Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs, die „Jahrhundertkatastrophe“, jährt sich. Wobei aus Nerdsicht das Problem hauptsächlich darin besteht, dass die erhaltenen Bilder in Schwarzweiß und 2D auf uns gekommen sind. Schlechte Grafik, eintöniger Sound – und schnarrende preußische Generäle sind ja auch nicht gerade Charmebolzen.
Wie soll das damals Spaß gemacht haben? Ok, In-Stahlgewittern-Autor Ernst Jünger sah das anders und schwärmte noch lange davon…
Im Youtube-Zeitalter heißt das: Die Schützengräben-Filmchen werden zu jeder Menge Dokus verarbeitet und immer wieder neu arrangiert. Die Streifen sind von sehr unterschiedlicher Qualität.
Um es deutlich zu sagen: Es ist viel Schwachsinn darunter.
Ein Beispiel ist die oben abgebildete Karte des Frontverlaufs zu Beginn des Stellungskriegs 1914 – markiert durch die gelbe Stacheldrahtlinie. Gut, Luxemburg hat sich aufgelöst, und ein Land namens „Holland“ gibt es nicht, die Form der Bene(lux) Staaten ist etwas komisch, aber sonst könnte das hinkommen.
Äh. Moment. Was ist das da für eine Supermacht im Osten, die ihre Klauen von der Ostsee bis zum Mittelmeer ausstreckt? Ist das das Schweden des Dreißigjährigen Krieges? Oder das zaristische Stalin-Putin-Russland?
Nein, in Höhe von Prag steht es: Polen hat angegriffen!
In einem Blitzfeldzug haben die Warschauer 1914 offenbar das östliche Drittel des deutschen Kaiserreichs besetzt und die Balkan-Halbinsel überrannt. Da wird sich Franz-Josef aber heftig am Backenbart reißen und Willy II. vier Jahre früher nach Doorn flüchten…
Der Unsinn stammt aus einer britischen Doku von 1990(!), deren Macher mal eben die Mitteleuropa-Karten von 1914 und der Nachwendezeit verwechselt haben.
Zu in Sepia eingefärbten Bildern von „Im Westen nichts Neues“ wird die Kriegsgeschichte rekapituliert. Gar nicht mal so uninteressant, aber die dämliche Karte entwertet den ganzen 54-Minuten-Film… (Link zur Doku)
Empfehlenswert ist hingegen, was der hemdsärmelige Christoph Prachten so bei „Der Erste Weltkrieg“ dem jugendlichen Publikum erzählt. Hinterlegt sind seine lockeren Vorträge mit Material der britischen Pathé-Wochenschauen und sowas von allgemeinverständlich und trotzdem mit Neuigkeitswert, dass Zuschauen Lust auf mehr macht (neue Folgen gehen jeden Donnerstag online).
Ziemlich aufwendig produziert, mit reichlich Personal in der Hinterhand und sogar im historischen Faktencheck überprüft. Also ohne polnische Invasoren in Prag.
Dahinter steckt übrigens die Mediakraft Networks GmbH, nach eigenen Angaben „der größte Online-Sender in Mitteleuropa“. Die Sendung basiert auf einem britischen Vorbild, die Inhalte sind „nur“ übersetzt. Aber das ziemlich gut.
ZDF neo, wo seid ihr, das Format müsst ihr haben…:
Das Video ist nur auf Youtube zu sehen. Es lässt sich hier leider nicht einbinden.