Paris ist erst seit 100 Jahren keine Festung mehr. Erst 1919 verschwanden die Stadtmauern. In den Jahrhunderten seit römischen Zeiten war zunächst das Zentrum des heutigen Paris, dann weite Teile der Stadt immer wieder befestigt und mit burgartigen Festungen gesichert. Das diente zum Schutz vor äußeren Feinden, aber auch vor der als chronisch unzufrieden geltenden Bevölkerung.
Konkret hieß das zunächst den Bau vereinzelter Palisaden, dann ein mittelalterlicher Mauerring, Türme und Tore, die zum Teil zu burgartigen Befestigungen ausgebaut wurden. In Zeiten militärischer Macht etwa unter dem Sonnenkönig Ludwig XIV. und der schnell wachsenden Stadt verfielen die Mauern.
In Zeiten militärischer Bedrohung wurden wieder Befestigungen errichtet, prägend war der Bau der nach Adolphe Thiers benannten Stadtmauer der 1840er Jahre. Die Festungszeit hat ihre Spuren hinterlassen. Ein Besuch:
Ile de la Cité
Wo heute Touristen zwischen Notre Dame und den Uferstraßen der Seine hin und her strömen, war zu römischen Zeiten im alten Lutetia ebenso Betrieb wie im Mittelalter vor dem Jahr 1000.
Einschneidendstes Ereignis für die zu diesem Zeitpunkt noch sumpfigen Seine-Inseln und ihre Befestigungen war die Belagerung durch Wikinger 885/86. 30.000 Nordmänner sollen die damalige Schwäche des Westfrankenreichs ausgenutzt haben.
Das Paris dieser Jahre war auf einen unbedeutenden Grafensitz auf den Inseln geschrumpft, die heute die Isle de la Cité bilden. Die Wikingergefahr war schon seit einigen Jahrzehnten bekannt. Die Grafen von Paris und Umgebung hatten die Verteidigung ihrer Inseln entsprechend ausgebaut.
Zur wichtigsten Insel führten zwei Brücken: Eine steinerne Römerbrücke und die Petit Pont aus Holz. Türme mit Gräben davor schützten die Zugänge an der Landseite. Bogenschützen auf Brücken und Türmen bildeten eine wirksame Abschreckung.
Damit hatte der kleine Flecken Paris eine doppelte strategische Bedeutung. Hier kreuzten sich alte Handelswege – und durch die Brücken war es möglich, die Seine in ihrem weiteren Verlauf für Wikinger (oder Engländer) auf Plünderzug zu sperren.
Der Ausgang der Belagerung legte letztlich mit den Grundstein für den Aufstieg von Paris zur Königsresidenz und Hauptstadt.
Mehr zur Wikingerbelagerung von Paris steht in dem entsprechenden Wikipedia-Artikel.
Die Conciergerie

Herzstück des mittelalterlichen Paris war der im 9. Jahrhundert entstandene Herrschsitz, das Palais de la Cité gegenüber von Notre Dame. Es entwickelte sich für mehrere Jahrhunderte zum Königspalast.
1358 wurde der Palast dem regierenden Dauphin Karl (König Johann war gerade in englischer Gefangenschaft) nach dem Jacquerie-Aufstand doch zu unsicher. Anfang des 14. Jahrhunderts entstanden hier von mächtigen Säulen getragene gotische Säle.
Hier hatte bereits kurz vor dem Jahr 1000 die königliche Verwaltung unter dem Concierge (Verwalter) ihren Sitz. Sie übernahm den Palast nach dem Abgang des Königs komplett.
Daher stammt auch der heutige Name der Gebäude am Fluss: Conciergerie. Diese enthielt natürlich auch Kerkerzellen. Ex-Königin Marie-Antoinette saß hier ein und haderte mit dem Schicksal.
Die Fassade stammt zu großen Teilen noch vom Ende des 13., Anfang des 14. Jahrhunderts. Prägend sind zwei darin eingelassene Rundtürme: Eine prima Foto-Möglichkeit vom Pont Neuf aus (Foto oben).
Ein Großteil der Conciergerie wird noch heute durch Gerichte genutzt. Teile des Komplexes sind zugänglich.
Die beiden Châtelets
Die Seine-Brücken waren die wichtigsten strategischen Punkte der Stadt. Die Römer hatten die Brücken zu ihrer Zeit mit einem Kastell gedeckt. Traditionell wurden sie im Hochmittelalter durch Türme geschützt.
Beim Bau der Grand Pont zur Ile de la Cité (heute Pont au change, „Geldwechslerbrücke“) entstand zu deren Schutz auf der Landseite um das Jahr am Ende des 9. Jahrhunderts eine Burg, das Grand Chatelet. Die Petit Pont erhielt etwa zeitgleich das Petit Chatelet (eine eher bescheidene Torburg, 1780 abgerissen).
Ähnlich wie bei der Bastille veränderte sich die Aufgabe der Befestigungen. Die neuen Stadtmauern aus Stein verschoben Im 12. Jahrhundert die Verteidigungslinien weg vom Fluss. Doch Befestigungen wurden in der Hauptstadt immer gebraucht.
Das quadratische Châtelet mit seinen zwei massiven grauen Türmen in Richtung der Stadt muss martialisch gewirkt haben. Hier waren jahrhundertelang Justizverwaltung, Gerichte und ein Gefängnis untergebracht.
