Man nehme: einen der Burgenromantik verfallenen US-Millionär mit reichlich Dollar-Reserven und Entschlusskraft.
Diesen lasse man eine verträumte Ruine in malerischer Lage hoch über dem Rhein finden, die gerade als Schnäppchen zu haben ist.
Drumherum kreucht allerlei gutmütiges Landvolk in pitoresken aber etwas fadenscheinigen Trachten (für die niederen Arbeiten und zum Jubeln bei Besuchen der Obrigkeit).
Jetzt die Zutaten einmal kräftig schütteln und ans ZDF schicken.
Herauskommen dürfte verkitschter Heimatfilm fürs Familienprogramm: Der Millionär (Daniel Brühl) und sein fieser Gegenspieler (Til Schweiger) konkurrieren um die blonde Dorfschönheit (gespielt von der aktuellen DSDS-Gewinnerin), die am Ende auch noch singt und mit „My home is my castle“ drei Monate lang die Charts dominiert.
Die Geschichte beginnt mit Mord
Die wahre Geschichte der Schönburg ist allerdings deutlich interessanter.
In die Historie tritt die Schönburg über Oberwesel mit einem Mord. Burggraf Hermann von Stahleck ließ hier um 1149 seinen Gefangenen Otto II. von Rheineck erdrosseln.
Der Unglückliche hatte versucht, Hermann die Pfalzgrafschaft bei Rhein streitig zu machen. Dummerweise verstand der Stahlecker in der Beziehung keinerlei Spaß.
Die Oberhoheit über die Burg wechselte zwischen den Kaiser und den Erzbischöfen von Magdeburg und Trier. Im 14. Jahrhundert blieb die Lehnsherrschaft über die Anlage schließlich bei Trier.
Als Burggrafen blieben die von Schonenbergs am Ruder. Da sich die Familie aufgespalten hatte, aber alle Zweige am Stammsitz festhielten, wurde das Gemäuer zur so genannten Ganerbenburg (von mehreren Familien bewohnte und verwaltete Burg).
Das erklärt auch, warum die Burg gleich drei Bergfriede bekam – was man heute noch sehen kann. 1340 sind 95 Mitbesitzer bezeugt. Eigentümerversammlungen zur Ritterzeit dürften ziemlich heftig geworden sein.
Hoher Mantel schützt die Schönburg
Man baute durchaus repräsentativ. In den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts entstand als letztes großes Bauwerk der Burg der so genannte Hohe Mantel.
Eine dreifach gebogene Schildmauer vor den Bergfrieden, die die Burg zur Angriffsseite hin deckte – und dem Komplex einen kolossalen Anblick verlieh (und bis heute verleiht).
Im Zeitalter der Kanonen war so ein hoher Vorbau dann völlig sinnlos geworden, da nur noch Zielscheibe. Die Franzosen hatten daher 1689 keinerlei Mühe, die Burg zu erobern und zu zerstören.
Ruine im Dämmerschlaf
Die bewegte Geschichte der Burggrafenfamilie (Friedrich von Schomberg wurde 1675 sogar Marschall von Frankreich) endete mit dem Tod ihres letzten Sprosses im Jahr 1719, und die kurtrierische Ruine fiel in einen tristen Dämmerschlaf.
Ferdinand Freiligrath kam in den 1840er Jahren in diese abgelegene Ecke der damals preußischen Rheinprovinz und nannte die Oberwesel mitsamt Schönburg „der Romantik schönster Zufluchtsort am Rhein“. Lyrisch.
Aber der Mann war Dichter und 1848er-Revolutionär, kein Denkmalschützer.
Ob Freiligrath wohl wusste, dass die Ruine zu diesem Zeitpunkt der verhassten preußischen Militär-Elite gehörte (1839 General von Stockhausen, seit 1842 Generaloberst Prinz Albrecht von Preußen)?
Der Prinz träumte von einem formidablen Ritterpalast „im byzantinischen Stil“, setzte seine ambitionierten Pläne aber glücklicherweise nicht um. Zumindest verhinderte der Hohenzoller einen weiteren Abriss und stieß die Mauerreste 1866 wieder ab.
Zwei Jahrzehnte später blieb dann besagter Deutsch-Amerikaner Major Rhinelander (ja, er hieß wirklich so) in Oberwesel hängen. Der Bankier und Makler hatte eine Nase für Filet-Grundstücke.
