Zwei alte Festungstürme sichern die Hafeneinfahrt von La Rochelle an der Atlantikküste: Der Tour St.-Nicolas und der Tour de la Chaine. Beide aus dem 14. Jahrhundert.
Wie der Name des Letzteren schon verrät, konnte im Spätmittelalter eine schwere Eisenkette zwischen den Türmen gespannt werden, was jedes Segelschiff an der Rein- oder Rausfahrt hinderte und sicher manche böse Überraschung verhindert hat…
Heute geht es nicht mehr so kriegerisch zu.
Spektakuläre Bilder liefern eher die Klippenspringer-Meisterschaften, die hier 2011 und 2013 vor zehntausenden Zuschauern ausgetragen wurden.
Die Sprungbrett-Akrobaten stürzten sich aus 27 Meter Höhe vom Tour St. Nicolas mit wirbelnden Salti und Schrauben ins dunkelgrüne Wasser des Hafenbeckens.
Eine reichlich geschichtsträchtige Location hatte sich Veranstalter Red Bull da ausgesucht:
Der fünfeckige Tour St. Nicolas ist mit insgesamt 42 Metern der Höhere der beiden und selbst eine kleine Festung mit dicken Mauern, Schießscharten und Brustwehren innerhalb der einstigen Festung La Rochelle.
Er wurde lange als Gefängnis genutzt und war ein entscheidender Teil der Befestigung während der Religionskriege.
Die Fortifikation des Hafens war auch bitter nötig, denn La Rochelle galt nach einem Massaker an 30 katholischen Priestern 1565, deren Leichen die Mörder vom benachbarten Tour de la Laterne ins Meer geworfen hatten, als „Hauptstadt der Protestanten“.
Der Gegenschlag der königlich-katholischen Seite folgte prompt.
Wenige Monate nach der blutigen Bartholomäusnacht in Paris begann der Herzog von Anjou 1573 eine sechsmonatige Belagerung von La Rochelle. Der spätere König scheiterte, da die Stadt von der Seeseite aus versorgt wurde.
54 Jahre später studierte Kardinal Richelieu die Belagerung und zog seine Lehren daraus, als er losschlug.
Er ließ 1627 erstmal einen zwölf Kilometer langen Damm bauen, der den Hafen der rebellischen Stadt vom Meer und ihren britischen Verbündeten abschnitt.
Nach einjähriger Belagerung waren die meisten Verteidiger verhungert, der Rest ergab sich.
Und vom kriegerischen Kardinal blieb ein hübsches Gemälde im kollektiven Gedächtnis, das ihn in schimmernder Rüstung mit wehhendem roten Umhang auf „seinem Damm“ zeigt (Henri Motte malte es freilich erst 1881).
Die Türme am Hafen sind darauf nicht zu sehen, was daran liegt, dass der Gotteskrieger und seine Eskorte aus Mönchen in Richtung Meer schauen, wo die Englänger gegen Wind und Wellen kämpften..
Das windige Wetter hat sich seit des Kardinals Zeiten nicht sonderlich verändert. Die Turmspringer des „Red Bull Cliff Diving“ hatten 2011 mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 80 Stundenkilometern zu kämpfen – und warfen sich trotzdem akrobatisch in den aufgewühlten nassen Abgrund.