In der Nacht vom 20. auf den 21. März 1872 tauchten hoch auflodernde Flammen die schmucken Fassaden der Düsseldorfer Altstadt in ein bizarres, flackerndes Lichterspiel. Das Schloss direkt am Rhein, das die renommierte Kunstakademie beherbergte, brannte lichterloh!
Die Freiwillige Feuerwehr war machtlos und musste den Bau ausbrennen lassen. Der Maler August von Wille hat den Moment in einem eindrucksvollen Gemälde verewigt.
Was da brannte, um nie mehr wieder aufgebaut zu werden, war die ehemalige Residenz der Herzöge von Jülich-Kleve-Berg. Knapp hundert Jahre nach der Stadterhebung des Fischerdorfs an Rhein und Düssel im Jahr 1288 begannen die Bauarbeiten für eine Burg.
Sie sollte den Ort schützen und beim Kassieren des lukrativen Rheinzolls helfen. Zwei Feuer (1492 und 1510) warfen die Burgpläne aber zunächst zurück.
1521 wurde Düsseldorf Hauptstadt der vereinigten Herzogtümer. Und da war natürlich eine repräsentative Residenz nötig. Wilhelm der Reiche engagierte den Renaissance-Baumeister Alessandro Pasqualini. Der sorgte für eine monumentale, dreigeschossige Rheinfront.
Die bot im Juni 1584 eine herrliche Kulisse für die Hochzeit des künftigen Herzogs Johann Wilhelm mit Markgräfin Jakobe von Baden.
Schon damals gab es ein Feuerwerk auf dem Rhein und allerlei närrische Spiele fürs Volk. Und das obwohl (oder gerade weil?) draußen noch der Truchsessische Krieg um die Macht im Erzbistum Köln und die Mehrheit im Kurfürstenkollegium tobte.
Im nahen Neuss wütete sogar die Pest, weswegen der von Koblenz kommende Hochzeitszug einen Umweg machen musste. Die Braut präsentierte sich der staunenden Bevölkerung „im silberbrokatenen, mit Goldborten besetzten Gewand, die goldene Brautkrone im offenen Haar“.
Ein Prachtband von Dietrich Graminäus von 1587 mit dem Titel Beschreibung derer Fürstlicher Güligscher ec. Hochzeit ist erhalten geblieben und zeigt Stiche des achttägigen Spektakels, auf denen man auch das Schloss sehr gut erkennen kann.
Die Hochzeit war natürlich eine hochpolitische Angelegenheit. Die katholisch erzogene Fürstin sollte den geistig labilen Thronfolger des wichtigen Herzogtums auf die „richtige“ Seite ziehen.
Das Ganze endete in der Katastrophe. Johann Wilhelms Paranoia nahm ein erstaunliches Ausmaß an. So rannte er nachts in voller Rüstung durch das Düsseldorfer Schloss und drohte, es anzuzünden.
Jakobes Versuch, statt des daraufhin weggesperrten Kranken selbst die Macht zu übernehmen, misslang. Am Hof saß sie zudem zwischen allen Stühlen. Da die Prinzessin von Baden-Baden offenbar keine Lust hatte, im lebensfrohen Rheinland ein Eremitendasein zu führen, nahm sie sich Liebhaber.
Jedenfalls streuten ihre Gegner dieses Gerücht nach Kräften. Schließlich gab es ihnen ein gewichtiges Argument in die Hand, zumal die Markgräfin nicht mit dem ersehnten Erben schwanger wurde.
1595 ließen ihre Gegner um die Schwester des Kranken sie verhaften, anklagen und im – heute noch existierenden – Turm des Schlosses einsperren.
Stündlich kontrollierten Wachen ihren Verbleib. In der Nacht vom 2. auf den 3. September 1597 wurde die 39-Jährige in diesem Raum tot aufgefunden.
Das Rätsel um ihren Tod besteht bis heute. Angeblich wurden Würgemale am Hals der Fürstin gefunden. Hatten die Katholiken sie ermorden lassen, um Platz für eine gebährfreudigere Ehefrau zu finden, wie ein Wikipedia-Autor zu wissen meint?
