Hitler war fasziniert vom britischen Geheimdienst. So etwas wollte er auch. Die Abwehr unter Admiral Canaris erfüllte ihm den Wunsch mit ihrem Sonderverband „Brandenburg“.
Die neidische SS-Führung hielt die Abwehr für chronisch unzuverlässig. Himmler, Kaltenbrunner und Co. wollten unbedingt gegenhalten und auch Berichte über tollkühne Kommandounternehmen ihrer Rassekrieger in der NS-Wochenschau sehen.
Daher gründete der Sicherheitsdienst (SD) der SS im April 1943 den „Sonderverband z.b.V. Friedenthal“ – mit Sitz auf Schloss Friedenthal bei Oranienburg.
Und ein SS-Mann für derartige „Sonderaufgaben“ stand schon mit einem Konzept in den Startlöchern: Der österreichische Haudegen und glühende Nazi Otto Skorzeny.
Skorzeny hatte die Taktiken der britischen SOE-Kommandounternehmen studiert, die zum Beispiel Rommel in Nordafrika das Leben schwer gemacht hatten. Nach deren Vorbild wollte er eigene Einheiten aufbauen.
Das in Tarnfarbe gestrichene Schloss Friedenthal wurde so zur Agenten- und Spionageschule der SS. Hier sollten Offiziere und einfache SS-Männer mit Fremdsprachenkenntnissen für Sabotageaufträge hinter den feindlichen Linien ausgebildet werden.
Die Wahl des Schlosses war nicht ganz zufällig: Im nahen Schloss Oranienburg befand sich eine SS-Kaserne. Und in der Nähe lag das Konzentrationslager Sachsenhausen mit gefangenen ausländischen Spezialisten, deren Wissen und Fähigkeiten man sich zunutze machen konnte.
Der Vorbesitzer des Schlosses hatte seinen Besitz nicht freiwillig an die SS abgeben wollen. Er kam dafür ins Konzentrationslager.
Ausrüstung für Geldfälscher
1943 hatte Skorzeny mit dem „SS Sonderlehrgang zbV Friedenthal“ rund 300 Waffen-SS-Männer unter seinem Kommando, darunter 50 Niederländer und Belgier. Im Schloss befand sich auch ein Gerätelager mit Ausrüstung für die KZ-Häftlinge, die britische Pfund-Noten fälschen mussten („Unternehmen Bernhard“).
Reichsweit bekannt wurde der fast zwei Meter große Agentenführer für sein Auftreten bei Filmberichten über die „Befreiung“ von Benito Mussolini. Die Aktion war mangels Gegenwehr wenig heroisch verlaufen. Die italienische Regierung war offenbar froh, dass Mussolini weg war.
Den in Schlapphut und langen Mantel gekleideten Duce brachte Skorzeny persönlich zu Hitler. Ein Ereignis, wie gemacht für die Kameraleute der Wochenschau aus der Goebbels-Schule.
Bei den Briten hatte der SS-Führer bald wegen seiner Gesichtsnarben den Spitznamen „Scarface“ weg.
Kidnapping in Budapest
Skorzeny blieb ein gutes Jahr in Friedenthal stationiert. Im Oktober 1944 folgte die Versetzung nach Budapest, wo seine Leute den Sohn des nationalistischen Staatschefs Horthy kidnappten, um (erfolglos) einen Seitenwechsel der Ungarn zu verhindern.
Während der Ardennen-Offensive waren Skorzeny-Agenten in US-Uniformen mit erbeuteten Jeeps hinter den amerikanischen Linien eingesetzt, um Verwirrung zu stiften.
Mehrere Teams sollten an den US-Truppen vorbei zu den Maas-Brücken vorstoßen und diese besetzen, um den Amerikanern den Rückzug abzuschneiden. Das scheiterte (mehr dazu in einem Spiegel-Artikel von 1949: „Wenn geschlagen wird, gibt’s 2 Tote„).
Schloss Friedenthal wurde am 10. April durch einen schweren US-Bombenangriff in Brand gesetzt und zerstört. Ob die Amerikaner die Agentenschule treffen wollten oder ein nahegelegenes Klinkerwerk, lässt sich heute nicht mehr feststellen.
Skorzeny selbst stellte sich im Mai 1945 den US-Truppen und floh im Juli 1948 aus einem Gefängnis in Darmstadt. Wohin er genau verschwand, ist umstritten. Über Argentinien oder Syrien wird gemutmaßt.
Viele Länder hatten im beginnenden Kalten Kriege ein Herz für die Experten des Dritten Reichs.
Skorzeny blieb bis zu seinem Tod 1975 in General Francos Madrid ein unverbesserlicher Nazi.
Das Schloss wurde nach dem Krieg nicht mehr wieder aufgebaut. Im Netz konnte ich keine Spuren wie alte Fotos/Postkarten finden, und leider auch nichts zur Historie des Schlosses in Erfahrung bringen.
Eine englischsprachige Doku „Otto Skorzeny: The most dangerous man in Europe“: