das Schloss dann durch einen gemischten Verband aus Amerikanern und Deutschen, unterstützt von einem weiteren Sherman-Panzer. Das Schloss wurde bei den Kämpfen stark beschädigt.
Für die deutschen Soldaten, die auf amerikanischer Seite gekämpft hatten, war der Krieg damit vorbei: Sie gingen anschließend in Kriegsgefangenschaft. Schloss Itter diente später als Hotel. Heute sind dort Wohnungen.
Weiterlesen:
US-Autor Stephen Harding hat ein Buch über die Geschehnisse geschrieben, das jetzt auch auf Deutsch vorliegt: „Die letzte Schlacht: Als Wehrmacht und GIs gegen die SS kämpften (bezahlter Link zu Amazon)
Auf „Eines Tages“ hatAls Wehrmacht und Amerikaner gemeinsam gegen die SS kämpften“
Stephen Harding schrieb einen Artikel auf Historynet.com (engl.): „The Battle for Castle Itter“
Mark Felton berichtet auf seinem Youtube-Kanal (mehr als 2 Millionen Abonnenten):