Sonnenkönig Ludwig XIV. sammelte Provinzen wie heute andere Leute Geo-Caches. Sein schönstes Neujahrsgeschenk war daher eine frisch eroberte Festung in Feindesland.
Genau dieses Präsent wollte ihm zur Jahreswende 1692/93 Comte de Tallard machen.
Der 30-jährige Generalleutnant stand gerade mit 28.000 Mann plündernd am Mittelrhein. Dummerweise war Burg Rheinfels und das benachbarte St. Goar kurz zuvor durch eine Truppe von ca. 3000 Soldaten des Landgrafen von Hessen-Kassel und bewaffnete Bürger aus den umliegenden Dörfern besetzt worden.
Und die dachten gar nicht daran, dem stürmischen Franzosen die Tore zu öffnen.
Die Landgrafen von Hessen-Kassel und Hessen-Rheinfels hatten die Burg in den Jahrzehnten nach Ende des Dreißigjährigen Krieges für mehr als zwei Millionen Taler zur größten Festung am Rhein zwischen Koblenz und Bingen ausbauen lassen.
Zum einen richtete sich das gegen das landhungrige Frankreich, zum anderen aber auch gegen die hessische gräfliche Verwandtschaft. Rheinfels war ein ständiger Zankapfel der gräflichen Linie.
Wenn man heute durch die Ruinen streift, bekommt man einen Eindruck von der Ausdehnung einer der größten Barockfestungen Europas.
Zurück zu de Tallard. Der machte sich bei einem Erkundungsritt in voller Paradeuniform mitsamt seinen Offizieren erstmal ein Bild der Lage. 200 Meter von der Stadtmauer St. Goars entfernt, studierte er die Befestigung in aller Ruhe.
Ein Drechslermeister auf der Galerie der heute noch existierenden Stiftskirche beobachtete die Szene und legte seine schwere Büchse auf die Offiziere an. Er zielte „auf den Mann mit dem höchsten Helmbüschel“.
Erstaunlicherweise traf er. Der schwer verletzte General überlebte nur mit Glück und musste das Kommando abgeben.
Die Franzosen antworteten mit einem Sturmangriff auf die Festung. Angesichts der steilen Felsen und des harten Winters keine gute Idee.
Angeblich fielen 4000 Angreifer bei zwei Versuchen. Die Verteidiger unter Kommandant Georg Ludwig von Schlitz sollen mehr als 500 Tote zu beklagen gehabt haben.
Die blutige Angelegenheit endete wenige Tage später, als ein bunt zusammengewürfeltes Entsatzheer unter hessischer Führung anrückte.
Die Franzosen gaben aber nicht auf. 1734 griffen 200 Dragoner und 800 Mann an – und wurden wieder zurückgeschlagen. Im Siebenjährigen Krieg konnten die Franzosen die Burg Rheinfels dann kampflos übernehmen.
Eine solche Blamage wollten die Landgrafen nach Ausbruch der französischen Revolution unbedingt verhindern: 1794, beim Anrücken der Revolutionstruppen, standen wieder 3000 Mann auf den Zinnen und an den umliegenden Geschützbatterien.
Die Franzosen hätten sich auf einen blutigen Empfang gefasst machen können.
Sie beschränkten sich daher darauf, einen Trommler vorzuschicken, der die Ankunft eines angeblich 30.000 Mann starken Revolutionsheers ankündigte.
Das muss in etwa so gewirkt haben, wie Jahrhunderte später der Ruf „Die Russen kommen!“.
Die Besatzung, allen voran Kommandant Philipp Valentin von Resius (77), ließ jedenfalls buchstäblich alles stehen und liegen und flüchtete ins Rechtsrheinische.
Die einrückenden Franzosen fanden sogar noch das Essen auf den Tischen vor. Was für ein Desaster für den Landgrafen.
Damit war die Geschichte von Rheinfels als militärisches Bollwerk zu Ende. Die Franzosen sprengten die Werke und verkauften die Ruine 1812 an einen Privatmann als Steinbruch.
Als sie 1815 abzogen, fiel der Landstrich dann an Preußen. Einige Steine fanden dann beim Bau der preußischen Festung Ehrenbreitstein in den Jahren 1817 bis 1828 Verwendung.
1843 kaufte Preußens Prinz Wilhelm die Ruine, später bekannt als Kartätschenprinz und noch später als Deutscher Kaiser Wilhelm I. Er war mehrere Jahre lang in Koblenz stationiert und plante den Wiederaufbau der Burg, ließ es dann aber bleiben. Zumindest verhinderte er einen weiteren Abbruch.
Hätte Wilhelm gewusst, dass die romantische Ruine im hintersten Winkel Preußens Revolutionäre wie Ferdinand Freiligrath anzog, hätte sich der reaktionäre Hohenzoller das mit dem Abriss vielleicht nochmal überlegt.
Heute erinnert auf der Burg ein Freiligrath-Zimmer an den Lyriker, der in St. Goar sein bekanntes Gedicht „Trotz alledem“ verfasste – eine Provokation für den Obrigkeitsstaat.
1924 ging die Burg aus dem Besitz der Krongutstiftung, die die beschlagnahmten Besitzümer der Hohenzollern verwaltete, in das Eigentum der Stadt St. Goar über.
Die Nazis hätten große Teile der Anlage gern abgerissen, um eine „Thingstätte“ zu bauen, doch auch dazu kam es nicht. 1938 ließ der Verein Internationaler Hansenorden aus St. Goar Schildmauer und Hansensaal wieder aufbauen.
Nach dem Krieg, 1956, baute die Stadt St. Goar unterhalb der Burg ein Hotel und Restaurant, heute das Romantikhotel Schloss Rheinfels unter Leitung der Familie Ripp.
Link zum Romantikhotel Schloss Rheinfels, weitere Infos bei Euroreiseblog.
2018 sorgte der Chef des Hauses Hohenzollern mit einer Klage gegen das Land Rheinland-Pfalz für Wirbel. Der Urur-Enkel des lezten Kaiser möchte die Burg und das Hotel zurückhaben.
Die Burg Rheinfels ist übrigens eine Station des empfehlenswerten Rheinburgenwegs.
Hier ein paar Bilder der Rheinfels via YouTube:
Adresse:
Burg Rheinfels
Schlossberg 47
56329 St. Goar
Öffnungszeiten:
10.3. – 24.3.: 9 bis 17 Uhr
Ab 25.3. täglich 9 bis 18 Uhr
Der letzte Einlass ist eine Stunde vor Schließung.