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Burg Stahleck: Keimzelle der Kurpfalz



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Burg Stahleck von der rechten Rheinseite aus gesehen / Fotos: Burgerbe.de
Eine Burg am Rhein war im Mittelalter eine sichere Einnahmequelle. Die Straßen waren seit dem Ende der Römerzeit miserabel, der Fluss mit seiner angenehm schnellen Strömung hingegen fast durchgängig befahrbar.

Kein Wunder, dass das enge Mittelrheintal nur so mit Zoll-Burgen (z.B. Pfalzgrafenstein) gespickt ist, deren Besatzungen bei den Kaufleuten kräftig abkassierten. Eine dieser Festungen – Burg Stahleck – sollte sogar zur Keimzelle eines Kurfürstentums werden.

Seit dem Jahr 1000 war die lukrative Gegend im Besitz der Kölner Erzbischöfe. Die ließen zu Anfang des 12. Jahrhunderts an Stelle einer älteren Befestigung eine Höhenburg im gerade hochmodernen Stil der Staufer errichten.

Das beudeutete: Ein runder Bergfried, umgeben von einer Schildmauer. Weil zu einer Burg damals ein Wassergraben einfach dazugehörte, füllte man eben vor den Mauern – hoch über dem Rhein – ein Bassin mit Wasser.

Auf ihrem Bergsporn über Bacharach (wo der Zoll gezahlt wurde) war die Stahleck die erste Mittelrhein-Burg nördlich von Bingen. Viele andere sollten bald folgen… Die Stahlecker Burggrafen waren für die Kölner ungemein wichtig. Und auch am kaiserlichen Hof wurde man bald auf die Qualitäten der über dem Fluss thronenden Ritter aufmerksam.

Der streitbare Hermann

Hermann von Stahleck gelang 1125 der große Wurf: Er heiratete die Schwester des Staufer-Königs Konrad III. Der königliche Schwager zeigte sich spendabel – er belehnte Hermann 1142 mit der Pfalzgrafschaft bei Rhein, die er fünf Jahre vorher als erledigtes Lehen Otto I. von Salm weggenommen hatte. Hermann und Otto verbrachten die folgenden Jahre in heftigem Streit.

Offenbar hatte der Ritter von Stahleck sein Territorium trotz der Dauer-Fehde gut im Griff. Jedenfalls ernannte Konrad ihn, als er zum Zweiten Kreuzzug aufbrach, für zwei Jahre zum Reichsverweser. Man kann also sagen, dass zwischen 1147 und 1149 das Reich von Stahleck aus regiert wurde.

Aus der Pfalzgrafschaft sollte dann im 12. Jahrhundert die mächtige Kurpfalz werden, deren Herrscher das Amt eines Kurfürsten und Erztruchsessen des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation bekleideten.

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Burg Stahleck: Der Innenhof
Hermann stritt sich derweil erst einmal heftig mit seinem Nachbarn, dem Mainzer Erzbischof herum, und kam gleich zwei Mal in den Kirchenbann. Nun herrschte auch noch ein gottloser Ketzer auf der Burg…

Konflikten scheint der Ritter nicht auf dem Weg gegangen zu sein. Sein Onkel Friedrich Barbarossa verurteilte ihn jedenfalls wegen Landfriedensbruch zum reichlich demütigenden „Hundetragen„. Aber Hermann schleppte den Vierbeiner offenbar mit Fassung. Der umtriebige Pfalzgraf liegt im Kloster Bildhausen begraben.

Nach Hermanns Tod 1156 gab der Kaiser das Lehen an seinen eigenen Halbbruder Konrad von Hohenstaufen weiter. Das war insofern bemerkenswert, als es sich ja immer noch um ein Kölnisches Lehen handelte, über dessen Herrschaft der Kaiser gar nicht zu bestimmen hatte.

Aber so ein bisschen Schiebung zu Gunsten der eigenen Familie hat im Hochadel ja durchaus Tradition… Die Kölner waren jedenfalls erstmal richtig sauer.



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Rheinseite der Stahleck

„Stahlecker Hochzeit“

Zum Tagesgespräch im Reich wurde die Burg dann 1194. Konrads Tochter – und Alleinerbin – Agnes nutzte eine Abwesenheit ihres Vaters, um heimlich Welfenherzog Heinrich von Braunschweig, den Sohn Heinrichs des Löwen, zu heiraten.

Der war ein erklärter Gegner der Staufer und auch gerade noch 1192 vom Kaiser geächtet worden. Durchaus zurecht, denn der Welfe hatte einige Jahre zu früh den Tod des Kaisers erklärt und prompt sich selbst schon mal als neuen König empfohlen.

Die Zeremonie auf der Burg ging als „Stahlecker Hochzeit“ – in die Geschichte ein. Eine Liebesheirat zwischen zwei verfeindeten Familien gegen den Willen der Väter.

