Ein gekröntes Haupt ohne Krone, das geht – wie der Name schon sagt – gar nicht. Besonders in frisch gegründeten Monarchien sind die Insignien der von Gott (oder ggfs. Napoleon) eingesetzten Obrigkeit erstmal das A und O.
Nicht auszudenken, wenn bei der Krönung nicht mindestens Krone, Zepter und Hermelinmantel für den Herrscher und ein von Diamanten glitzerndes Diadem für die schwer klunkerbepackte Königin zur Hand sind. Bezahlen soll mal schön der Steuerbürger…
Wobei wir bei den Welfen wären. Die einstige Herrscherfamilie des kurzlebigen und 1866 von Preußen geschluckten Königreichs Hannover hat nach 17 Jahren Pause endlich mal wieder ihre alte Krone aus dem Tresor geholt, um sie dem bürgerlichen Publikum und der britischen Royal-Verwandtschaft zu zeigen.
Das goldige Requisit und allerlei weiterer Herrscherschmuck der Welfen wurde bis zum 9. November 2014 in einer Ausstellung im Königinnenflügel auf Schloss Marienburg bei Hannover gezeigt. Titel: „Der Weg zur Krone – Das Königreich Hannover und seine Herrscher“.
Grund für die Schau sind zwei Jubiläen:
1714 begann die Personalunion von Britannien und Hannover unter Georg I. Weil in ganz England nach dem Tod der letzten Stuart-Königin kein Blaublüter aufzutreiben war, der nahe genug mit dem Königshaus verwandt und gleichzeitig Protestant war, griff man auf den welfischen Importkönig zurück, der zuvor „nur“ Kurfürst von Hannover war – und das auch weiter blieb.
1814, auf dem Wiener Kongress, fiel die Entscheidung, das Fürstentum Hannover zum Königreich zu „befördern“. Napoleon hatte dies zuvor schon mit Bayern, Sachsen und Württemberg gemacht, da durfte der Welfenstaat nicht nachstehen.
Eine hannoversche Krone gab es auch schon, die gelegentlich in London gezeigt wurde. Dummerweise verschwand diese nach 1837 irgendwann spurlos in den Gewölben des Tower, so dass Ersatz nötig wurde.
Hinzu kam, dass Hannover nach 1837 wieder eigene Wege ging. In Großbritannien hatte nämlich die junge Queen Victoria den Thron bestiegen. Und eine Frau als Herrscherin war in der Erbfolge des niedersächsischen Königreichs ausgeschlossen.
Also übernahm der reaktionäre und denkbar unbeliebte Ernst August I. in Hannover die Macht.
Er gab bei den Hofjuwelieren und Goldschmieden Georg Julius Friedrich Knauer und Wilhelm Lameyer seine Krone plus Zubehör in Auftrag. 1843 zur Hochzeit des Thronfolgers mit Marie von Sachsen-Altenburg war der royale Kopfschmuck nebst juwelenbesetztem Zepter aus 18-karätigem Gold fertig.
Aufbewahrt wurden die Schmuckstücke in einem Tresor des Leineschlosses in Hannover (heute Sitz des niedersächsischen Landtags).
Als die preußischen Grenadiere 1866 Hannover überrollten, floh König Georg V. derart überstürzt, dass ihm keine Zeit blieb, den Staatsschatz und die Insignien mitzunehmen. Nun begann ein spannendes Schmuggelspiel unter Regie der auf Schloss Marienburg gebliebenen Ex-Königin Marie.
Der Schatz wurde in Geheimtransporten per Kutsche weggebracht. Einen Teil der Juwelen ließ sich die Königin in ihre Kleider einnähen. Alles konnte unter den Augen der Preußen nach England gebracht werden. Die Besatzer waren letztlich sehr erleichtert, als sie die Königin schließlich los waren.
Da die Preußen den restlichen Staatsschatz erbeutet hatten (den Bismarck zu seinem „Reptilienfonds“ machte), konnte sie auf die Kronjuwelen der Welfen getrost verzichten.
Die Schätze aus Hannover reisten in der Folge weiter durch Europa: Von London ging es 1886 nach Schloss Cumberland, dem Exil des abgesetzten hannoverschen Königs in Österreich. 1925 folgte der Transport auf das Welfenschloss Blankenburg im Harz.
Die Schätze überstanden dort zwar den Zweiten Weltkrieg, befanden sich im Frühjahr 1945 aber dummerweise im Teil Deutschlands, der sowjetische Besatzungszone werden sollte. Und der Umgang der Russen mit königlichem Vermögen war ja seit der Revolution sattsam bekannt…
Als Helfer in der Not erwiesen sich die Briten, deren Truppen den Harz noch besetzt hielten. Zitat aus Wikipedia: „Vier Wochen lang fuhren gut 30 Lkw unter Geleitschutz dreier Panzerwagen zwischen Blankenburg und Schloss Marienburg hin und her„.
Schloss Blankenburg wurde weitgehend ausgeräumt. Und auf Schloss Marienburg stapelten sich bald Möbel und Wertsachen.
Weil die Welfen-Familie 2005 mal wieder dringend Geld brauchte, ließ Clanchef Ernst-August einen Großteil der auf dem Schloss lagernden Welfen-Schätze bei Sotheby’s versteigern.
Der Ausverkauf des niedersächsischen Kulturguts brachte 44 Millionen Euro, die zum Teil in eine Stiftung zum Erhalt des Schlosses flossen.
Glücklicherweise blieben die Kronjuwelen von der fatalen Welfen-Auktion verschont, so dass man sie sich heute noch (für sechs Euro Eintritt) anschauen und an die mutige Königin Marie denken kann. Zur Eröffnung am 1. Mai kam übrigens auch Prinz Michael of Kent – ein britischer Royal und Enkel des geflohenen letzten Königs von Hannover.
Links:
Bei Wikipedia steht ein sehr ausführlicher Artikel zur „Krone des Königreichs Hannover“
In der FAZ fragt Reinhard Bingener: „Wer zahlt die Welfenspeise?“
Seite mit Infos zu Eintritt und Öffnungszeiten
Mehr über das Schloss hier im Blog: „Schloss Marienburg: Letzter Gruß vom Königreich Hannover“
Hier mal ein Bericht des Lokalfernsehens: