Mächtig stolz war man in Gladbeck, als im Juni 1919 endlich die „Unabhängigkeit“ erreicht war. Man sei nun die „jüngste Stadt Neu-Deutschlands“, jubilierten die Blättchen nach der Übergabe der Stadtrechte an den Ort zwischen Recklinghausen und Bottrop.
Kaum hatte der Rat die Kontrolle über den eigenen Haushalt, da wurden Großprojekte geplant, was das Zeug hielt. Die örtlichen fünf Zechen brachten kräftig Steuergeld.
Ein Freibad? Her damit!
Ein Stadion? Nur zu!
Ein Schloss? Klar, aber bitte Seelage. Und rheinische Renaissance!
So entstand Schloss Wittringen.
Als Ort des Prestigebaus fassten die Honoratioren das reichlich heruntergekommene Gelände der früheren Wasserburg Wittringen im Wittringer Wald ins Auge.
Eigentümer Friedrich August von Vittinghof-Schell dürfte hoch erfreut gewesen sein, als die Kommune die Liegenschaft 1922 für 3,75 Millionen Mark kaufte.
Die zwei Inseln, auf denen bald die städtischen Abriss- und Baukolonnen anrückten, waren ein historischer Ort.
Bereits Mitte des 13. Jahrhunderts war auf der kleineren Insel (der heutigen Vogelinsel) eine Wasserburg entstanden. Zuvor existierte hier vermutlich eine hölzerne Turmhügelburg.
Fundament auf Holzpfählen
Damit das Fundament der aus Stein errichteten Burg nicht gleich im Morast versank, wurden zunächst spitze Pfähle ins Erdreich getrieben. Darauf ruhten die Grundmauern.
Als Erbauer gilt ein Ritter Ludolfus aus dem Geschlecht derer von Horst, der sich nun „de Witteringe“ nannte. Sein Enkel unterstellte sich 1347 dem mächtigen Grafen Dietrich von Kleve. Die Burg erhielt er als Lehen zurück.
Die Burg wechselte mehrfach die Besitzer-Familien. Etwas Kurioses tat sich 1540: Dirk von Oeffte war so glücklich, dass Jakob von Capellen eingewilligt hate, sein Tochter zu heiraten, dass er ihm zur Verlobung die Burg schenkte.
Die Tochter löste die Verlobung allerdings wieder und heiratete einen anderen. Von Capellen behielt das Verlobungsgeschenk.
1642 marschierten hessische Söldner durchs Land. Sie plünderten die Burg und steckten sie in Brand. Die von Capellens bauten keine neue Befestigung mehr auf.
Statt dessen ließen sie ab 1650 auf den mittelalterlichen Fundamenten ein neues, wohnliches Gebäude errichten: Ein repräsentatives Fachwerk-Herrenhaus. An Stelle der Vorburg (auf der heutigen Schlossinsel) entstanden Wirtschaftsgebäude.
Gut 50 Jahre lang wohnten hier anschließend noch Mitglieder der Familie. 1697 kam Wittringen schließlich in den Besitz von Johann Arnold von Vittinghoff-Schell zu Schellenberg.
Der ließ 1706 erstmal die alte Brücke zum Anwesen erneuert. Seine Nachfahren errichteten weitere Gebäude.
Im 19. Jahrhundert verfiel die Anlage zusehends. Die traurigen Reste inklusive des baufälligen Herrenhauses kaufte schließlich Gladbeck und ließ sie abreißen.
Beim Abriss und Wiederaufbau des Herrenhauses durften auch Historiker mitreden. Gebaut wurde nach erhaltenen Plänen, die auf Schloss Hugenpoet gefunden worden waren.
Vor der Demontage wurden Stuckdecken im Fachwerkgebäude in Gips abgeformt und Abgüsse dann an entsprechender Stelle im Neubau angebracht. Mittelalterlich sind auf dem Gelände heute noch der Brunnen und ein Kamin.
Das heutige Schloss entstand im Auftrag der Stadt Gladbeck als Bau im Stil der Neorenaissance, flankiert von zwei wuchtigen Rundtürmen. Auffällig sind die Staffelgiebel des Backstein-Baus.
Das Schloss beherbergt heute das Restaurant Wasserschloss Wittringen (Link). Im Torhaus und dem Herrenhaus ist seit 1928 das Museum der Stadt Gladbeck mit rund 500 Exponaten untergebracht. Sehenswert ist die ehemalige Burg-Insel, die nun ein Vogelparadies ist. Im Winter ist kein Besuch möglich.
Das Schloss ist auch ein beliebtes Motiv für Fotos auf Twitter:
Wieder eine schöne Ecke im #Revier #Ruhrgebiet #Ruhrpott entdeckt ☀️#Wasserschloss #Wittringen in #Gladbeck
Schön dort! Wir kommen sicherlich wieder 😊 pic.twitter.com/4CoYuJU5pw
— Ruhrpottenzial (@ruhrpottenzial) 6. Juli 2018
Ein paar Bilder vom Schloss und dem Restaurant bei YouTube:
Hier der Blick aus der Luft via Google Maps:
Weiterlesen:
Georg Meinert schreibt sehr informativ in der WAZ über die Schlossgeschichte: „Die Burgstraße führt zum Schloss Wittringen“