Wenn ein Investor mit dem großen Geld lockt, ist in der Politik der Druck enorm, dem künftigen Steuerzahler sehr weit entgegenzukommen. Geltendes Recht kommt dabei schon mal unter die Räder.
Der Kreistag Darmstadt-Dieburg brachte es jetzt fertig, die umstrittene Einrichtung einer Schönheitsklinik auf dem landeseigenen Schloss Heiligenberg zu genehmigen, obwohl für den betroffenen Ostflügel lediglich die Verwendung als „Institut für Lehrerfortbildung“ im rechtsgültigen Bebauungsplan festgeschrieben ist.
Was ein Lehrerseminar mit Brustvergrößerungen zu tun hat, verrieten die Politiker nicht.
Auf die Existenz des Bebauungsplans hat die Initiative „Keine Klinik im Schloss“ aufmerksam gemacht und angemerkt, dieser sei bei der Entscheidung offenbar „vergessen“ worden. Das Darmstädter Echo machte den Fall jetzt öffentlich.
Die Stadtverwaltung von Seeheim-Jugenheim hat daraufhin eingeräumt, dass es diesen Bebauungsplan tatsächlich gebe.
Nichtsdestotrotz sei es im Schloss „inzwischen durch Gastronomie und Trauzimmer zu Nutzungsänderungen gekommen“ (interessante Argumentation, ein Jurist würde schmunzeln).
An den B-Plan „müsse man noch mal ran“, teilte der Bürgermeister der Zeitung mit.
Was so flapsig klingt, ist ein ziemlich aufwendiges Verfahren, bei dem „Betroffene“ diverse Einsprüche einlegen und munter klagen können.
Bis die ersten Patientinnen aus der Hautevolée von Odenwald und Hunsrück in den OP-Saal geschoben werden, wird es also noch etwas länger dauern als geplant.
Hintergrund: Die Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg wollen den Ostflügel des historischen Schlosses Heiligenberg nahe Darmstadt umbauen, um in einem neuen OP-Raum plastische Operationen durchführen zu können. Außerdem sollen dort vier Patientenbetten stehen.
Das Projekt verspricht äußerst lukrativ zu werden: Die in den Umbau investierten zwei Millionen Euro sollten sich innerhalb von zwei Jahren amortisieren.
Der Umbau sollte nach dem ursprünglichen Plan 2016 abgeschlossen sein. Das Schloss gehört dem Land Hessen.
„Für das Schloss Heiligenberg und die Region wird das Ganze ein Gewinn werden“, freute sich Landrat Klaus Peter Schellhaas.
Allerdings wird das hoch über dem Ort Seeheim-Jugenheim gelegene Schloss heute in erster Linie kulturell genutzt: Der engagierte Verein Kultur im Schloss Heiligenberg veranstaltet regelmäßig Konzerte vom Open-Air im Schlosshof bis zum Klavier-Recital im Gartensalon.
Bei der Aufnahme des OP-Betriebs werden diese Veranstaltungen wohl nur noch an den Wochenenden stattfinden können, wenn der Klinikbetrieb ruht.
Daraufhin hatte sich die besagte Bürgerinitiative „Keine Klinik im Schloss“ gegründet.
Bis 1914 war das Schloss häufig Treffpunkt des europäischen Hochadels. Gerne war auch das Zarenpaar zu Gast. Zuletzt war das Schloss Sitz des hessischen Amts für Lehrerbildung.
Hier geht es zum ausführlichen Artikel des Darmstädter Echo: „Verzögerung für Chirurgie im Schloss?“