Russlands Krieg gegen die Ukraine: Gefahr für UNESCO-Welterbe

Die wiederaufgebaute Upenski-Kathedrale / Foto: Wikipedia / Деревягін Ігор / CC-BY-SA 3.0 / Foto oben: Kirchen des Kiewer Höhlenklosters / Foto: Falin / CC-BY-SA 3.0
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine richtet sich gegen ein Land mit sieben UNESCO-Welterbestätten. Die Zerstörung von Welterbestätten ist ein Kriegsverbrechen – ebenso wie das vorsätzliche Töten von Zivilisten.

Befehlshabern, die Angriffe auf Welterbestätten anordnen, drohen Anklagen vor dem internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Bei einer Verurteilung sind Haftstrafen von bis zu 30 Jahren möglich.

Welterbe unter UN-Schutz

Grundlage des Welterbestatus ist die UNESCO-Welterbekonvention von 1972 (Link zum Text). Dort heißt es in Artikel 6.3:
Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, alle vorsätzlichen Maßnahmen zu unterlassen, die das in den Artikeln 1 und 2 bezeichnete, im Hoheitsgebiet anderer Vertragsstaaten befindliche Kultur- und Naturerbe mittelbar oder unmittelbar schädigen könnten.

Die Sowjetunion, als deren Rechtsnachfolger die Russische Förderation agiert, hat die Konvention 1988 ratifiziert. Damit ist sie verpflichtet, die Welterbestätten während der laufenden Invasion nicht anzugreifen.

Mit Angriffen auf die Welterbestätten der Ukraine würden sich die Russischen Streitkräfte in eine Reihe mit dem „Islamischen Staat“ stellen. Der „IS“ richtete 2015 bewusst erhebliche Zerstörungen in der Welterbestätte Palmyra an.

Die Welterbestätten der Ukraine

Kiewer Höhlenkloster auf einem Gemäde von Gemälde von Wassili Wereschtschagin aus dem Jahr 1905 / Bild: gemeinfrei

Kiew: Während der ersten Nächte nach dem Beginn des Überfalls spiegelten sich die Explosionen am Himmel über Kiew in den zum Teil goldenen Kuppeln der vom barock geprägten Kirchen des Höhlenkloster-Komplexes. Die Bauten des Höhenkloster wurden zusammen mit der Sophienkathedrale und der Erlöserkirche von Berestowo im Jahr 1990 in die Welterbeliste aufgenommen.

Der Ort ist für viele Ukrainer emotional aufgeladen. Ein orthodoxes Kloster gibt es hier seit 1051. Kurz darauf wurde mit dem Bau der Maria-Himmelfahrt-Kathedrale (Uspenski-Kathedrale) begonnen.

Die deutschen Besatzer sprengten die Kathedrale 1941.

Nach der Unabhängigkeit der Ukraine wurde die Maria-Himmelfahrt-Kathedrale in den Jahren 1998 bis 2000 wiederaufgebaut.

Kiew, 1942. Die gesprengte
Uspenski-Kathedrale.
Foto: Wikipedia / Bundesarchiv, Bild 146-2005-0070 / Kress / CC-BY-SA 3.0
F.Kr. 90

Die opulent vergoldeten Kuppeln auf den Anhöhen in der Nähe der Innenstadt dürften auf Treffer durch Bomben und Granatsplitter äußerst empfindlich reagieren. Sollten russische Bomben diese Kirche beschädigen, wäre es für die ukrainische PR wahrscheinlich ein Leichtes, die Invasoren in eine Linie mit den Nazi-Besatzern stellen.

Ein Youtube-Video zeigt den Komplex des Kiewer Höhlenklosters vor der russischen Invasion:

Lwiw (Lemberg): In den ersten Stunden des Überfalls kam es in der Region Lwiw (Lemberg) zu russischen Luftangriffen. Die Altstadt blieb bislang verschont. Sie ist eine zusammenhängende Welterbestätte. Der Welterbestatus soll auch an das jahrhundertelange Zusammenleben von Polen, Ukrainern, Deutschen, Christen aller Konfessionen und Juden erinnern.

Die Altstadt vom Lwiw (Lemberg) / Foto: Wikipedia / Lestat / CC-BY-SA 3.0

Zu den Bauten in Lwiw zählen unter anderem der dreistöckige Potocki-Palast einer adeligen Familie aus den 1880er Jahren und der Hohe Schloßberg mit der Burgruine der einstigen Fürsten von Galizien.

