Großmogul Shah Jahan (1592-1666), der Erbauer des Taj Mahal ist schon eine tragische Figur.
Seinen großer Traum, ein gigantisches Doppelgrabmal an beiden Ufern des Yamuna zu errichten, konnte er sich nur zur Hälfte erfüllen.
Das weiße Taj Mahal, das den Staatshaushalt bereits ruiniert hatte, sollte noch ein Gegenstück aus schwarzem Marmor bekommen, von dem aber gerade die Fundamente gelegt wurden.
Dann stürzte Shah Jahans Sohn Aurangzeb den Vater und stellte ihn 1658 unter Hausarrest – im achteckigen Jasminturm des mächtigen Fort Agra, mit Blick auf das 2,5 Kilometer entfernte Taj Mahal, das Grabmal von Shah Jahans Frau Mumtaz Mahal. Es müssen qualvolle letzte Jahre für den einstigen Mogulkaiser gewesen sein.
Das Fort ist heute ein Unesco-Welterbe.
Als der Machtkampf unter den Söhnen und schließlich zwischen Vater und Sohn entbrannte, war die grandiose Festung aus rotem Sandstein gerade mal 90 Jahre alt.
1565 hatte Großmogul Akbar mit den Bauarbeiten begonnen, als er Agra statt Delhi zur Hauptstadt des Mogul-Reiches machte. Nach einem Attentat in Delhi fühlte er sich hier sicherer.
Als Vorgängerbau hatte an dieser Stelle wohl seit dem 11. Jahrhundert die wesentlich kleinere Backstein-Festung Badalgarh gestanden (erste Erwähnung: 1080). Sie war bei der Eroberung durch Akbar allerdings stark heruntergekommen und musste völlig neu errichtet werden.
Fort Agra wurde schließlich kaiserliche Residenz und eine der größten Festungen der Welt. Eine 21 Meter hohe Mauer umgibt den Komplex mit zwei mächtigen Toren (Delhi Gate und Lahore Gate). Die Mauer ist 2,5 Kilometer lang.
Ein Hofschreiber berichtet, dass einst 500 Gebäude auf dem Gelände gestanden haben. Doch schon Akbars Nachfolger ließen die meisten wieder abreißen.
Heute sieht man zum Beispiel die öffentliche Audienzhalle (Diwan-i-Am), das größte Gebäude der Festung. In dieser geräumigen Säulenhalle nahm Shah Jahan auf dem diamantenübersähten Pfauenthron Platz, dessen Prunkstück der Kohinoor ist, der berühmteste Diamant der Welt.
Ein Ort des Gerichts und der Bittgesuche. Urteile konnten hier auch direkt vollstreckt werden. Minister saßen im Angesicht des Throns auf einem Marmorblock (Baithak), referierten und nahmen Befehle entgegen.
Wenn der Mogul auf juristische Spitzfindigkeiten und speichelleckende Ergebenheitsadressen keine Lust mehr hatte, konnte er sich in seine direkt dahinter liegenden Privatgemächer zurückziehen.
Aurangzeb ließ den Prachtthron später in sein neues Rotes Fort nach Delhi bringen, wo er 1739 den plündernden Persern in die Hände fiel. Das Original ist heute verschollen, der Riesen-Klunker Teil der britischen Kronjuwelen. Mehr dazu in meinem Beitrag zum Fort in Delhi und dem Kohinoor.
Neben der öffentlichen existiert noch die private Audienzhalle (Diwan-i-Khas) von Shah Jahan. Der älteste erhaltene Teil ist der Palast Jahangir Mahal (großes Foto unten rechts), noch aus Akbars Zeit.
Der Sandstein erinnert mich übrigens stark an das ähnliche Material, das vielfach im südlichen Hessen zum Einsatz kam (Heidelberger Schloss).
Der bauverrückte Shah Jahan ließ die halbmondförmige Anlage noch deutlich ausbauen. Der Taj Mahal-Erbauer hielt den Sandstein allerdings nicht mehr für standesgemäß, sondern entschied sich für sein Lieblingsmaterial: weißen, sehr harten Marmor mit Verzierungen aus Gold und Halbedelsteinen.
Nicht wirklich kostenbewusst, aber sehr wirksam.
Und dauerhaft. Ein mit dünnem Blattgold belegtes Dach eines Pavillons für eine der Mogul-Töchter funkelt nach 350 Jahren noch immer. Die Konstruktion hat die Form einer Barke – mit Blick auf den Yamuna.
Früher muss es dadurch von weitem so ausgesehen haben, als ob der Raum auf dem Fluß schwimmt. Heute ist der Strom durch den Durst von Indiens Millionenmetropolen nur noch ein flaches Rinnsaal.
Auffallend an Shah Jahans bauten sind die aufwendigen Einlegearbeiten und der äußerst fein behauene Marmor. Indische und persische Elemente verschmolzen unter den Moguln zu einem neuen Stil.
1648 verlegten die Moguln die Hauptstadt wieder gen Delhi, was die Bedeutung der Festung natürlich schmälerte.
1803 nahmen britische Truppen das Fort ein. Durch die vorangehende Kanonade kam es zu Schäden an der privaten Audienzhalle. 1857 wurde das Fort beim Sepoy-Aufstand nochmal zum Schauplatz von Kämpfen.
1983 nahm die Unesco Fort Agra in die Welterbeliste auf. Auch heute werden große Teile der Anlage im Bundesstaat Rajasthan vom indischen Militär genutzt. Zum Beispiel ist die marmorne Perlmoschee (Moti Masjid von 1646-53) dadurch nicht zugänglich.
Links/Quellen:
Einen empfehlenswerten 13-minütigen Beitrag über Fort Agra kann man sich auf der Webseite der SWR-Serie „Schätze der Welt – Erbe der Menschheit“ ansehen.
Ausführlich ist auch der Eintrag in der englischsprachigen Wikipedia.
Ein weiteres Rotes Fort befindet sich in Delhi: Dort ist die „Heimat“ gestohlenen Kohinoor (Link zum Burgerbe-Artikel).
Hier noch ein paar Impressionen:
Fotos: Burgerbe.de
Toll geschrieben!
Hallo S.: Ja, man kann in die Halle im Erdgeschoss hinein. Da ist aber nicht wirklich viel zu sehen. Zwei angedeutete Gräber, mehr nicht. Interessanter wäre die Terrasse, aber man darf leider nicht rauf.
keine Antwort,aber eine Frage: Kann man in Taj Mahal hineingehen?
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