Der 6. Mai 1526 war ein blutiger Tag für Rom – und machte die Engelsburg in der damaligen Welt berühmt.
Am nebligen Morgen hatten Söldner die römischen Stadtmauern überwunden. Ihr bunt zusammengewürfeltes Heer war 24.000 Mann stark – und führerlos. Der letzte anerkannte Anführer war am Morgen gefallen.
Spanier, Italiener und Landsknechte aus deutschen Ländern waren in die Ewige Stadt eingedrungen und zum Petersplatz vorgestoßen.
147 tote Schweizer
Dort stellten sich ihnen 147 Schweizergardisten unter ihrem Kommandanten Kaspar Röist mit einigen italienischen Söldnern entgegen. Die Landsknechte metzelten alle päpstlichen Soldaten nieder.
Papst Clemens VII. brachte das Massaker wertvolle Minuten. Durch einen 800 Meter langen Geheimgang flüchtete der Florentiner mit den restlichen 42 Mann der Schweizergarde auf die Engelsburg. Zugbrücke hoch.
Die letzten Gardisten hatten ihren Chef gerade noch vor dem blutrünstigen Heerhaufen in Sicherheit gebracht.
Jetzt konnte der Medici-Papst von oben zuschauen, wie die Soldateska wochenlang Rom plünderte, die Einwohner folterte und vergewaltigte: der „Sacco di Roma“.
Die Landsknechte begannen parallel mit einer Belagerung der Engelsburg und warben spöttisch für Martin Luther als Papst.
Doch das zur Renaissancefestung umgebaute römische Kaisergrabmal war zunächst unbezwingbar…
Engelsburg als Kaisergrab
Augustus als erster römischer Kaiser dachte gerne groß – auch in Sachen Nachruhm. Ein mächtiges, rundes Mausoleum 87 Meter Durchmesser sollte seine Asche und die seiner Angehörigen aufnehmen.
Vorbild für Augustus Bau aus dem Jahr 29 v.Chr. waren etruskische Grabhügel (die sogenannten Tumuli). Der Kaiser Nr. 1 gab sich da ganz traditionell.
Der Rundling aus Travertin, Marmor und römischem Zement fristet heute als Ruine nahe des Tibers neben dem modernen Museum mit Augusts‘ Friedensaltar (Ara Pacis) ein eher wenig beachtetes Dasein.
Zu Augustus Zeiten war auf dem Mausoleum ein steiler, mit Bäumen bepflanzter Hügel aufgeschüttet. Über allem wachte eine Statue des Kaisers. Im Inneren war Platz für die Urnen und einen kleinen Tempel.
Als 14. Kaiser amtierte Hadrian ab 117 n.Chr. Der Imperator lenkte 19 Jahre lang die Geschicke des Riesenreichs.
Einige seinem Auftrag erstellte Bauwerke haben die Zeiten mehr oder weniger gut überstanden wie der Hadrianswall im Norden der britischen Insel, das von ihm wiederaufgebaute Pantheon in Rom – oder sein Grabmal.
Hadrians Grabmonument
Inspiriert von Augustus‘ letzter Ruhestätte ließ Hadrian einen Rundbau am westlichen, dem „vatikanischen“ Tiberufer, errichten. Er ergänzte das Bauwerk mit einer eigenen Brücke zum Marsfeld und der römischen „Altstadt“ auf dem anderen Ufer.
Mit etwa 64 Meter Durchmesser fiel dieser etwas schmaler aus als das Augustus-Mausoleum. Allerdings steht Hadrians Komplex auf einem 85 Meter breiten und zehn Meter hohen Sockel, der ihn imposant erhöht.
Gekrönt wurde das Grab von einem Tempel. Auf dessen Dach stand (vermutlich) eine Quadriga, die Hadrian als Sonnengott zeigte.
Im Zentrum des Rundbaus steckt ein massiver gemauerter Baukörper mit der Grabkammer. Im Inneren schraubt sich eine 122 Meter lange, drei Meter breite Rampe vom Atrium zur Grabkammer.
Auf dem letzten Stück geht es über eine Holzbrücke. Die Rampe überwindet auf ihrem Weg einen Höhenunterschied von 12 Metern.
Grabkammer klingt vielleicht etwas zu imposant. Also zumindest, wenn man an Pharaonengräber denkt. Hadrian & Co. ließen sich nicht Ganzkörper-mumifiziert in Sarkophagen in die Ewigkeit schicken, sondern einäschern.
Hadrians Urne in der Wand
Im Zentrum der Engelsburg fanden die Urnen von sieben römischen Kaisern in Wandnischen ihre vorerst letzte Ruhe.
Vermutlich war das Grabmal von Hadrian, Marc Aurel und ihren royalen Verwandten wie das von Augustus von einer mit Bäumen bepflanzten Erdaufschüttung bedeckt: einem künstlichen Wald als Dach sozusagen.
Eine erstaunlich ökologisch-moderne Idee. Im Engelsburg-Museum kann man ein Modell sehen.
Von den Urnen sind keine Spuren mehr erhalten. Die Nischen sind noch da, sie fallen heute aber kaum auf.
Kaisergrab wird zur Burg
Ihre Grabesruhe unter Bäumen hatten die kaiserlichen Familien nur ein paar hundert Jahre lang. In den Wirren nach 395 wurde der massive Komplex Teil der römischen Stadtbefestigung.
Das Hadrian-Mausoleum diente nun als befestigter Brückenkopf mit eigener Brücke auf dem vatikanischen Tiberrufer.
Nach dem Fall von Rom nutzten gotische Besatzer die Zitadelle als Stützpunkt. Danach verschwindet der Komplex für einige Jahrhunderte im Dunkel der Geschichte.
Um 965 n.Chr. ist die Engelsburg dann im Besitz der Päpste. Sie dient ihnen als Stützpunkt und Fluchtburg.
Im Engelsburgmuseum steht ein kleines Modell, dass den Zustand der Burg in dieser Zeit zeigt.
Papst-Mord in der Engelsburg
Für Päpste konnten die Mauern am Tiber aber auch zur tödlichen Falle werden. Benedikt VI. wurde hier 974 von einem Mönch erdrosselt. Johannes XIV. ließen seine Gegner 984 hier umbringen, wahrscheinlich durch Verhungern.
Im Investiturstreit war die Flucht in die Engelsburg die Notlösung, falls der ungehaltene Kaiser nahte. Damit die Oberhirten schnell, geschützt und unauffällig in ihre Burg ausweichen konnten, ließen sie 1277 den Passetto di Borgo bauen.
Der 800 Meter lange Fluchtgang wirkt heute wie eine Mischung aus Stadtmauer und Aquädukt.
Luxuswohnen für Päpste
Die Päpste des 16. Jahrhunderts wollten hier sicher und standesgemäß wohnen. Während im Heiligen Römischen Reich die Reformation an Boden gewann, ließen sie die Burg als Festung ausbauen. Diese sollte sich auch gegen Angriffe mit Kanonen verteidigen können.
Zusätzliche Türme sicherten nun die Flanken. Angreifer konnten von allen Seiten unter Beschuss genommen werden.
Ihre Appartements und die repräsentativen Säle ließen die jeweiligen Päpste von Künstlern aus der Schule Raffaels opulent ausmalen.
Die Tour durch die päpstlichen Räume ist heute der Höhepunkt des Besuchs. Es gibt sogar ein päpstliches Badezimmer (und natürlich auch eine Schatzkammer).
Nachdem Clemens VII. den Landsknechten entkommen war, konnte er bequem abwarten und seinen wachsenden Bart pflegen. Doch am Ende hatten die Belagerer größere Druckmittel.
Nach mehreren Monaten gab der Papst auf, zahlte Lösegeld und verzichtete auf einige Städte.
Der Kerker der Inquisition
Unterhalb der Papst-Apartments richtete die Inquisition in den kommenden Jahren ein Gefängnis ein, das auch die päpstliche Polizei gern nutzte.
Der Mönch und Astronom Giordano Bruno verbrachte hier ab 1593 sieben Jahre wegen des Verdachts der Ketzerei und Magie. Im Jahr 1600 ließ die Kirche ihn auf dem Campo de‘ Fiori in Rom verbrennen.
