Wenn Geschichte und Moderne baulich auf engem Raum aufeinanderprallen, entsteht regelmäßig Ärger. Erinnert sei nur an das Hickhack um den Kölner Dom und diverse Hochhäuser, das die Unesco dazu brachte, die Kathedrale kurzzeitig auf die Liste der bedrohten Kulturgüter zu setzen. Gar nicht zu reden vom Theater um die neue Elbbrücke bei Dresden.
Bei solchen Konflikten zeigt sich eines: Es muss eine starke Lobby da sein, die Kulturgut verteidigt. Die Kölner Wirtschaft und Lokalpolitik hatte schlicht Angst, den begehrten Weltkulturerbe-Status und damit an Image und Touristen einzubüßen.
In Bratislava (früher: Pressburg) gibt es jetzt einen ähnlichen Fall. Ein Investor möchte in der Hauptstadt der Slowakei – so schreibt die Online-Ausgabe der Wiener Zeitung- ein neues Wohnviertel mit bis zu siebenstöckigen Hochhäuser am Fuß des Burgbergs errichten.
Um das Gelände zu planieren, müsste sogar ein Teil des Bergs unterhalb der langjährigen ungarischen Königsresidenz gesprengt und abgetragen werden. Und hier existiert kein schützender Unesco-Welterbestatus*.
Es geht um das ehemalige Altstadt-„Judenviertel“ Vydrica (Weidritz), zweieinhalb Hektar zwischen Burgberg un Donau, das die Projektentwickler im Hochhaus-Look wiedererstehen lassen wollen. Ende der 1960er-Jahre war der Stadtteil mitsamt der Synagoge abgerissen und nur zum Teil neu bebaut worden. Drei Architektur-Wettbewerbe zur Neugestaltung des Areals endeten ergebnislos.
Die Planungen des Wettbewerbs, der jetzt für Aufsehen sorgt, wurden lustigerweise in der Ferienzeit präsentiert, so dass es etwas dauerte, bis die Öffentlichkeit davon Notiz nahm. Hauptkritikpunkt ist, dass beim Wiederaufbau nur moderne Architektur zum Zuge kommt. Vor allem die Fremdenführer laufen nun Sturm.
Glücklicherweise haben die Investoren noch nicht alle nötigen Grundstücke – und die Stadt hat ihre Areale noch nicht verkauft. Nun ist natürlich die Frage, ab die Lokalpolitiker gegen Druck und Geld des Investors imun sind.
Der kündigte nach Angaben der Wieder Zeitung bereits an, im Zuge der Neugestaltung des Judenviertels auch die Burg zu renovieren und zu einer Touristenattraktion machen zu wollen.
Mal sehen, wie es weitergeht…
Zur Geschichte:
Der Burgberg an der Donau ist seit der Steinzeit besiedelt. Auch Kelten und Römer hinterließen hier ihre Spuren. Die Burg wurde bereits 805 erstmals erwähnt. Auf dem Burgberg steht noch eine Basilika aus dem 10. Jahrhundert.
Die Anlage war im Hochmittelalter eine der stärksten (und umkämpftesten) Befestigungen im Königreich Ungarn und erwies sich auch in der Praxis als außerordentlich schwer einzunehmen. Hier mal ein bisschen Historie im Schnelldurchlauf:
1030/31 Bretislav I. scheitert an den Mauern der Burg.
1042 Kaiser Heinrich III. und Bretislav I. erobern die Stadt.
1042 … und verlieren sie wieder an die Ungarn
1043 erneuter Versuch
1053 Heinrich III. belagert die Burg zwei Monate, die schwer beschädigt wird, aber stand hält
1108 Kaiser Heinrich V. scheitert an der Burg
1109 Ein böhmischer Angriff misslingt
1241 Die Mongolen scheitern an der Burg
1286 Nikolaus von Güssing lässt die Burg niederbrennen
Ganz schön kriegerische Zeiten im Grenzland zwischen Ungarn, Böhmen (und anderen, die sicher gerade zuständig fühlten). Übrigens diente Pressburg 1189 als Sammelpunkt der Kreuzfahrer, die unter Führung von Kaiser Barbarossa beim Dritten Kreuzzug mitmachen wollten.
Die Hussitenkriege und die Bedrohung durch die Osmanen leuteten dann neue Unruhe für Stadt und Burg ein (das Bild zeigt Burg und Stadt im 16. Jahrhundert).
Wenn gerade mal kein Krieg, Aufstand oder anderer interner Streit herrschte, wütete die Pest oder man vertrieb sich die Zeit mit Sondergerichten. Eigentlich erstaunlich, dass die Stadt nicht komplett vom Erdboden verschwunden ist.
Im 15. Jahrhundert bekam die Anlage ihre heutige, vierflüglige Form, ähnlich wie die Festung Marienberg über Würzburg.
Erst Anfang des 18. Jahrhunderts erholte sich die Stadt wieder, dann ging es aber rapide bergauf. Naja, fast überall. Die Burg brannte nämlich 1811 bis auf die Grundmauern nieder. Dann passierte erstmal lange gar nichts.
Ab 1953 begannen die kommunistischen Machthaber mit der Rekonstruktion. Man war mit den in hübschem Gelb gehaltenen Gebäuden pünktlich zum Einmarsch russischer Panzer 1968 fertig, der den Prager Frühling beendete.
Heute ist in der Burg Sitz eines historischen Museums.
*In der Slowakei stehen sieben Orte/Gebäude unter Schutz als Welterbe. Vom Tokajer Weinanbaugebiet bis zur Ruine der gewaltigen Zipser Burg. In der Hauptstadt gibt es diesen Schutz jedoch nicht.
Quellen: Wikipedia-Einträge zur Burg und zu Bratislava.
Links: Weitere Informationen zur Burg Bratislava
Die beiden unteren Bilder: Wikipedia/Lizenz abgelaufen und Wappen von Bratislava
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