Wenn Politiker Denkmäler und Steuergeld nutzen, um sich zu profilieren, kommt selten etwas Gutes dabei heraus. Die CSU demonstriert das gerade an der Nürnberger Burg.
„Wir wollen die Kaiserburg aus ihrem Dornröschenschlaf wecken“, so zitiert der CSU-Haussender Bayerischer Rundfunk (BR) den bayerischen Gesundheitsminister Markus Söder (gleichzeitig CSU-Chef von Nürnberg). Diverse andere Granden der Regierungspartei äußern sich ähnlich.
Inhaltlich meldet der BR, dass „ein neues Konzept entwickelt“ werden solle, das „das Mittelalter“ hervorheben und ab 2010 „baulich umgesetzt werden soll“. Auch Multimedia-Elemente sollen hinzukommen. Nur die Finanzierung sei noch offen.
Moment mal: Dornröschenschlaf? „Mehr Mittelalter“? Neues Konzept? Seit wann entscheiden CSU-Gesundheitsminister über die Attraktivität von Burgen und die Ausrichtung von Ausstellungen – und das in einer Stadt mit SPD-Mehrheit?
Ein Artikel des Nürnberger Boten bringt nun etwas Licht in die eigenwillige CSU/BR-Verlautbarung. Nach Ansicht dieser Zeitung herrscht bei vielen der jährlich 160.000 Burg-Besuchern, Zitat, „Große Unzufriedenheit“, weil…
„…sie über die öde, gähnende Leere im Kaiser- und im Rittersaal enttäuscht sind. Sie würden gern mehr sehen, wie die Burg früher einmal genutzt wurde. Daran ändern auch Rüstungen und Burgmodelle wenig, die in der Kemenate – als Zweigmuseum des Germanischen Nationalmuseums – untergebracht sind.“
Daher denke nun die Bayerische Schlösserverwaltung (vermutlich meint Herr Söder diese, wenn er „wir“ sagt) über ein neues Konzept nach. Dieses solle „die zentrale Rolle der Kaiserpfalz im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation stärker herausarbeiten“.
Das Ganze hat nur mehrere Pferdefüße. Die Schlösserverwaltung rechnet nämlich laut Nürnberger Bote nicht damit, dass sich vor der geplanten großen Dürer-Ausstellung 2012 irgend etwas in der Richtung tut.
Gut, dass kann auch mit der natürlichen Trägheit der Schlösser-Behörde zusammenhängen. Da kann Herr Söder ja gerne mit seinen Konzept-Forderungen etwas Dampf machen, wenn er in seinem Gesundheitsetat die entsprechenden Mittel auftut.
Das gravierende Problem ist aber der Freistaat selber. Das Land Bayern behält sich ein nämlich Belegungsrecht für Empfänge vor – und nutzt dies auch an bis zu 40 Tagen pro Jahr. Wertvolle Exponate müssten dann an den 40 Tagen jeweils abgebaut und aus den Sälen heraus – und anschließend wieder hineingerollt/-getragen und wieder aufgebaut werden.
D.h., ganze Museumsräme würden ständig hin und her ziehen, weil Bayerns Minister im Ambiente der verflossenen Kaiserherrlichkeit wichtige Reden halten möchten.
Kein Wunder, dass die Schlösser-Verwaltung vor diesem Hintergrund keine Lust hat, die Säle mittelalterlicher zu möblieren.
Aus historischer Sicht wäre eine Show-Möblierung mit wappengeschmückten Himmelbetten, dicken Truhen, Ritterrüstungen und Foltergeräten (man kennt das ja aus anderen Burgen) zwar telegen aber völlig widersinnig.
In der Zeit des reisenden Kaisertums war die Burg nun mal die meiste Zeit über völlig leer. Wenn sich die Majestät ankündigte, beeilten sich die Nürnberger Patrizier, die kahlen Räume mit ihrem besten Hausrat zu bestücken. Das wird bei jeder Burgführung erwähnt.
Wie genau die Räume dann ausgesehen haben, weiß man allerdings nicht. Soll man deshalb auf eine möglichst spektakuläre Fantasie-Möblierung zurückgreifen, um „Mittelalter erlebbar“ zu machen. Wahrscheinlich würde Herr Söder dafür noch Mittel locker machen. Die Historiker aber graut’s.