Der Palast dürfte den Invasoren ein spezieller Dorn im Auge sein, denn er ist eine der Residenzen des ukrainischen Präsidenten Selenskyj.

Einen gewissen Schutz für Lwiw könnte der Umzug der US-Botschaft aus Kiew nach Lwiw zur Folge haben.

Hier ein paar Bilder auf Twitter:

Karpaten. Besonders gefährdet durch Kriegseinwirkungen sind die traditionellen griechisch-orthodoxen Holzkirchen in den Karpaten. 16 von ihnen auf ukrainischem und polnischem Gebiet stehen unter Welterbeschutz. Die Gotteshäuser stammen aus der Zeit zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert.

Historische Holzkirche in Uschok / Foto: Wikipedia / Varga Attila / CC-BY-SA 3.0

Czernowitz. Die Gebäude der dortigen Nationale Jurij-Fedkowytsch-Universität stehen unter Welterbeschutz.

Vor dem Einzug der 1875 zu Zeiten der k.u.k.-Monarchie gegründeten Universität diente der Komplex als Residenz des orthodoxen Metropoliten der Bukowina und Dalmatiens.

Chersones (Krim).
Durch die Annektion der Krim durch Russland ist der Ukraine zurzeit die Kontrolle über die Welterbestätte Chersones bei Sewastopol entzogen.

Der Ort der einstigem griechischen Kolonie blühte später auch in römischer und byzantinischer Zeit. Heute kann man sich die Ruinen in einem archäologischen Park ansehen.

Struve-Bogen. Mehrere Messpunkte des sogenannten Struve-Bogens liegen in der Ukraine. Darunter versteht man ein 2821 Kilometer umfassendes Netz von internationalen Messsystem. Mit dessen Hilfe berechnete der Astronom Georg Wilhelm Struve (1793–1864), inwieweit die Kugelgestalt der Erde in Richtung der Polen platter ausfällt als es bei einer perfekten Kugel der Fall sein sollte.

Buchenurwälder.
Eine der Welterbestätten in der Ukraine ist dem Naturerbe gewidmet. Die alten Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten stehen unter dem besonderen Schutz der Unesco. Auch diese Welterbestätte ist länderübergreifend.

Im Biospährenreservat Karpaten in der Ukraine liegt der geografische Mittelpunkt Europas / Foto: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Schutz für Kulturgüter im Krieg

In Kriegen genießen nicht nur Welterbestätten vertrglichen Schutz. Grundsätzlich sind Kriegsparteien verpflichtet, keine Kulturgüter zu zerstören. Das geht aus der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten hervor, der auch die damalige Sowjetunion in den 1950er Jahren beigetreten ist.

Welterbe Tschernobyl?

Geht es nach der Ukraine, dann würde auf ihrem Gebiet mit Tschenobyl eine weitere Welterbestätte hinzukommen.

Das meldete die Deutsche Welle Anfang 2021. Überschrift des Artikels: „Vom Gau zum Weltkulturerbe“ (Link zum Beitrag von Dagmar Röhrlich). Zurzeit stehen in der Region allerdings russische Invasionstruppen.

Kriegsverbrechen am Welterbe: Der Fall Timbuktu

Der internationale Strafgerichtshof ist kein zahnloser Tiger, wenn es um die Ahndung von Angriffen auf Welterbestätten geht. Er ist allerdings auf die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Verdächtige müssen ja durch Auslieferung in seinen Verantwortungsbereich kommen.

Das passierte zuletzt 2016, als ein Islamist für die Zerstörung mehrer Mausoleen in Timbuktu (Mali) schulig gesprochen wurde. Der 40-jährige Ahmad Al Faqi al Mahdi hatte die Tat gestanden.

Wegen Beteiligung an dem Kriegsverbrechen verurteilte der internationale Strafgerichtshof den Mann zu neun Jahren Haft.

Weiterlesen:
Die Deutsche UNESCO-Kommission hat den Angriff auf die Ukraine unmittelbar nach Beginn der Invasion scharf verurteilt. Die UNESCO fordert, das Haager Übereinkommen zum Schutz von Kulturgütern in bewaffneten Konflikten einzuhalten.
Link zur Pressemitteilung
Die taz berichtet ausführlich: „Krieg in der Ukraine: Weltkulturerbe in Gefahr“ (Link zum Artikel)