Was macht eine Kaisergattin am strunzkonservativen Wiener Hof voller intriganter Speichellecker, wenn sie ihre biologische Pflicht zur prompten Lieferung des männlichen Thronfolgers erfüllt hat?
Und wenn sie zudem mit dem permanenten Durchzug in den pompösen Schlössern nicht klarkommt?
Elisabeth „Sissi“, Kaiserin von Österreich, und zu diesem Zeitpunkt gerade 22 und bereits dreifache Mutter, antwortete mit: „Reisen. Am liebsten allein und nach Korfu“. Das war 1860.
Sisis Insel-Sehnsucht
Die griechische Insel im Ionischen Meer ließ die gebürtige Bayerin zeitlebens nicht mehr los. 30 Jahre später, ihr Erstgeborener hatte gerade Suizid verübt, wurde die Sehnsucht nach der fernen Sonneninsel übermächtig.
„Sissi“ setzte ihrer Korfu-Begeisterung mit dem Bau des Achilleion ein palastartiges Denkmal.
Bevor die Kaiserin dafür die Abriss- und Bautrupps in Marsch setzte, stand an dieser Stelle eine in die Jahre gekommene Villa.
„Sissi“ hatte in dem 1878 erschienenen Buch „Odysseeische Landschaften“ von dem Ort gelesen und sogleich beschlossen: „Das muss mein Mann kaufen“.
Kaiser Franz-Joseph mühte sich, aber die Verhandlungen zogen sich hin. 1888 zog die resolute Weltenbummlerin schon mal in die alte Villa ein. Natürlich brachte sie reichlich Mobiliar aus Wien mit.
Gutes Klima für Kaiserin „Sissi“
Sie blieb für zwei Monate. Das Klima, die Seeluft und die Spaziergänge durch schattenspendende Olivenhaine behagten der eigenwilligen Monarchin doch sehr. Der alte Kasten war jedoch auf Dauer keine Lösung.
1889 konnte der Kaiser schließlich das immer baufälligere Gebäude kaufen. Es liegt beim Ort Gastouri, etwa sieben Kilometer von Korfus Inselhauptstadt entfernt.
Zu den Zeiten von „Sissi“ war die Gegend gut per Droschke zu erreichen.
Gattin Sisi ließ sich von den Architekten Raffaele Carito und Antonio Landi aus Neapel an der Stelle eine monumentale Villa planen.
Stilistisch lehnte sich der „Sissi“-Palast auf Korfu an die römischen Villen an, die gerade im verschütteten Pompeji ausgegraben wurden. Fassade und Säulen sollten ganz in Weiß strahlen.
Die Monarchin wollte glänzen. Mit seiner Säulenpracht stellte der nun entstehende Palast das Weiße Haus im fernen Washington locker in den Schatten.
Schloss Possenhofen, der bayerische Sitz von „Sissis“ Eltern, in dessen Mauern die Prinzessin aufgewachsen war, wirkt klobig dagegen.
1892, nach drei Jahren Bauzeit, war die schlossartige Villa fertig. Elisabeth benannte sie nach dem Sagenhelden Achill: Achilleion. Kraftstrotzende Männer hatten sie immer beeindruckt, ebenso wie klassische Tragödien…
Im Schlossgarten stirbt Achill
An zentraler Stelle im Garten platzierte sie die Marmorskulptur „Sterbender Achill“. Aus Wien ließ die Monarchin derweil weiter reichlich Möbel heranschaffen.
Drei Mal soll die Kaiserin jeweils mehrere Wochen in ihrem griechischen Palast verbracht haben. Die Kinder kamen ein Mal mit, Gatte Franz-Joseph besuchte das Domizil am Mittelmeer nie.
Mit der griechischen Küche konnte sich die zeitweise magersüchtige Kaiserin so gar nicht anfreunden. Die Lebensmittel kamen zu großen Teilen weiter von den Hoflieferanten aus Wien.
Zumindest die griechischen Weine verschmähte „Sissi“ nicht. Elisabeth konnte sich allerdings nur wenige Jahre lang an ihrem opulenten Besitz unter Korfus blauem Himmel erfreuen. Im September 1898 wurde sie in Genf von einem Anarchisten erstochen.
„Sissi“-Töchter erben das Schloss
Das Schloss auf Korfu erbten ihre beiden Töchter. Diese hatten aber kein sonderliches Interesse an dem arg luxuriösen Feriendomizil.
Einen Teil der Möbel holten sie zurück, und richteten damit in den heimischen Schlössern „korfiotische Zimmer“ ein.
Als der deutsche „Sissi“-Verehrer und Vielreisende Kaiser Wilhelm II. Interesse am Achilleion anmeldete, war Elisabeths Tochter Maria-Valerie froh, es ihm 1905 verkaufen zu können.
