Der Nordflügel ist nun wegen Einsturzgefahr gesperrt. Das Liebhabertheater, die Schlosskapelle und die Tapisserie dürfen nicht mehr betreten werden.
Auch das Depot des Museums und die Werkstatt der Restauratorin befinden sich in dem gefährdeten Gebäudeteil. Das meldet die Thüringer Allgemeine.
Das hat zur Folge, dass das Museumsdepot in Kürze ausgeräumt werden muss. Es darf zurzeit nur mit einer Sondergenehmigung betreten werden. Das genaue Ausmaß der Schäden steht noch nicht fest.
Das schadhafte Mauerwerk ist seit Jahren bereits durch Metallanker gesichert.
Ein Problem ist auch der nicht sonderlich stabile Untergrund unter den Fundamenten der ausgedehnten Schlossanlage, die einst das Residenzschloss des Fürstentums Schwarzburg-Sondershausen war. Der regierende Fürst gebot über rund 90.000 Einwohner (Stand: 1910).
Gewinne aus der gräflichen Saline
Die Adeligen hatten das Glück, Besitzer der Frankenhauser Saline zu sein, inklusive des Privilegs, das dort gewonnene Salz zollfrei ins salzarme aber edelmetallreiche Kurfürstentum Sachsen exportieren zu dürfen.
Die Salzgewinnung und der Verkauf mitten im Binnenland warfen märchenhafte Gewinne ab.
Das Pökeln mit Salz war schließlich neben dem Trocknen und Räuchern vor der Erfindung des Kühlschranks die einzige Möglichkeit, Fisch und Fleisch haltbar zu machen.
Der 1499 geborene Graf Günther XL. (bekannt als „der Reiche“) von Schwarzburg wollte sein sprichwörtlich gewordenes Vermögen auch baulich zeigen.
Er ließ in den 1530er Jahren die alte Burg abreißen und setzte ein opulentes Renaissanceschloss nach dem Vorbild von Schloss Hartenfels in Torgau an ihre Stelle. In diesen Jahren entstand auch der Nordflügel.
Dabei geriet er auch noch mit seinem mächtigsten Verbündeten aneinander, dem Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen. Der Sachse betrachtete den Schwarzburger mit seinem Flickenteppich an Ländchen nicht als gleichrangig, sondern als Lehnsmann, der gefälligst zu gehorchen hatte.
Eh es sich Günther versah, war seine kleine Hauptstadt mit dem schönen neuen Schloss von sächsisch-protestantischen Truppen besetzt – und zur Plünderung freigegeben. Der Graf konnte gerade noch fliehen.
Zu Günthers Glück unterlag der sächsische Kurfürst dem Kaiser und geriet in Gefangenschaft. Die von den Protestanten gepeinigte kleine Grafschaft Schwarzburg wurde nach 1547 auf allerhöchste Order wieder hergestellt.
Langlebige Zwergstaaten
Günthers Reich wurde unter seinen Nachkommen 1599 geteilt in die Grafschaften Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen. Beide Zwergstaaten sollten die nächsten 319 Jahre zunächst als Grafschaften, dann als Fürstentümer unverändert Bestand haben.
So klein das Fürstentum auch war: Auf absolutistische Prachtenfaltung legten die Fürsten Wert. Die einzige in Deutschland erhaltene goldene Kutsche steht heute im Schlossmuseum Sondershausen.
Der Geltungsdrang zeigte sich auch architektonisch: Am Schloss Sondershausen wurde in den 1760er Jahren wieder gebaut: Der spätbarocke Westflügel entstand mit dem Herkulesbrunnen im Schlosshof.
1848: Eine liberale Verfassung
Die Gartenseite des Westflügels wurde zu einem langgezogenen, klassizistischen Meisterwerk. Am Fuß des Schlossbergs entstand die Alte Wache, die stark an Schinkels Berliner Neue Wache erinnert.
Im Zuge der 1848er Revolution übernahmen dann – hört, hört – Bürgerliche die Regierung im Fürstentum, verabschiedeten eine liberale Verfassung – und schickten den Fürsten mit fürstlichen Tantiemen (120.000 Taler jährlich) in Rente.
Nach dem Scheitern der Revolution wurden die Reformen 1857 wieder zurückgedreht. 1871 wurde das Ländchen dann Teil des Deutschen Kaiserreichs mit Sitz und Stimme im Bundesrat.
Die Industrialisierung kam nur langsam voran: Schwarzburg-Sondershausen blieb einer der rückständigsten Staaten Thüringens.
Zuvor hatte er noch weitgehende „Entschädigungen“ ausgehandelt: So bekam der Ex-Fürst eine lebenslange jährliche Rente von 150.000 Mark zugesichert sowie Nutzungsrechte an Schlössern nebst Jagdrechten.
Dazu gehörte auch Wohnrecht im Schloss Sondershausen. Seine Witwe nutzte dies bis 1951, in den letzten Jahren argwöhnisch beäugt von der DDR-Staatsmacht.
Das riesige Schloss mit seinen diversen Sälen wurde in den Folgejahren auf unterschiedliche Weise genutzt: Als Schlossmuseum und Tanzschule, Sitz der Luther-Akademie und Internat für angehende Bibliothekare. Die DDR verwendete Räume für ihre Einzelhandels-Organisation HO.
2012 wurde die südliche Zwingermauer von Schloss Sondershausen (aus der Zeit des Barock) für 530.000 Euro saniert. Nun wird wohl eine umfangreiche Sanierung des Nordflügels anstehen…
Weiterlesen:
Timo Götz und Andrea Hellmann berichten in der Thüringer Allgemeinen: „Nordflügel vom Sondershäuser Schloss droht einzustürzen“
Auch die dpa hat eine Meldung über den Ticker geschickt: „Nordflügel im Schloss Sondershausen muss geschlossen werden“
Hier geht es zur Seite des Museum Schloss Sondershausen.
Es war nicht Internat für angehende Bibliothekare, sondern Internat und Ausbildungsstätte für angehende Bibliotheksfacharbeiter – ein kleiner, aber feiner Unterschied.
VG von der Silberdistel
Das kann ich nur bestätigen. Ich war von 1976 bis 1978 Auszubildende zum Bibliotheksfacharbeiter. LG
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