Ab 1789 saß Alessandro Graf von Cagliostro im Engelsburg-Kerker ein. Der Vorwurf: Häresie, Zauberei und Mitgliedschaft bei den Freimaurern. Seine Ketten werden im Museum gezeigt.
Wieso heißt die Engelsburg so?
In einem Traum soll ein Engel Papst Gregor „der Große“ im Jahr 590 das nahe Ende einer Pandemie verkündet haben. Schwebend über der runden Zitadelle. Seitdem soll die Festung Engelsburg heißen.
Auf dem Dach der Burg wacht seit päpstlichen Zeiten ein Engel. Der Erzengel Michael von Raffaelo de Montelupo aus Marmor, der die Engelsburg ab 1544 mehr als 200 Jahre lang zierte, steht heute im Innenhof am Eingang zum Museum.
Den arg lädierten Marmor-Michael ersetzte 1742 der heutige Erzengel des Künstlers Peter Anton von Verschaffelt aus Bronze.
1870 ging die Burg in staatlichen Besitz über. Ein paar Jahre lang wurde das Gefängnis noch betrieben und Soldaten beherbergt.
Seit 1901 ist die Burg ein Museum (Museo di Castel Sant’Angelo). Es gibt eine Dauerausstellung über die Baugeschichte und Wechselausstellungen. Als ich da war, stand der Filmemacher Marcello Mastroianni im Mittelpunkt einer Schau.
Den besten Blick hat man von der Engelsterrasse – idealerweise bei Sonnenuntergang. Die Kuppel des Petersdoms scheint zum Greifen nahe zu sein.
Was wurde aus Hadrians Quadriga?
Nur wenige monumentale antike Metallskulpturen sind erhalten. Zu groß war über die Jahrhunderte die Versuchung, sie einzuschmelzen.
Sollte auf der Engelsburg eine Bronze-Quadriga gestanden haben, hat sie doch sicher dasselbe Schicksal erlitten, oder?
Kann sein. Muss aber nicht. Nur eine vergoldete antike Quadriga ist erhalten: Die Pferde von San Marco.
Bekannt ist nur, dass das Vierergespann bereits im frühen 4. Jahrhundert nach Konstantinopel kam. Kreuzfahrer schafften es 1204 nach Venedig, wo die Pferde (ohne Lenker) heute noch stehen.
Es gibt diverse Hypothesen, wo die Quadriga ursprünglich platziert war: Triumphbögen des Nero, des Trajan – oder auf dem Hadrian-Grabmal.
Gibt es Tickets für die Engelsburg ohne Warten?
Tickets für den Besuch der Engelsburg kann man vorbestellen. Dann muss man nicht warten, zahlt aber je nach Anbieter etwas oder halt astronomisch mehr. Oder man kauft sie vor Ort.
Kostenpunkt für die Tickets beim Kauf an der Kasse war 2024 16 Euro. Am liebsten nehmen sie Bargeld.
Ich musste an einem Sonntag etwa 20-25 Minuten in der Schlange stehen. Angesichts der Größe des Gebäudes sollte man schon deutlich mehr als eine Stunde Zeit für den Rundgang mitbringen.
Wie sind die Öffnungszeiten der Engeölsburg?
Öffnungszeiten der Engelsburg sind Dienstag bis Sonntag von 9 Uhr bis 19.30 Uhr. Letzter Einlass ist um 18.30 Uhr.
Was kostet der Besuch der Engelsbrücke?
Direkt vor der Engelsburg liegt die Engelsbrücke (Ponte Sant’Angelo) mit ihren Engelsskulpturen. Nachts werden beide Bauwerke erleuchtet. Die Brücke kann man natürlich kostenfrei überqueren.
Link:
Website der Engelsburg mit Infos zu den aktuellen Öffnungszeiten, Eintritt, etc. (italienisch)
Weiterlesen:
Auf der Website des schweizerischen Nationalmuseums schreibt Thomas Weibel „Der schwärzeste Tag in der Geschichte der Schweizergarde“ (Link zum Artikel)
Anna Mertens hat für die Katholische Nachrichtenagentur kna über einen „Besuch in einem fast 1.900 Jahre alten Monument“ geschrieben. Hier geht’s zum Artikel, der auf Domradio.de erschienen ist.