Die Zellen für wenig begüterte Gefangene waren gefürchtet. Im 18. Jahrhundert wurde einer der Räume als Leichenschauhaus genutzt, für die Leichen, die sich nachts auf den unsicheren Straßen von Paris fanden.
Zur Zeit der Revolution saßen hier 350 Gefangene ein. Das gefürchtete Grand Châtelet wurde in den Revolutionstagen auch gestürmt, zunächst jedoch nicht abgerissen. Das passierte erst 1802 auf Befehl von Napoleon.
Heute erstreckt sich an der Stelle der Place du Châtelet. Der Name Chatelet lebt auch in der gleichnamigen Metrostation weiter.
Die Bastille
Der Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 gilt als Auftakt der Französischen Revolution. An Stelle der Burg erstreckt sich heute ein großzügiger Platz. Im Pflaster ist der Umriss nachgezeichnet.
Wer weiß schon noch, dass die Revolution an einem etwas überdimensionierten Stadttor begann?
Die Bastille entstand auf königlichen Befehl während des Hundertjährigen Krieges zwischen 1370 und 1382 an der östlichen Seite der Hauptstadt. Sie war als Torburg gedacht und sollte speziell vor englischen Truppen schützen. Acht massive Zinnentürme und ein Wassergraben unterstrichen ihre Wehrhaftigkeit.
Die Rolle als Hochsicherheits-Staatsgefängnis mit 80 Zellen, darunter diegefürchteten unterirdischen Zellen, und als Stadtburg bekam die Bastille erst Anfang des 17. Jahrhunderts. Prominente wie Voltaire hatten das zweifelhafte Glück, hier einzusitzen.
Die Bastille galt als derart wichtiges Symbol der Königsherrschaft des Ancièn Regime, dass der Abriss bereits wenige Tage nach dem Sturm startete. Zunächst blieben nur noch kniehohe Mauern stehen.
Wo ist die Louvre-Burg geblieben?
Der alte Louvre war eine trutzige, kompakte Burg aus dem 12. Jahrhundert mit einem Donjon (Burgturm) zum Schutz des rechten Seineufers.
Mit dem Bau der Stadtmauern war auch diese Flussfestung ohne jeglichen Wohnkomfort so nicht mehr nötig. In den 1380er-Jahren wurde sie Schritt für Schritt schlossartig umgebaut. 1524 folgte der Umbau zum repräsentativen Renaissanceschloss. Der Donjon wurde abgerissen.
Französische Könige und Königinnen genossen die Annehmlichkeiten ihres Louvre-Palasts und der gegenüberliegenden Tuilerien allerdings nur etwa 160 Jahre lang. 1682 entschied sich Ludwig XIV. mit seinem kompletten Hof doch lieber nach Schloss Versailles umzuziehen. Der Louvre verwahrloste. Er wurde im Verlauf der Revolution schon einmal zum Museum.
Mit Kaiser Napoleon III. zog dann nochmal ein Staatsoberhaupt im Louvre ein, bis er nach der Niederlage im Krieg gegen Preußen-Deutschland zurücktreten musste.
Heute residiert der französische Präsident im Elysée-Palast am nördlichen Seine-Ufer im 8. Arrondissement (Rue du Faubourg Saint-Honoré).
Die letzten Reste der mittelalterlichen Louvre-Burg sind lange überbaut. Zum Teil liegen sie unter dem Innenhof des „neuen“ Palais du Louvre mit der charakteristischen Glaspyramide. Grundmauern der Türme kann man sich im unterirdischen Louvre-Museum anschauen.

Ich habe in diesem Artikel ausführlich über den Louvre und das Historiengemälde „Die Bartholomäusnacht“ von 1880 geschrieben.
Wo erfährt man mehr über die Militärgeschichte von Paris?
Wer sich für die Geschichte der Befestigungen in Paris und die Militärgeschichte der Hauptstadt und Frankreichs insgesamt interessiert, dem ist ein Besuch im Militärmuseum beim Invalidendom empfohlen. Es zeigt reichlich kunstvoll ziselierte Rüstungen, die ersten Kanonen (und eine deutsche V1-Flügelbombe im Treppenhaus), die prachtvollen Uniformen von Napoleons Leibgarde und allerlei anderes Kriegsgerät.
Im Invalidendom selbst liegt das Grab eines der wichtigsten Abnehmer von französischen Waffen der vorindustriellen Zeit: Napoleon Nummer eins, der Verlierer von Waterloo.
Der Festungsgürtel um Paris
Mit der Entwicklung immer weitreichenderer Artillerie und von Explosivgeschossen hatte Stadtmauern und Innenstadt-Zitadellen ausgedient.
Außerdem wuchsen Metropolen wie Paris immer weiter ins Umland, was sollten da noch statische Mauern bringen?
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts begann daher der Bau eines Festungsgürtels, bestehend aus weiter entfernten Forts. Diese sollten sich im Angriffsfall idealerweise gegenseitig Deckung geben und Angreifer im freien Schussfeld vor der Hauptstadt ausbluten lassen.
Einen Überblick über den Festungsgürtel rund um Paris gibt die Seite Festungen.info





