Mit Schönheits-OPs lässt sich mächtig viel Geld verdienen. Doch die meist aus gutbetuchten Familien stammenden (Privat)-Patienten verlangen nach der Operation im passenden Ambiente.
Welche Bankergattin will schon nach Straffung der Gesichtshaut neben irgendwelchen jammernden niederen Angestellten im Mehrbettzimmer im tristen Krankenhausdesign von 1984 aufwachen?
Besonders beliebt sind daher Schlösser als Klinikstandort. Die Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg wollen nun den Ostflügel des historischen Schlosses Heiligenberg nahe Darmstadt umbauen, um in einem neuen OP-Raum plastische Operationen durchführen zu können.
Unters Messer kommen sollen mit ihrem BMI unzufriedene Zahnarztgattinnen ebenso wie Unfallopfer. Außerdem sollen dort vier Patientenbetten stehen. Das meldet Echo-Online.
Das Projekt ist trotz der geplanten 40.000 Euro hochlukrativ: Die in den Umbau investierten zwei Millionen Euro sollen bereits innerhalb von zwei Jahren(!) wieder hereingeholt werden. Der Umbau soll 2016 abgeschlossen sein. Die nötige Zustimmung des Kreistags gilt nur noch als Formsache. Das Schloss gehört dem Land Hessen.
„Für das Schloss Heiligenberg und die Region wird das Ganze ein Gewinn werden“, zitiert Echo-Online Landrat Klaus Peter Schellhaas.
Es gibt da nur einen Haken: Zurzeit wird das hoch über dem Ort Seeheim-Jugenheim gelegene Schloss vor allem kulturell genutzt: Der äußerst engagierte Verein Kultur im Schloss Heiligenberg veranstaltet regelmäßig allerlei Konzerte vom Open-Air im Schlosshof bis zum Klavier-Recital im Gartensalon.
Bei der Aufnahme des OP-Betriebs werden diese Veranstaltungen wohl nur noch an den Wochenenden stattfinden können, wenn der Klinikbetrieb ruht. Prompt hat sich schon eine Bürgerinitiative „Keine Klinik im Schloss“ gegründet, die baurechtliche Bedenken äußert.
Das zu diesem Zeitpunkt bereits seit einigen Jahren existierende Gutshaus war in den 1830er Jahren von Großherzogin Wilhelmine von Hessen und bei Rhein zum Schloss ausgebaut worden.
In den 1860er Jahren ließen Prinz Alexander von Hessen und bei Rhein und seine Frau Julia von Battenberg (die Stammeltern des Hauses Battenberg/Mountbatten), hier fleißig weiter werkeln. Bis 1914 war das Schloss häufig Treffpunkt des europäischen Hochadels. Gerne war auch das Zarenpaar zu Gast.
Zuletzt beherbergte das Schloss diverse Fachschulen. Bis 2011 war es Sitz des hessischen Amtes für Lehrerbildung.
Es gibt übrigens noch ein zweites Schloss Heiligenberg: Das liegt nördlich des Bodensees nahe Schloss Salem, ist deutlich größer und gehört der Familie zu Fürstenberg…
Update: Aus Kostengründen wurde das Klinik-Projekt 2019 abgespeckt. Unter anderem sollte auf eigene OP-Säle und Patientenzimmer verzichtet werden.
Mehr dazu bei Echo-Online: „Kosten für Klinikprojekt auf Schloss Heiligenberg verdoppelt “