Dem an noch deutlich pompösere Bauten gewöhnten Kaiser war das Achilleion zu klein. Er wünschte sich daneben einen 40-Zimmer-Palast als Ergänzung. Auch „Sissis“ etwas morbidem Kunstgeschmack konnte der Hohenzoller so rein garnichts abgewinnen.
Den „sterbenden Achill“ im Garten ließ er einige Meter verschieben. An seine Stelle setzte der Kaiser die Skulptur eines „siegreichen Achill“ mit vergoldeter Lanze.
Eine Skulptur des ihm verhassten Heinrich Heine, die Elisabeth in einem Rundtempel hatte aufstellen lassen, wurde auf Befehl des Kaisers gleich aus dem Garten verbannen. Sie steht heute in Toulon.
Der Monarch ersetzte Heine durch eine biedere Statue von Elisabeth, die der Kaiserin vermutlich gar nicht gefallen hätte.
Gläser mit Eisernem Kreuz
Möbel und Geschirr für seinen Sitz auf Korfu ließ er ließ in preußischen Werkstätten produzieren. Heute werden in Vitrinen Kristallgläser aus Wilhelms Zeit gezeigt, verziert mit dem Eisernen Kreuz.
Auch der Kaiser hatte nicht viel Spaß an seinem Schloss. Das Achilleion wurde nach Kriegsende als „Feindbesitz“ verstaatlicht. Deutsche übernahmen hier dann noch einmal 1943 das Kommando: Als Besatzer.
Nach Kriegsende diente das Achilleion als Kindergarten, Spielcasino und Tagungsort eines EU-Gipfels im Juni 1994.
Bei den Sissi-Filmen spielte das schlossartige Anwesen auf Korfu keine Rolle als Kulisse. Es gab lediglich einige Reisebilder vor Mittelmeer-Kulissen zu sehen.
Dafür wurde es 1980, zu seiner Zeit als Spielcasino, zu einem der Drehorte im James Bond-Streifen „For Your Eyes only“ („In tödlicher Mission“). Bond (Roger Moore) genießt dabei ein Abendessen auf der Gartenterrasse .
Sissis griechisches Märchenschloss ist heute ein Museum (Eintritt: 7 Euro). Einige Möbel aus der Zeit der Kaiserin (etwa Bett und Schreibtisch) haben sich erhalten und werden von der Schar „Sissi“-Fans eifrig fotografiert.
Videobilder via YouTube:
und noch mehr vom „Sissi Palast“:
Hier der Blick via Google Maps:
Adresse
Achilleio 490 84, Kerkira
Anfahrt per Bus:
Wer nicht als Pauschaltourist mit einem Bus hingekarrt wird oder Mietwagen / Taxi nutzen möchte, ist auf die Linienbusse angewiesen, denn das Achilleion ist schon „ganz schön weit draußen“. In diesem Forum wird erklärt, welche Buslinien man am besten nimmt.
Weiterlesen:
Der WDR zeigte im April 2018 den Film „Achilleion – Der Palast von Kaiserin Sisi“ (vielleicht wird er ja mal wiederholt).
Im Kreuzfahrt-Blog „Meeresbrise“ fanden sich Fotos: „Korfu – Auf den Spuren von Kaiserin „Sissi““ (leider nicht mehr online).
Die Eebsite des Achilleion mit Angaben zu Besichtigung und Öffnungszeiten ist auf Englisch oder Griechisch verfügbar.
Ein interessanter Beitrag, nur leider nicht ganz korrekt: Sisi hatte den Besitzer der alten Villa, Petros Vrailas Armenis, und seine Familie wahrscheinlich schon bei ihrem ersten Korfu-Aufenthalt 1861 kennengelernt. Fertiggestellt wurde ihr „Achilleion“ schon 1891 – übrigens wirkte an den Plänen ihr Reisebegleiter Alexander von Warsberg mit.
Sisi wollte das Schloss bereits 1893 wieder verkaufen. Mehrere potentielle Käufer standen auf der Liste des Oberhofmeisteramts.
Vererbt hat Elisabeth das Achilleion nicht „ihren Töchtern“, sondern nur Gisela. Marie Valerie erbte die Hermesvilla in Wien, in der bereits ein Teil des Mobiliars aus Achilleion verfrachtet worden war – ein bis zwei Jahre vor Sisis Ermordung.
Mehr zur Geschichte des Achilleions und allen Zusammenhängen sind im neuen Buch „Im Schatten Homers. Kaiserin Elisabeth in Griechenland“ von Stefan Haderer sehr gut erklärt.