Vom Berge schaut die Schwanenburg
Hinaus ins Land so weit!
Gott schütze, Gott schirm Dich heut
Und alle Zeit.
Klever Lied
Die Flak bei Kleve schoss gut an diesem 7. Oktober 1944. Zu gut. Bis zu diesem frühen Nachmittag hatte die prächtige Schwanenburg über dem niederrheinischen Barock-Städtchen den Krieg leidlich überstanden. Aber diesmal brachten 335 britische Bomber der Stadt und ihrer Burg einen Feuersturm von der Art, der schon so viele andere Städte vernichtet hatte.
Trotzig und symbolhaft reckte sich der hohe Turm mit seinem massiven Mauerwerk über die brennende Stadt, deren lodernde Kirchtürme nun einer nach dem anderen in sich zusammenfielen.
Doch auch die Stunden des höchsten Turms waren gezählt: Den in den englischen Verband hineinfeuernden Flak-Batterien war es gelungen, direkt über der Stadt zwei viermotorige Bomber aus der Formation herauszuschießen.
Qualmend trudelte die Maschine mit ihrer Restlast an Treibstoff und Munition vom Himmel, direkt in die brodelnde Stadt hinein.
Ein Bomber bohrte sich in die Spyckstraße. Ein zweiter krachte gegen den 50 Meter hoch aufragenden Turm der Schwanenburg und stürzte auf die damalige evangelische Kirche an der Großen Straße. Der Aufprall gab dem angeschlagenen Turm aus dem 15. Jahrhundert den Rest.
Wundersamerweise überlebte der Pilot das Inferno. Nach dem Angriff mit 1728 Tonnen Spreng- und 80 Zentner Brandbomben und der folgenden Attacke vom 7. Februar 1945 waren ca. 85 Prozent von Kleve zerstört.
Nachkriegsziel: Schwanenburg-Wiederaufbau
Der Verlust ihres Wahrzeichens traf die heimatbewußten Überlebenden natürlich tief. Aber der Niederrheiner ist ein Sturkopf, der sich mit so etwas nicht lange abfindet: Schon drei Jahre nach dem Krieg gründete Dr. Heinz Will die Bauhütte Schwanenburg, die es bis 1950/53 schaffte, den Komplex – in reduzierter Form – wieder aufzubauen.
Die Ursprünge der Schwanenburg reichen zurück bis ins 11. Jahrhundert. Die Klever hätten zwar lieber römische Wurzeln wie die Xantener, aber Grabungen konnten keine entsprechenden Resultate bringen. 1092 wird jedenfalls Graf Dietrich I. von Kleve erstmals urkundlich erwähnt, der sich ausdrücklich nach seiner Burg benannt hat.
Die um 1100 errichtete Burg bestand zu dieser Zeit aus einem aus Tuffstein errichteten Wohnturm mit 2,5 Meter dicken Mauern, der seit etwas 1150 von einer Ringmauer umgeben war. Die Klever Burg auf einem Bergsporn ist eine der ganz wenigen Höhenburgen am ansonsten äußerst flachen Niederrhein.
Nach dem ursprünglichen Namen der Burg Cleef (für Klippe, Kliff) wurde später übrigens auch die Stadt (Stadtrecht seit 1242) benannt.
Die Klever Grafen nahmen für sich eine ganz besondere Herkunft in Anspruch. 1233 stellten sie fest, vom legendären Schwanenritter Helias abzustammen (später bekannt aus Wagners Lohengrin), was der Burg ihren bis heute erhaltenen Namen gab.
1368 fielen Burg und Grafschaft an die Grafen (seit 1417 Herzöge) von der Mark. 1439 stürzte – angeblich auch am 7. Oktober – der alte Bergfried der Burg ein.
Vor einigen Jahren entdeckten Archäologen seine Reste. Baumeister Johan Wyrenberg errichtete daraufhin den Schwanenturm, dessen Spitze ein vergoldeter Schwan zierte.
Die Klever Herren waren reiche und gern repräsentierende Leute. Eine Grabung zeigte vor wenigen Jahren, dass das Palas mitsamt Rittersaal stolze 57 Meter lang war.
Es war damit eines der größten Palas-Bauten des Reiches. Die Räumlichkeiten waren ausgelegt, um 500 Menschen zu versorgen.
Wasserversorgung per Tretrad
In einem unterirdischen Brunnen konnte mit Hilfe eines Tretrads frisches Wasser nach oben gefördert werden. Heute erstreckt sich an Stelle des 1771 frevelhafterweise abgerissenen Palas‘ übrigens ein Parkplatz.
1521, mit der Vereinigung der Herzogtümer Jülich und Berg mit den Grafschaften Ravensberg / Mark und Kleve, erreichte Kleve den Zenit seiner Macht. Doch der Hof residierte bald lieber im schickeren Düsseldorf.
1540 spielte Kleve kurz „Weltpolitik“: Der englische König Heinrich VIII. heiratete Anna von Kleve (Bild von Hans Hohlbein dem Jüngeren), die er allerdings schrecklich hässlich fand und sogleich mit ihrer Hofdame Catherine Howard betrog.
Die Ehe wurde nach sechs Monaten annulliert.
Anna blieb jedoch in England und erwarb sich durch ihren Mildtätigkeit hohe Achtung. Sie ist in der Westminster Abbey bestattet. Diverse in dieser Epoche auf dem Burgberg errichtete Gebäude wie eine Renaissance-Galerie sind leider nicht erhalten.
Durch Erbteilung fiel Kleve mitsamt Burg 1609 an Brandenburg. Kleve wurde nach Berlin und Königsberg dritte brandenburgische Residenzstadt. Statthalter Moritz Graf von Nassau-Siegen war ein Glücksgriff für Kleve.
Dieser Mann, der hier auch begraben liegt, ist eine einzigartige Persönlichkeit, die in der Geschichte leider viel zu unbekannt ist. Sein Wikipedia-Eintrag sei als weitere Lektüre empfohlen.
Schwanenburg-Umbau durch Pieter Post
Der Graf ließ die Burg vom Architekten Pieter Post 1663 bis 1666 zur Barockresidenz umbauen: Die letzte große Blütezeit der Schwanenburg. Das von Post geprägte Erscheinungsbild hat sie noch immer.
Im 18. Jahrhundert begann dann der Verfall der Anlage. Die Preußen hatten anderes im Sinn, als sich um den teuren Erhalt niederrheinischer Bausubstanz zu kümmern. Die Burg war jetzt nur noch Verwaltungssitz und Gericht.
Zu napoleonischer Zeit beherbergte die Burg französische Truppen. Die zurückgekehrten Preußen nutzten sie vorwiegend als Gericht. 1828 rissen sie einen Zwischentrakt ab und bauten ein Gefängnis, das bis 1917 in Betrieb war.
Die Justiz ist der Burg treu geblieben. Das Gebäude ist heute Sitz des Klever Amts- und Landgerichts und nur mit Führungen zu besichtigen.
Seit den 1960er-Jahren beherbergt der Schwanenturm auch ein geologisches Museum.
Der Klevische Verein bereitet bereits seit längerem die Umgestaltung des Schwanenturms zu einem neuen Museum vor. Dieses soll stadtgeschichtliche Aspekte ebenso berücksichtigen wie die Burggeschichte und Informationen zu den Klever Gärten und Parks.
Aktuell ist der Turm aus Brandschutzgründen bis auf weiteres geschlossen.
Link: Burg-Eintrag bei Wikipedia.
Quellen:
Zum Flugzeugabschuss: Matthias Grass, Requiem für eine Stadt, Rheinische Post Kleve, 15.9.2004, und Hans Rühl, Auch Goch war Endstation, Rheinische Post Goch, 24.7.2007. Einen Bericht von Matthias Grass mit Fotos von den Zerstörungen brachte die RP im Oktober 2014: „Zerstörung der Stadt Kleve vor 70 Jahren„.
Zu den Ergebnissen der Grabung von 1999 bis 2003: Ludger Distelkamp, Reiche Grafen: 57 Meter langes Wohnzimmer, Rheinische Post Kleve, 23.1.2003.
Fotos: Burgerbe.de