Hätten die alliierten Invasionstruppen am D-Day im Juni 1944 an der schmalsten Stelle des Ärmelkanals übergesetzt, würde man die erste Phase der Landung heute vermutlich die „Schlacht um die Batterie Todt“ nennen.
Die vier eingebunkerten 38 cm-Schiffsgeschütze der Batterie beherrschten seit Anfang 1942 die Engstelle des Kanals am Cap Gris Nez.
Es war das gleiche Kaliber, das auch bei der Hauptbewaffnung des Schlachtschiffs Bismarck zum Einsatz kam.
Die anderen deutschen Batterien in der Region: Oldenburg, Prinz Heinrich, Großer Kurfürst und August, verfügten „nur“ über Kaliber bis 30,5 Zentimeter.
Es wäre den Todt-Kanonieren zwar kaum möglich gewesen, bei der Vielzahl der kleinen, wendigen Transportschiffe allzu großen Schaden anzurichten.
Gefahr für Truppentransporter
Allerdings wären größere, eher schwerfällige Ziele wie als Truppentransporter genutzte Passagierschiffe und Kreuzer im Umkreis der maximalen Reichweite von 55 Kilometern Gefahr gelaufen, durch direkte Treffer ausgeschaltet zu werden.
So wie es der HMS Hood in der direkten Konfrontation mit der Bismarck passiert war.
Eine Invasion vor den Augen einer intakten Küstenbatterie dieses Kalibers hätte so zum Zielschießen auf alliierte Transport- und schwere Kriegsschiffe werden können.
Aber US-Amerikaner, Engländer und Commonwealth-Truppen gingen nicht „nach Lehrbuch“ vor, sondern landeten weit außerhalb der Reichweite der Batterie-Todt-Kanonen an den Stränden vor der Steilküste der Normandie.
Bunker blieben weitgehend intakt
Dieser „Umweg“ der Invasionstruppen führte dazu, dass drei der vier Geschützbunker der Batterie Todt weitgehend intakt blieben.
Einer erzählt heute als Museum von der Zeit, als sich Deutsche und Alliierte gut drei Jahre lang mit 30 Kilometer Abstand gegenüberlagen – und sich daran gelegentlich durch den Austausch schwerer Granaten erinnerten.
Mit dem Bau der „Fernunterstützungsbatterie“ war kurz nach der Niederlage Frankreichs begonnen worden, als die Strategen des Dritten Reichs noch eine Landung in England („Operation Seelöwe“) ins Auge gefasst hatten und ihre gerade gewonnenen Stützpunkte an der französischen Kanal- und Atlantikküste in Besitz nahmen.
Deutsche Eisenbahngeschütze hatten sich gegenüber den alliierten Schiffen im Kanal als nicht schnell genug schwenkbar erwiesen, daher mussten die flexibleren, eingebunkerten Großgeschütze der Essener Rüstungsschmiede Krupp her.
Feuerschutz für Invasion Englands
Die vier Schiffsgeschütze der Siegfried-Batterie (so der ursprüngliche Name der Stellung) hätten einer deutschen Invasionsstreitmacht in Richtung England Feuerschutz gegen schwere alliierte Schiffseinheiten geben sollen.
Doch der heraufziehende Russlandfeldzug machte alle „Seelöwe“-Planungen zunichte.
Im September 1941 feuerte die Batterie schließlich die ersten scharfen Schüsse ab. Im Februar 1942 wurde sie offiziell in Betrieb genommen.
Die Geschütze gaben den Schlachtschiffen Scharnhorst und Gneisenau und dem Schweren Kreuzer Prinz Eugen Feuerschutz beim „Durchbruch“ von Brest aus durch den Ärmelkanal zu den „sicheren“ deutschen Häfen an Nord- und Ostsee.
Die britischen Batterien bei Dover versuchten im Gegenzug, Treffer auf den deutschen Schiffen zu erzielen – erfolglos.
Namensgeber Fritz Todt: abgestürzt
Nach den ersten Schüssen bekam die schwere deutsche Kanal-Batterie gleich einen neuen Namen: Nach dem im Februar 1942 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen Leiter der für den Bunkerbau zuständigen Organisation Todt, Fritz Todt.
Batterie Todt beschießt Raum Dover
Nach der alliierten Invasion 1944 beteiligte sich die Batterie an der „Vergeltung“ und beschoss den Raum Dover.
Versuche der britischen Luftwaffe, sie durch gezieltes Bombardement zum Schweigen zu bringen, schlugen fehl. Kanadische Truppen eroberten die Batterie schließlich am 29. September 1944 „durch den Hintereingang“. Sie kamen von der Landseite.
Das Museum versucht keine spezielle Botschaft zu vermitteln. Gezeigt wird, was von der Bunkereinrichtung noch vorhanden ist und allerlei heute kurios Erscheinendes aus dem Kriegsalltag.
Zum Beispiel ein Fernsprecher mit dem Hinweis „Feind hört mit“ und ein Wegweiser „Zur Normandiefront“ – falls jemand mal nicht wissen sollte, wo der Feind steht.
Daneben natürlich Uniformen und Waffen. Ein Modell des Bunkers macht den früheren Bauzustand deutlich.
Im Rondell im Bunkerinneren wird ein Sammelsurium an leichten Feldhaubitzen und allerlei Kriegsgerät unter einer Hakenkreuz-Flagge des Reichsarbeitsdienstes gezeigt.
Alle Schüsse wurden notiert
Die Öffnung, aus der der Geschützlauf herausschaute, ist heute verglast. Die Artillerie ist nicht mehr vorhanden.
Erhalten geblieben ist eine der Tafeln, auf denen die Geschützbesatzung jeden ihrer Schüsse notierte.
Die Trefferquote deutscher Küsten-Artilleristen auf Schiffe im Kanal war allerdings miserabel.
Während des gesamten Krieges verlor die Royal Navy vor Dover lediglich im Juni 1940 den alten Raddampfer Brighton Queen durch deutsche Küstenbatterien.
Auf die Riesenkanone muss man nicht verzichten: Neben dem Museumsbunker ist ein K5-Eisenbahngeschütz aufgestellt, das man auch betreten darf.
Schwerere Kaliber für die Krim
Das K5-Geschütz war übrigens winzig im Vergleich mit dem bei der Belagerung von Sewastopol eingesetzten Eisenbahngeschütz Dora mit seinem 32,5 Meter langen Rohr.
Mehr im Blog zu deutschen Bunkeranlagen an Frankreichs Küste:
Brest: Der größte U-Boot-Bunker des Krieges
Der klotzige U-Boot-Bunker von St. Nazaire
Video eines Museumsbesuchs in der Batterie Todt am einstigen Atlantikwall von Pascal Ettinger:
Fotos: Burgerbe.de