Die spätantike Welt war globalisiert. Chinesische Seide war ein begehrtes Luxusgut in Rom. Römisches Gold floss im Rahmen des Gewürzhandels nach Indien.
Ein erstaunliches Beispiel für den Austausch zwischen den entferntesten Teile des Römischen Reichs wird gerade im Archäologischen Museum Krefeld (neben Burg Linn) gezeigt: Es handelt sich um Rattenknochen, genauer: um Überreste einer Wanderratte.
Heute wäre das nichts Besonderes, „Rattus norvegicus“ kommt seit dem Mittelalter in ganz Mitteleuropa vor. Ab 1347 hatten die auf dieser Rattenart heimischen Flöhe durch die Übertragung des Pesterregers Yersinia pestis einen Großteil der westlichen Bevölkerung ausgerottet.
Doch in der Antike beschränkten sich diese Ratten auf den Süden, Osten des Römischen Reichs und die überfüllte Hauptstadt. Zwischen 250 und 271 nach Christus wütete in Rom die Cyprianische Pest.
Und nun tauchen die Oberschenkelknochen einer solchen – eigentlich nur im Orient und in Rom heimischen Ratte – in einem Brunnen des spätantiken Gelduba auf. Sie werden zurzeit im Archäologischen Museum in Krefeld-Linn gezeigt.
Gelduba war damals ein römisches Militärlager für berittene Hilfstruppen an einem ruhigen Hafenbecken am Rhein. Daneben lag eine kleine Siedlung mit Händlerbuden, ein paar Wohnhäusern und Hafenkneipen.
Der Knochenfund einer Wanderratte in Gelduba ist der einzige aus römischer Zeit in Nordeuropa.
Die Entdeckung lässt auf eine Schiffsverbindung zwischen Gelduba und dem Vorderen Orient schließen. Und das ging damals nur über Mittelmeer, Atlantik, Englischen Kanals und die Nordsee.
Dieses Wagnis einzugehen, muss sich für die Händler gelohnt haben. Die Römer bevorzugten für ihre Truppen hingegen den sichereren Warentransport von Marseille über Flüsse und Land in den Norden ihres Reiches.
Wertvolle Fracht aus dem Osten?
Es müssen also außergewöhnliche, wertvolle Waren gewesen sein, die Händler aus dem Osten des Römischen Reichs an den Niederrhein gelockt haben.
Im Angebot hatten die rechtsrheinischen Germanen Federn von See- und Steinadlern, Jungbären, die dann in der Arena endeten oder blondes Frauenhaar – bei Römerinnen sehr begehrt.
Die Wanderratte muss von einem dieser aus dem Orient kommenden Händlerschiffe im 3. oder 4. Jahrhundert auf die Kaimauer gesprungen und dann den Hang hinauf in das Kastell gehuscht sein. Sie endete in einem Brunnen des Kastells.
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Thema antike Globalisierung: Mich erinnert das ja auch an den Fund römischer Münzen in Japan und die Entdeckung eines „chinesischen“ Skeletts auf einem antiken Friedhof in London.
Quelle:
Für diesen Artikel habe ich die Wanderratten-Geschichte von Dirk Senger aus dem Pressedienst der Stadt Krefeld ausgeschlachtet. Der Originaltext „Römisches Kastell: Knochen einer Wanderratte aus dem Orient“ auf der Seite der Stadt Krefeld ist nicht mehr online.