Wallstreet und Burg in einer Hand
Seiner Familie gehörte auch die Fläche, auf der heute die Wallstreet steht. Jedenfalls schickte er einen schweizerischen Bergführer vor, um die Schönburg für ihn als Strohmann zu erwerben.
1885, als 27-Jähriger, begann er mit Wiederaufbau und Sanierung, was bis 1914 dauern sollte. 1901 war die Anlage teilweise wiederhergestellt.
Insgesamt steckte der Burgen-Enthusiasten zwei Millionen Goldmark in die Restaurierung.
Salut für Major Rhinlander
Zwei Monate im Jahr pflegte Rhinelander in seiner Burg zu residieren. Seine Ankunft per Schiff wurde mit Salutschüssen von der Burg aus angekündigt.
Jubelndes Volk und der Bürgermeister erwarteten ihn. Bei seiner Ankunft hisste die Dienerschaft natürlich Rheinlanders Privatflagge über der Burg.
Das Zeremoniell hatte er sich von der Visite des Preußen-Königs Friedrich Wilhelm IV. auf Schloss Stolzenfels abgeschaut.
Dankenswerterweise hielt sich der Architekt weitgehend an den historischen Bauplan und versuchte keine Zuckerguss-Fantasieburg hochzuziehen. Schon das möglichst naturgetreu restaurierte Original war faszinierend genug.
Zum Ärger seiner Angehörigen opferte Rhinelander auch allerlei Bequemlichkeiten der Moderne der Authentizität.
Rhinelander blieb Burgherr
Erster Weltkrieg und Wirtschaftskrise machten dem Mäzenatentum Rhinelanders ein Ende.
Der Millionär blieb allerdings noch während der Zeit der Weimarer Republik am Zustand der Rheinischen Burgen höchst interessiert.
Er machte noch 1932 die Deutsche Burgenvereinigung auf den schlechten Zustand anderer Burgen aufmerksam.
Rhinelander starb 1947. Seine Erben konnten mit dem Besitz im besiegten Deutschland nichts mehr anfangen und verkauften ihn an die Stadt Oberwesel.
Zwischen 1951 und 1953 entstand im nördlichen Teil eine Jugendburg des Kolpingwerks. Das Palas rund um den runden Barbarossaturm (der Kaiser soll die Burg mehrfach besucht haben) wurde 1957 zum Hotel umgebaut.
Die rote Farbe der Fassade beruht auf entsprechenden Funden von Farbresten.
Das Hotel in der Schönburg am Rhein hat heute 20 Doppel- und Einzelzimmer und zwei Suiten. Einige Zimmer haben Balkone zum Rhein hin. Eine Übernachtung in so einem Doppelzimmer mit Rheinblick kostet 195 bis 250 Euro pro Nacht. Frühstück inklusive.
Das frühere „Kolpinghaus auf Schönburg“ ist seit 2018 an den Hotelbetrieb angebunden (der entsprechende Artikel steht im kostenpflichtigen Online-Angebot der Zeitung Rheinpfalz).
Links/Quellen:
Mehr zur Geschichte von Major Rhinelander findet sich im Buch The castles of the Rhine. Recreating the Middle Ages in modern germany von Robert R. Taylor (via Google Book Search).
Fotos: Burgerbe.de
Wunderschöne Bilder. Wirklich sehr interessant. Und danke für die Burgenliste, sowas habe ich schon lange gesucht.
Der Koloss sieht ja richtig abgefahren aus. Heftige Schildmauer.
Danke dir mal wieder für den vorzüglichen Bericht.
Wenn man in Wien ist, lohnt sich ein Besuch Burg Kreuzensteins durchaus. Ist zwar nicht alles authentisch, aber doch angeblich (ich kann nicht so gut beurteilen) einer mittelalterlichen Burg gut nachgebildet (mit einigen Ausnahmen wie einer italienischen Loggia über dem Zwinger).
@Flusskiesel – Danke für den Link! Ja, Deutschland hat so einige Kreuzensteins. Es sehen nur nicht alle so gut aus…
Sehr interessant! Dann hat also auch Deutschland seine Burg „Kreuzenstein“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Burg_Kreuzenstein) – also eine von einem sehr reichen Menschen wieder aufgebaute Burg.
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