Der Rheinländer ist beim Umgang mit der Vergangenheit pragmatisch: Was sich noch irgendwie gebrauchen lässt, wird weiterverwendet. Das gilt auch für historische Gebäuden, wobei da heute der Denkmalschutz Grenzen setzt.
Im Jahr 1849 war das noch nicht der Fall. Niemand kam dem Spirituosen-Fabrikanten Heinrich Xaver Sieger mit irgendwelchen Vorschriften ins Gehege, als der seine Branntweinfabrik in die Ruine der einstigen kurkölnischen Landesburg im Herzen von Zülpich verlegte, die seine Frau mit in die Ehe gebracht hatte.
Von da an wurden 130 Jahre lang in voluninösen Kesseln im Burghof die Sorten „Alter Sieger“ und „Sieger Korn“ gebraut.
Nach Kriegsschäden wieder aufgebaut, kam die Fabrik in den 1950er Jahren auf einen täglichen Ausstoß von 3000 Litern Schnaps. Hochprozentiger Schmierstoff für das Wirtschaftswunder sozusagen.
5,4 Tonnen Getreide mussten dafür täglich gekocht werden. Den Werkshallen entströmte dabei ein charakteristischer Geruch: „Ganz Zülpich roch nach Sieger-Korn“, erinnert sich ein Zeitzeuge in der Kölnischen Rundschau.
1979 verkaufte Familie Sieger ihren Betrieb an einen größeren Konkurrenten. Dieser legte die Fabrik bald daruf still und produzierte den Sieger-Korn anderswo weiter. Die Burg stand anschließend 25 Jahre lang leer und verfiel.
2003 erwarb die Füngeling Unternehmensgruppe die Burg und begann mit der Sanierung. Füngeling vermarktet die Flächen unter der Überschrift „Landesburg Füngeling“ für Ausstellungen und Gewerbe.
Im Burghof betreiben Zülpicher Geschichtsverein und Geschichtswerkstatt einen Ausstellungsraum zur Historie der Region und der Burg.
2014 spielte die Burg dann eine tragende Rolle bei der NRW-Landesgartenschau in Zülpich. Zu einer Seite hin ist sie von Blumenbeeten umgeben.
Für die Gartenschau wurde auch eine neue Treppe in den Burgturm eingebaut. Von dort oben hat man bei einigermaßen passabelem Wetter eine phänomenale Sicht bis zum Kölner Dom und auf die nahe Eifel (zum Beispiel auf das Radioteleskop Astropeiler Stockert). Der Eintritt beträgt 1 Euro.
Die kastellartige Form der Burg mit den runden Wachtürmen ist übrigens ein Zeichen für ihren herrschaftlichen Erbauer: Den Kölner Erzbischof. Denn nur der Landesherr durfte derartige Burgen errichten – daher auch der Name Landesburg.
Ganz ähnlich sehen die kölnischen Landesburgen Kempen und Lechenich aus. Ihre militärische Bedeutung verlor die Zülpicher Burg mit dem Aufkommen von Kanonen und dem Ende des Dauer-Clinchs zwischen den Territorien Köln und Jülich.
1689 wurde die Landesburg Zülpich von Truppen des Sonnenkönigs in Brand gesteckt (zum Glück lagerte damals noch kein Hochprozentiger in den Gemäuern…)