Man weiß es nicht. Jedenfalls lebt die Legende der kopflosen Frau, die nachts im Schlossturm herumspukt, bis heute weiter.
Heinrich Heine schrieb im Buch Le Grand über „das alte, verwüstete Schloß, worin es spukt und nachts eine schwarzseidene Dame ohne Kopf mit langer rauschender Schleppe herumwandelt…“ Sie wurde in der nahen Kreuzherrenkirche bestattet.
1820 entdeckte man da ihre Gebeine und führte sie über in die neben dem Schlossturm gelegene Lambertuskirche. Da liegen sie noch heute.
Die Düsseldorfer knüpfen übrigens an diese gruselige Tradition an und veranstalten jährlich einen Zombiewalk, der Anfang September auch an Burgplatz und Schlossturm vorbeiführt.
Der im Düsseldorfer Volksmund als Jan Wellem bekannte Kurfürst Johann Wilhem (1658-1716), immerhin Schatzkanzler des Reiches, ließ das Schloss weiter im Stil des Barock ausbauen.
Seine Nachfolger setzten das Werk allerdings nur notdürftig fort, und die Anlage verfiel.
Verhängnisvoll wirkte sich die Lage des Schlosses direkt am Rhein aus. Die rechtsrheinischen Düsseldorfer besaßen zwar eine brauchbare Stadtmauer mit allerlei Bastionen, schafften es aber nie, das gegenüberliegende Oberkasseler Rheinufer vernünftig zu befestigen.
So war es für die französischen Revolutionstruppen ein Leichtes, 1795 bis wenige hundert Meter vor das Schloss vorzudringen.
Dabei schossen sie die Anlage in Brand. Teile stürzten ein. Das Schloss wurde zur Ruine.
1845, in der Zeit, als so viele Burgen im Geist der Zeit „restauriert“ (also mit viel neoromantischem Kitsch verklärt) wurden, legte Preußens König Wilhelm IV. den Grundstein zum Wiederaufbau.
Im Stil der Renaissance erstand das Düsseldorfer Schloss wieder – und hielt sich bis zu jener tragischen Märznacht mit dem Brand im Jahr 1872. Bis auf den erhaltenen Schlossturm (heute ein Schifffahrtsmuseum) wurden alle Teile des Schlosses abgeräumt.
Ein großer Platz (etwas zynisch „Burgplatz“ genannt“) trat an seine Stelle. In den folgenden Jahrzehnten gab es immer wieder Diskussionen um einen Wiederaufbau.
Und die auf ambitionierte Großprojekte fixierten Düsseldorfer Lokalpolitiker hätten das sicher auch irgendwann in Angriff genommen.
Anstelle eines Teils der Schlossfundmente erstreckt sich allerdings mittlerweile der Rheinufertunnel, eine unterirdische Schnellstraße parallel zum Rheinufer.
Diese ermöglichte oberirdisch den Bau einer ansehnlichen Promenade (woraufhin in der Landeshauptstadt ein herrlicher Streit über den Blauton der Bodenfliesen ausbrach. Mittlerweile sind sie weitgehend ergraut).
Nur leider wird der untertunnelte Untergrund so nie wieder ein Düsseldorfer Schloss tragen können. Eigentlich schade. Aber durch den Erhalt des Schlossturms hat man Jakobes Geist wenigstens nicht heimatlos gemacht.
Das Stadtmuseum besitzt übrigens eine Locke der Unglücklichen, die ihren sterblichen Überresten bei einer Umbettung abgeschnitten worden war.
Links: Mehr zu Jakobe (Jacobe) von Baden bei Zeitspurensuche.de.
Über eine Sichtung der Weißen Frau in jüngerer Zeit berichtet Rainer Bartel in „The Düsseldorfer“: „Gespenster sehen – die weiße Frau im Düsseldorfer Schlossturm“
Bilder: Wikipedia (Urheberrecht abgelaufen)/Meine