Geht es nach dem Kreistag des Kreises Saale-Orla, dann ist die Zukunft des leer stehenden Schlosses Ebersdorf in Saalburg-Ebersdorf (Thüringen) vorerst Geheimsache.
Wie die Ostthüringer Zeitung berichtet, hat der Kreistag in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen, die einstige reuss’sche Residenz mit ihrem Park und 120 Zimmern für einen eher symbolischen Preis von 100.000 Euro an einen unbekannten Investor zu verkaufen.
Die Entscheidung hat ein Geschmäckle, da der Kreistag zuvor nach OTZ-Information ein Kaufangebot von 160.000 Euro des Vereins „Zukunft für Schloss Ebersdorf“ abgelehnt hat. Wieso der Kreistag das 60 Prozent höhere Kaufangebot nicht nutzt, ist unbekannt.
„Wir hatten eine umfassende Präsentation mit einem Konzept für die öffentliche Nutzung des Schlosses eingereicht“, erklärt ein Vereinsmitglied in der OTZ.
Offenbar halten die Politiker Versprechen des Investors für realistisch, das marode ehemalige DDR-Pflegeheim durch eine lediglich 400.000 Euro hohe Investition sanieren zu können. Der Verein schätzt den Investitionsaufwand hingegen auf vier Millionen Euro.
Das Landratsamt Saale-Orla mauert in der Sache. Zugegeben wird lediglich, dass eine Wand des Schlosses von Hausschwamm befallen ist.
Eine öffentliche Diskussion um den Verkauf des Schlosses lehnt der Kreistag ab, was in meinen Augen ein Skandal ist. Wie oft müssen Politiker gerade in Mitteldeutschland eigentlich auf Investoren mit völlig unrealistischen Plänen hereinfallen?
Ob das im konkreten Fall so ist, kann ich natürlich nicht beurteilen. Aber ein derart intransparentes Verfahren lässt schon die Alarmglocken klingen.
Zur Geschichte:
Das Schloss entstand an Stelle einer Wasserburg aus dem 14. Jahrhundert. 1682 hatte Graf Heinrich I. von Reuß-Schleiz das Rittergut gekauft.
Von 1690 bis 1693 entstand hier das barocke Residenzschloss für die Herrscher der kleinen Grafschaft Reuß-Ebersdorf: Eine unregelmäßige Vier-Flügel-Anlage um einen zentralen Innenhof.
Der Westflügel wurde zwischen 1788 und 1792 klassizistisch umgebaut. 1843 war hier die Tänzerin Lola Montez zu Gast bei Graf Heinrich LXXII. Reuß (jüngere Linie). Die Tänzerin soll sich derart unmöglich benommen haben, dass der Graf sie aus seinem Mini-Staat ausweisen ließ.
Graf Heinrich LXXII. regierte noch, als 1848 aufgebrachte Bürger mit Forderungen an die Schlosstür pochten (Pressefreiheit, Volksvertretung und unabhängige Rechtsprechung). Der Graf hatte zwar Verständnis, dankte angesichts der Demonstration allerdings ab und verschwand nach Sachsen.
Nach Ende der Revolution übernahm ein anderer Zweig der reuss’schen Linie die Macht.
1945 wurde die Fürstenfamilie durch die Besatzungsmacht enteignet. Das Schloss wurde zum Pflegeheim umgebaut. Das Heim arbeitete bis ins Jahr 2000 und steht seitdem leer.
Nach der Einheit klagten die Erben der Fürstenfamilie auf Rückübertragung der Denkmalimmobilie und blockierten somit Lösungen. Inzwischen ist das Problem geklärt, was den Weg für einen neue Besitzer frei machte (wer sich für die Hintergründe interessiert, es ist ziemlich kompliziert).
Nachtrag: Inzwischen (Weihnachten 2017) weiß man, wer der Käufer ist. Die Kreisverwaltung hat es erst auf Nachfrage der Zeitung bekannt gegeben.
Weiterlesen:
Hier geht es zum Artikel in der Ostthüringer Zeitung: „Kreistag stimmt Verkauf von Schloss Ebersdorf zu“
Die Seite des Vereins Zukunft für Schloss Ebersdorf ist nicht mehr online.
Umfangreiche Informationen zur Schlossgeschichte bietet die Seite „Reussische Fürstenstraße“