In einem anderen Land wäre das ein klassischer Drama-Stoff gewesen. Am Rhein wuchs jedoch bald Gras über die Sache, und der Welfe versöhnte sich mit dem Kaiser. Ein Happy End also.

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Otto „der Erlauchte“ guckt seine Agnes noch etwas missmutig an. Doch die Verbindung hatte Zukunft… (Bild: Wikipedia/gemeinfrei)

Die Wittelsbacher kommen

Fast 30 Jahre später lenkt erneut die Heirat einer Agnes das Schicksal von Grafschaft und Burg Stahleck in eine andere Richtung: Die Welfin Agnes, Neffin des Liebesheirats-Heinrichs, hatte Burg und umfangreiche Ländereien geerbt. Seit 1214 lag die Herrschaft über die Pfalz beim Haus Wittelsbach, und was lag da für den regierenden Grafen Otto II. („der Erlauchte“) näher, als Erbin Agnes zu ehelichen? Das Modell erwies sich als Erfolg versprechend. Die Pfalz und Burg Stahleck blieben die nächsten fast 600 Jahre (mit kurzen Unterbrechungen) unter Wittelsbacher Herrschaft.

Otto und Agnes residierten in Heidelberg. Gelegentlich erinnerten sich die pfälzischen Wittelsbacher aber noch an Burg Stahleck, die in den folgenden Jahrhunderten mehrfach Schauplatz bedeutender Ereignisse wurde und zeigt, wie verwoben die Wittelsbacher in die Reichspolitik waren:

– Die Wahl von Pfalzgraf Ludwig zu König (später Kaiser) Ludwig IV. im Jahr 1314. Die Bestechungsgelder Kosten der Wahl waren so exorbitant, dass die Stahleck erstmal verpfändet werden musste.

– Die Heirat von Pfalzgrafentochter Anna mit Kaiser Karl IV. im Jahr 1349.

– Kurfürst Ruprecht III. feierte hier im Jahr 1400 standesgemäß seine Einsetzung als deutscher König Ruprecht I.

– 1408 bewirtete König Ruprecht auf der Burg Stahleck erneut die Reichsfürsten.

– 1442 Fest mit den Reichsfürsten anlässlich der bevorstehenden Kaiserkrönung Friedrichs von Österreich.

Als die letzten Fürsten sich 1442 Richtung Aachen aufgemacht hatten, war es mit der reichspolitischen Bedeutung der Stahleck allerdings vorbei. Im beginnenden Kanonen-Zeitalter war der Bau nicht mehr unbezwingbar, auch wenn man eine Kanonenplattform einbaute.

Inzwischen war die Anlage auch in die Stadtbefestigung von Bacharach integriert worden. Am Ende des Mittelalters wurde es ruhig über dem Mittelrheintal…

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1660: Die Burg nach dem Dreißigjährigen Krieg. (Bild: Wikipedia/gemeinfrei)

Der Dreißigjährige Krieg

Das änderte sich 1620 als spanische Truppen Stadt und Burg einnahmen. Der Rhein war als Verbindungs- und Nachschublinie zwischen dem Habsburger Kernland und den spanischen Niederlanden für die kaiserliche Partei unverzichtbar. Das von der Stahleck beherrschte Nadelöhr am Mittelrhein erwies sich als entsprechend wichtig.

Die ins Rheintal einbrechenden Schweden belagerten die Burg 1632, beschädigten sie schwer, und nahmen sie schließlich ein, um 1635 wieder von den Kaiserlichen hinausgeworfen zu werden. Es folgten Sachsen-Weimaraner, Bayern, Spanier, Franzosen und ein desaströses Bombardement der französischen Besatzung durch kurkölner Truppen unter Constantin von Nievenheim. Als die Franzosen 1650 schließlich gemäß des Westfälischen Friedens abzogen und die Burg wieder an die Kurpfalz übergaben, war ein Schlachtfeld übrig. Aber Bergfried, Wohngebäude und Teile der Mauern standen noch.

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Blick vom Burghof auf das Mittelrheintal Richtung Süden

Pfalzgraf Karl Ludwig ließ 1666 die Folgen des Krieges beseitigen und die Burg umbauen. Doch der Pfälzer Erbfolgekrieg machte den Aufwand gut 20 Jahre später bereits wieder gründlich zunichte. 1688 wurde die Burg an die Franzosen übergeben. Wenige Monate später sprengten die Besatzer die Pulvervorräte und machten die Anlage so zur Ruine. Die Trümmer flogen bis in die Stadt. Die Zerstörung war so gründlich, dass sich ein Wiederaufbau nicht mehr lohnte, als die Kurpfalz die Anlage schließlich 1697 zurückbekam.

Als die Franzosen dann hundert Jahre später unter Napoleon wieder an den Rhein kamen und das linke Ufer annektierten, fanden sie nur noch Trümmer vor, die sie 1804 zum Verkauf anboten. Es interessierte sich jedoch offenbar niemand für den Schuttberg über Bacharach.

