Während Christoph Kolumbus in fernen Spanien seine Expedition nach „Indien“ ausrüstete, gingen die Büttel im niederrheinischen Hüls (heute ein Stadtteil von Krefeld) auf Hexenjagd.
An einem eisigen Februarmorgen des Jahres 1492 klopften die Helfer der Obrigkeit vorsichtig, denn man konnte bei diesen schwarzmagischen Geschichten ja nie wissen, aber bestimmt an die Tür der Nesgen to Range.
Gegen die Frau lag eine Anschuldigung wegen Hexerei vor. Ihr wurde vorgeworfen, beim Hülser Bauern Heinrich Plönkes Schaden herbeigehext zu haben. Die Büttel eskortierten die ihre Unschuld beteuernde Verdächtige daraufhin ins Gefängnis der Hülser Wasserburg.
Der aus Backsteinen errichtete Sitz der Ritter von Hüls, Lehnsleute des Erzbischofs von Köln, war zu diesem Zeitpunkt noch keine 40 Jahre alt. to Ranges Zelle dürfte kühl und feucht gewesen sein. Vielleicht hat diese Unterbringung ja zu ihrem schnellen Geständnis beigetragen.
Laut der Gerichtsakten gab sie zu, „dass sie dreierlei Haare und drei Eier unter Heinrich Plönkes Hofschwelle gelegt, und zwar ein Frauenhaar, ein Haar von Plönkes Pferden und eins von dessen Kühen“.
Unter der Folter (damals wie heute sprach man allerdings nicht von Folter sondern von verschärften Verhörmethoden von peinlicher Befragung) gab sie schließlich zu, drei Menschen mit Hilfe von Ratschlägen des Teufels verhext zu haben.
Der Teufel persönlich? Die Richter müssen innerlich erschauert sein bei der Größe, die ihr Fall annahm, und sich sehr wichtig vorgekommen sein.
Dumm nur, dass die to Range nicht mitspielte und das schöne Geständnis lauthals während der nächsten Folter-Stunde widerrief. Offenbar war ihr klar geworden, dass sie bei einem Urteil unausweichlich der Scheiterhaufen erwartete.
Was tun? Das Gericht war auf diesen Verlauf der Dinge nicht vorbereitet. Normalerweise arbeiteten die Folterknechte so professionell dass Rückzieher der verängstigten und gepeinigten Frauen unterblieben.
Aber diese to Range war anders. Da die Richter nicht mehr weiter wussten, schrieben sie die nächsthöhere Instanz in Kempen an.
Die Antwort der Kempener lautete dann sinngemäß: Das erste Geständnis war gültig. Wenn die Frau unschuldig wäre, würde Gott das schon zeigen. Also lasst die Hinrichtung ruhig anlaufen.
Gesagt getan. Die tapfere Hülserin wurde auf einem naheliegenden Richtplatz umgebracht.
Heute erinnert in Krefeld nur noch der alte Rangshof an die Geschichte – und die sanierte Wasserburg, die über den Hof der örtlichen Grundschule zugänglich ist.
Nesgen to Range sollte nicht die letzte Frau sein, die auf heutigem Krefelder Gebiet der Hexerei bezichtigt und vor Gericht gestellt worden ist. Im Städtchen Uerdingen kam es im Jahr 1589 zu einem Prozess und in Linn zu Verfahren in den Jahren 1601, 1604, 1605 und 1608.
Dabei wurden die Frauen gefoltert, in Uerdingen sogar der „Wasserprobe“ unterzogen, doch in allen Fällen wurden sie nicht hingerichtet. Ob das „Krefelder Prozesse“ waren oder ob es noch weitere gegeben hat, ist nicht bekannt.
Mehr dazu konnte man 2010 bei einer Austellung über Hexenverfolgung am Niederrhein auf der Krefelder Burg Linn erfahren.
Zur im gleichen Jahr abgelaufenen Expedition des Kolumbus gibt es übrigens eine Parallele. Der Matrose, der am frühen Morgen des 12. Oktober von Bord der Pinta aus die Küste einer Antillen-Insel sichtete, Rodrigo de Triana, war der Inquisition nur knapp von der Schippe gesprungen.
Die katholischen Könige hatten wenige Wochen zuvor im berüchtigten Alhambra-Edikt die Vertreibung aller Juden aus ihren Territorien verfügt.
Einer von ihnen war Triana, der jetzt aber erstmal auf Entdeckungs-Tour war. Er kehrte als Held heim und wurde von den Gotteskriegern nicht behelligt. Das Alhambra-Edikt hat die spanische Krone später gnädigerweise wieder aufgehoben.
Das Königshaus ließ sich damit allerdings 500 Jahre Zeit: bis 1992.
Hier mal eine Kurzdokumentation vom Hülser Burgfest 2012:
Fotos: Burgerbe.de