Mir hat die Führung durch die Säle gut gefallen. Dass sie völlig leer sind, stimmt ja nun auch nicht. Die Burgkapelle mit ihren drei verschiedenen Etagen fand ich höchst eindrucksvoll (13. Jhd.): Unten für die Ordensritter, in der Mitte für Grafen und Herzöge und oben eine Empore für den Kaiser. Letztere noch mit uralten, inzwischen recht krummen Fliesen ausgelegt.
Ein in Höhe der dritten Ebene in die Wand eingelassener Kopf zieht die Blicke auf sich. Denn je nachdem, von wo man schaut, sieht er immer anders aus: Auf die Ordensritter und das gemeine Volk ganz unten schaut er grimmig und autoritär, auf die Grafen eher verständnisvoll – und dem Kaiser gegenüber erscheint das Gesicht irr, schon fast geisteskrank.
Eine Art Humor, die schon ziemlich nach dem Staufer Friedrich II. klingt.
Ich habe mich bei der Führung nur sehr geärgert, dass Normalsterbliche dort nicht fotografieren dürfen, sondern auf den Kauf von Postkarten angewiesen sind. Ich glaube nicht, dass meine Langzeitbelichtung ohne Blitz der Bausubstanz der Kapelle geschadet hätte.
Vielleicht stört es ja auch ein paar der 160.000 Besucher mehr, dass sie keine Erinnerungsfotos aus dem Innern der Burg mitbringen dürfen, als dass sie keine Ausstattung à la Disneyschloss vorfanden?
Wer in der Burg fordert, die Säle mit Exponaten zuzustellen, hat auch die Aufgabenteilung der Nürnberger Museumslandschaft nicht so recht verstanden. Denn die Burg, die ja ein kleines Museum für Waffen und Rüstungen und Modelle hat, ist nur ein Teil.
Umfassend über das deutsche Mittelalter kann man sich 15 Gehminuten entfernt im Germanischen Nationalmuseum informieren (sehr zu empfehlen, aber Zeit mitbringen).
Es gibt übrigens auch eine positive Nachricht von der Burg: Wie der Bayerische Rundfunk meldet, soll der prägnante Sinnwellturm soll für 250.000 Euro saniert werden. Während der Reichstage zwischen dem 12. und 16. Jahrhundert seien von seinem Dach aus mit einem zinnernen Horn weithin vernehmbar die Stunden verkündet worden.
Mit dieser Ausgabe wären dann seit 1997 mehr als neun Millionen Euro an Landesmitteln in die Sanierung der Burg geflossen.
Der Nürnberger Flaggenstreit
Streitereien rund um den Symbolwert des Nürnberger Wahrzeichen sind nichts Neues. Im Sommer 2008 zankten sich CSU und Sozis, welche Flaggen denn auf der Burg aufzuziehen seien. Der CSU-Innenminister hatte angeordnet, dass die Franken gefälligst Schwarz-Rot-Gold UND Blau-Weiß zu flaggen hätten.
Die SPD-Mehrheit im Rat hätte lieber neben der Bundesflagge das fränkische Rot-Weiß aufgezogen und so auch gleich ihr Profil bei den Heimatfreunden geschärft. Die Franken waren ja schon immer etwas eigen…
Das verbat sich die Münchner Regierung jedoch, mit der historischen Begründung, dass über der Burg immer die Fahne mit dem Nürnberger, bzw. Kaiseradler geweht habe, aber nie die fränkischen Farben.
Lediglich das EU-Banner sei neben der Deutschlandfahne erlaubt. Die Nürnberger könnten ja diverse Türme ihrer Stadt mit dem Franken-Banner schmücken, wenn sie darauf so stolz seien.
Mehr zum Nürnberger Flaggenstreit:
Lebhafte Diskussionen findet man in Blogs der Nürnberger Zeitung (nicht mehr online) sowie im Franken-Blog Bayern wolln mer net. Nachtrag: Kurz vor der Europawahl hat die CSU eingelenkt und den Nürnbergern den Bau eines eigenen Flaggenmastes für ihre Stadtfahne auf dem Fünfeckturm gestattet.