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Die Aussichtsterrasse

1815 fiel das Gebiet an Preußen. Der burgenbegeisterte Kronprinz Friedrich Wilhelm kaufte das Areal und schenkte die Ruine 1829 seiner Gattin, einer – und da sind sie wieder – Wittelsbacherin. Prinzessin Ludowika soll ob dieser einsturzgefährdeten Gabe allerdings nicht sonderlich begeistert gewesen sein. Man dokterte am Weg zur Ruine herum, und die Untertanen planierten flugs letzte Reste mittelalterlichen „Schutts“. Die Preußen blockierten dann während der folgenden 70 Jahren alle Versuche, die Ruine irgendwie zu nutzen oder instand zu setzen.

Erst 1909, als die Steinhaufen für 5000 Goldmark in den Besitz des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege kam, konnten erste Sicherungsarbeiten beginnen. Der Erste Weltkrieg unterbrach dann jedoch erstmal die Anstrengungen.

In den Goldenen Zwanzigern wurde die Burg zum Prestigeprojekt des Vereins. Am liebsten hätten die Mitglieder die Anlage nach eigenen Plänen historisierend komplett wieder aufgebaut, doch 1925 stieß man bei Ausgrabungen auf alte Grundmauern.

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Ein Teil des Langhauses, der 1925 fertiggestellten Jungen-Herberge

Das verzögerte zwar den Wiederaufbau, allerdings konnte man nun auf alten Fundamenten mauern. Das erste neue Gebäude, ein Fachwerkbau mit Grundmauern aus Stein, das Langhaus, sollte nun als Jungen-Jugendherberge dienen. Ein zweiter Bau für Mädchen folgte.

Es war eine Herberge mit allem Komfort: Küche, Wasch- und Gesellschaftsräume sowie einer Wohnung für den Herbergsvater. Der Keller erhielt eine Eisenbetondecke, die gleichzeitig den Boden der Aussichtsterrasse bildete (und noch immer bildet).

Beim Wiederaufbau von Ringmauer und Bergried-Fundamenten griff der Düsseldorfer Architekt Ernst Stahl auf Steine zurück, die bei den Ausgrabungen zum Vorschein gekommen waren. Im Juni 1926 wurde die Herberge feierlich eröffnet.

Die Bauarbeiten gingen in den Folgejahren weiter, während die Anlage voll belegt war. Die Resonanz war enorm. Die Palas-Ruine wurde Mitte der 30er-Jahre komplett wieder aufgebaut, um 240 zusätzliche Schlafplätze zu schaffen. Die Einweihung wurde dann zur Schauveranstaltung von Nazi-Partei, Jungvolk, BDM, SA und SS. Auch Gauleiter Gustav Simon war dabei.

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Der heutige Bergfried wurde erst 1966 vollendet

Die Nationalsozialisten hielten auf der Burg Kurse für Jugendliche ab. Ihre Prominenz zeigte sich gern auf dem Berg. Nach einem Besuch von Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess 1938 entstand der Plan, den Stumpf des Bergfrieds zur Grundlage eines künftigen siebenstöckigen „Rudolf-Hess-Turms“ zu machen. Der Krieg unterbrach jedoch die Arbeiten.

Im Krieg diente die Herberge zunächst als Wehrmachts-Lazarett, dann als Umerziehungslager. 1942 wurden luxemburgische Jugendliche vier Monate lang in den Mauern interniert, weil sie gegen ihre Zwangsrekrutierung durch die Wehrmacht protestiert hatten. 1943 wurde die Burg zum Straflager für deutsche Jugendliche.

Nach Kriegsende nutzten französische Besatzungssoldaten Burg Stahleck. Aber bereits im November 1947 konnte die beliebte Jugendherberge wieder öffnen. 1965 bis 67 folgte dann eine Renovierung, der Bau eines Wirtschaftsgebäudes und – endlich – die Fertigstellung des Bergfrieds (es fehlten noch vier Meter). Er bekam dabei auch seinen heutigen Kegelhelm.

Die nächste – und bislang letzte Renovierung – fand in den 1990ern statt und kostete 8,3 Millionen Mark.

stahleck9bMittlerweile verzeichnet die malerisch gelegene Jugendburg mit ihren 168 Betten pro Jahr 42.000 Übernachtungen. Innenhof und Aussichtplattform sind öffentlich zugänglich. Die Herbergsräume und der Bergfried bleiben „normalen“ Besuchern leider verschlossen. Man ist also schnell durch.

Die Fahrt nach oben (bzw. der schweißtreibende Aufstieg zur Burg Stahleck) lohnt sich aber trotzdem auf jeden Fall!

Und hier mal eine kleine Video-Impression:

Lage: 55422 Bacharach (Beschilderung folgen)

Links: Der Wikipedia-Eintrag zur Burg ist recht ausführlich. Mehr zu Pfalzgraf Hermann von Stahleck findet sich hier. Zur Seite der Jugendherberge in der Burg geht es hier.

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Fotos: Meine, falls nichts anderes dabei steht (Anklicken zum Vergrößern)