Um kurz nach sechs Uhr sind Spezialeinsatzkräfte der Polizei am Mittwoch, 7. Dezember 2022, vor dem Jagdschloss Waidmannsheil bei Bad Lobenstein vorgefahren. Schloss und Park wurden von der Polizei durchsucht.
Die Razzia ist Teil einer bundesweiten Aktion gegen mutmaßliche „Reichsbürger“ und eine mutmaßlich von ihnen gegründete terroristische Vereinigung. Eine Reihe von Personen steht im Verdacht einen bewaffneten Umsturz der Bundesregierung geplant zu haben.
Als mutmaßlichen Rädelsführer des geplanten Putsches ließ die Bundesanwaltschaft den Gutsherrn des Jagdschlosses festnehmen, einen zu diesem Zeitpunkt 71-jährigen Prinzen aus dem ehemals regierenden Haus Reuß.
Verschwörertreffen im Schloss?
Die Bundesanwaltschaft wirft dem Prinzen die Vorbereitung eines Staatsstreichs vor.
Nach Recherchen des MDR sollen sich Mitglieder der Verschwöerer-Gruppe mehrfach in dem Thüringer Jagdschloss getroffen haben. Die Bundesinnenministerin sprach im Zusammenhang mit den Ermittlungen von einem „Abgrund einer terroristischen Bedrohung aus dem Reichsbürger-Milieu.
Das Jagdschloss Waidmannsheil entstand in den Jahren 1834 bis 1837 für Fürst Heinrich den 72. von Reuß-Ebersdorf. Der Fürst war bis 1848 Herrscher des Mini-Territoriums Reuß-Lobenstein und Ebersdorf – mit 23.000 Einwohnern eines der kleinsten deutschen Bundesstaaten. Lobenstein (heute Bad Lobenstein) war die Hauptstadt.
Das Schloss mit dem weitläufigen Park war seine Zweitresidenz. Mit 20 x 15 Metern Grundfläche ist es eher klein. Regiert wurde normalerweise im Neuen Schloss in Lobenstein.
Als Fürst Reuß Lola Montez rauswarf
Im Jagdschloss empfing besagter 72. Fürst Reuß-Ebersdorf im Jahr 1843 auch die Tänzerin Lola Montez. Der Besuch dauerte möglicherweise nur ein paar Tage.
Die Irin soll sich (in den Augen des Fürsten) derart unmöglich benommen haben, dass der Herrscher sie postwendend aus dem Mini-Staat ausweisen ließ.
Der Bauherr des Schlosses dankte im Zuge der Revolution von 1848 ab und übergab die Amtsgeschäfte an Heinrich den 62. (aus einer jüngeren Linie der Familie Reuß, daher der Sprung zurück in der Zählung).
Die hohen Zahlen bei den reussischen Fürsten kommen daher, dass das Geschlecht rund 800 Jahre lang in der Region in Thüringen herrschte.
Alle Söhne der Familie heißen Heinrich. Das ist so im Hausgesetz von 1668 festgeschrieben. Bei der Gründung neuer Linien startete man wieder mit Römisch Eins.
Erst im November 1918 endete hier am Rand des Thüringer Waldes, wie bekanntlich in allen deutschen Staaten, die Zeit der regierenden Fürsten, also der vielen Heinriche.
Prinz verschwand in russischer Gefangenschaft
Das Jagdschloss blieb wie diverse andere Immobilien bis 1945 im Besitz der Familie Reuß. Der letzte Eigentümer zu Kriegszeiten, Prinz Heinrich der 65. aus der Linie Reuß-Schleiz, wurde von der sowjetischen Besatzungsmacht inhaftiert.
Der Adelige kehrte aus der Gefangenschaft nicht zurück. Er wurde 1953 für tot erklärt.
Die Schlösser der Familie, also Schloss Ebersdorf, das Jagdschloss Waidmannsheil, Schloss Thallwitz und Schloss Osterstein wurden 1948 durch die Sowjets enteignet. Die Familie floh nach Hessen. Zu DDR Zeiten wurde Schloss Waidmannsheil als Urlaubs- und Schulungsheim genutzt.
Im Jahr der Einheit, 1990, kaufte die Familie Reuß das Schloss zurück.
Mehr zu interessanten Schlössern und Burgen in Thüringen steht hier im Blog.
„Spiegel Online“ berichtet von der Durchsuchung des Schlosses und des Schlossparks unter dem Titel „GSG 9 stürmt Schloss Waidmannsheil“:
Weiterlesen: