Dass man sich Burgen meist als durchgehend steingewordene Festungen vorstellt, ist ein Trugschluss. In Mittelalter und Früher Neuzeit boomte das Fachwerk.
Auf die trutzigen Wälle wurden flugs noch ein zwei Etagen aus Holzbalken und Lehm gesetzt.
Das war verhältnismäßig günstig, einfach zu bauen – und sah auch noch repräsentativ aus. Zudem war das Wohnen im fensterreichen Fachwerkambiente erheblich komfortabler als umgeben von dicken, kalten Mauern.
Leider haben nur wenige dieser Stein-Holz-Bauten die Zeiten überdauert. Kriege, Feuer und Vernachlässigung machten den meisten den Garaus. Die größte Fachwerkkonstruktion auf einer süddeutschen Burg hat sich in Gomaringen bei Tübingen erhalten – im dortigen Schloss.
Das Schloss im Wiesaztal entstand ab Ende des 13. Jahrhunderts als Burg, die 1296 erstmals urkundlich erwähnt wurde.
Die Vögte der Reichsstadt Reutlingen rissen 1697 den Bergfried ab (bis auf das Verlies im unterirdischen Turmfundament) und bauten das einst wehrhafte Gemäuer mit viel Fachwerk zu einem ländlichen Wohnschloss im Stil der Renaissance um.
An ihren Umbauten hatten die Reutlinger nicht lange Freude. Nach dem Dreißigjährigen Krieg musste die hochverschuldete Stadt Gomaringen 1648 als „sein vornehmstes Dorf mit Schloss“ für 30.000 Gulden an Herzog Eberhard III. von Württemberg verkaufen.
Nachfolger Herzog Eberhard Ludwig schenkte das Schloss 1708 seiner Mätresse Reichsgräfin Christiane Wilhelmine von Grävenitz: Zum Trost dafür, dass er die Ehe mit ihr wieder hatte lösen müssen (er hatte bereits eine andere Ehefrau).
Bekannt wurde das Gomaringer Schloss als ein literarischer Ort. 1837 hatte Gustav Schwab in Gomaringen eine Pfarrerstelle angenommen. Wenn er in seiner Wohnung im Schloss nicht gerade Predigten vorbereitete, übersetzte er in lebendiger Sprache antike Heldengeschichten.
1838 bis 1840 entstand im Schloss der Klassiker „Die schönsten Sagen des klassischen Altertums“ (verlegt in Stuttgart).
Damit erschloss er vor allem Jugendlichen die griechisch-römische Sagenwelt – und es funktioniert noch heute.
Im Schloss Gomaringen wird im Gustav-Schwab-Museum die Erinnerung an den schwäbischen Schriftsteller wachgehalten.
Das Museum hat sonntags von 13–17 Uhr geöffnet. Seit 1994 gehört die Anlage der Gemeinde. Sie ist neben dem Schwab-Museum und dem Heimatmuseum auch Sitz einer Musik- und einer Volkshochschule.
Das Schloss kann man auch besichtigen. Der Geschichts- und Altertumsverein hat seit 1993 bereits rund 800 Führungen veranstaltet.
Im und ums Schloss informiert ein Geschichtspfad über die Historie des Gebäudes und der Bürger.
Die Überlieferung weiß übrigens auch von Spuk im Schloss zu berichten. Der Sage nach soll dort das Gomaringer Käsperle umgehen. Als sein Lieblingsplatz gilt eine Treppe neben dem „Waschhäusle“.
Die Einheimischen mögen ihr Gespenst und nennen den Ort liebevoll das Geisterstiegle. Heute ist das Käsperle Namensgeber der örtlichen Narrenzunft.
Lage:
Schloss Gomaringen
Schloßhof 1
72810 Gomaringen
Fotos: Burgerbe.de