Man nehme: eine Smartphonegewohnte, junge FAZ-Reisereporterin mit reichem Wortschatz und stecke sie für drei Tage auf eine alte Burg ohne Heizung und Strom – aber mit geköpften Täubchen, die noch zum Abendessen verarbeitet werden müssen und Holz das dringend gehackt sollte.
Nachdem sie es zuvor geschlagen hat, versteht sich. Nein, das Ganze ist keine Historien-Variante des Dschungelcamps für 14. Jahrhundert-Hardcore Reeanacter, sondern ein drei- bis sechstägiger „wohlorganisierter Ausflug ins Mittelalter“.
So etwas bietet die Agentur Zeitenwanderer auf Burg Piberstein im österreichischen Mühlviertel an, und Andrea Diener hat es ausprobiert, stilecht in geliehener Gewandung mit frisurversteckender Haube. Entstanden ist ein durchaus amüsantes, keineswegs die Zeit romantisierendes Stück zum Thema Entschleunigung.
Ein zentrales Thema ist das Essen. Kostprobe: „Wer an einem kaffeefreien, frühen, kalten Morgen in einer zugigen Burg sitzt und Hähne verflucht, kann nachvollziehen, wie wunderbar magenfüllend warm ein süßer Brei sein kann“.
Und im nächsten Satz ist sie bei der Mittelalterbegeisterung des 19. Jahrhunderts, die nach dem Urgrund der jeweiligen deutschen, bzw. englischen Nation in den idealisierten Tiefen der Jahrhunderte herumstocherte (und sich dann einfach das für sie passende Mittelalter erfand).
Natürlich wird auch Brot gebacken, das nach mehreren Stunden Arbeit und einem Topf Brennnesselsuppe extellent schmeckt. Die Autorin: „Frisches Sauerteig-Roggenbrot ist ein echter Grund, zum Fortschrittspessimisten zu werden.“
Bewundernswert schnell fällt die alltägliche Hektik von der Journalistin ab. Sie wird abgelöst durch einen täglich gleichen, jahreszeitlich vorgegebenen Rhythmus von lebensnotwendigen Tätigkeiten und sogar ein bisschen Langeweile (in schnelllebigen Medienjobs ein Luxus).
Was das abendliche Beisammensein bei Bier, Wein und Laute natürlich umso schöner macht. Aber nicht zu lange, denn der Hahn ist frühmorgens grausam laut…
Der Rücksturz in die hektische Handy- und Kunststoffwelt des 21. Jahrhunderts, in der die Kleidung womöglich bald aus dem 3D-Drucker kommt, war dann etwas plötzlich. Wobei die heutigen vielen kleinen Annehmlichkeiten, die es im Mittelalter nicht gab, für die frisch zurückgekehrte Zeitreisende auch nicht zu verachten sind…
Solche Ausflügen in die Vergangenheit werden auf Burg Piberstein übrigens ab 479 Euro angeboten und sind auch als Klassenfahrten, Familien-Kurzurlaube und Firmenevents buchbar.
Der Artikel von Andrea Diener in der FAZ: „Mit Häubchen und Täubchen“ (erschienen in der Serie „Abschied vom gestern“) ist leider nicht mehr online verfügbar.
Link: Agentur Zeitenwanderer (von Tobias Hundertpfund)
Hier ein paar Bilder zur Burg Piberstein: