Wenn über Schloss Bellevue die zwei mal zwei Meter große Standarte des Bundespräsidenten weht – dann heißt das noch lange nicht, dass Frank Walter Steinmeier zuhause ist.
Es bedeutet vielmehr, dass sich der Präsidenten weder auf einer offiziellen Auslandsmission noch in seinem Bonner Amtssitz, der Villa Hammerschmidt, aufhält.
Aber sonst kann das Staatsoberhaupt so ziemlich überall stecken (anders als bei der Queen, deren Flagge auf einem Palast tatsächlich ihre persönliche Anwesenheit signalisiert).
Die Chance, den Präsidenten in seinem Haupt-Amtssitz anzutreffen, ist recht gering. Das Amtszimmer ist eher repräsentativer Natur. Gaucks 180 Beamte starke Verwaltung sitzt ohnehin im neu gebauten Präsidialamt.
Und zum Schlafen nach champagnerseeligen Abendgesellschaften steht dem Ersten Bürger die Dienstvilla in Berlin-Dahlem zur Verfügung. Selbst wenn Gauck im Schloss nächtigen wollte, er müsste mit einem Sofa vorleibnehmen: Es gibt hier längst keine Wohnräume mehr, nur noch Büros und Säle.
Der einzige Präsident, der je wirklich im Schloss Bellevue („schöne Aussicht“) gewohnt hat, war der jüngst verstorbene Roman Herzog.
Schloss Bellevue bleibt trotzdem als repräsentative Empfangsstätte erhalten. Es liefert nun die Deko für schöne Fotos von Bundespräsident, Yellowpress-Monarchen oder diversen Potentaten, mit denen gute Beziehungen zu haben, der Exportwirtschft sehr zuträglich ist. Barack Obama war auch schon da…
Dass es das Schloss am Tiergarten gibt, haben die Berliner einem jüngeren Bruder des Alten Fritzen zu verdanken: Prinz Ferdinand von Preußen ließ es 1785/86 als Lustschloss im frühklassizstischen Stil errichten.
Nun bestand aber das Problem, dass auf dem Grundstück schon eine alte Lederfabrik stand und – direkt an der Spree – vor sich hin müffelte.
Klar hätte der Bruder des Königs das Relikt abreissen lassen können, erhaltungspflichtige Industriedenkmäler gab es ja noch nicht.
Aber da das Gebäude schon mal da war, bauten die knauserigen Preußen die alte Fabrikhalle einfach als rechten Schlossflügel in das Ensemble ein und setzten eine Kopie auf die gegenüberliegenden Seite.
1844 war der Zugang für die Öffentlichkeit deutlich leichter als heute: Friedrich Wilhelm IV. ließ hier das erste preußische Museum für Gegenwarts-Kunst einrichten.
Der König ergötzte sich hier an allerlei Ölschinken, die die ruhmreiche preußische Geschichte glorifizierten. Der Bestand landete später in der Nationalgalerie.
Im Ersten Weltkrieg konferierten hier Vertreter Österreichs-Ungarns, des Deutschen Reichs und der Türkei über das weitere Vorgeben gegen die Alliierten, was den Untergang aller drei Herrschaftssysteme auch nicht verhinderte.
1938 wurde das Schloss zum Gästehaus der NS-Regierung, die noch einen Festsaal anbauen ließ. Hitler kam selbst zur Eröffnung.
Drei Jahre später brannte es nach einem Bombentreffer aus. In einem provisorischen Ersatzbau im Park wohnte bis Kriegsende der Schauspieler und Regisseur Gustaf Gründgens.
1954 bis 1959 erfolgte der Wiederaufbau als Berliner Amtssitz des Bundespräsidenten. Für die DDR war das natürlich eine Provokation, denn nach ihrer Ansicht hatte das westdeutsche Staatsoberhaupt in Westberlin gar nichts zu sagen.
Drinnen dominierten nun die in der Wirtschaftswunderzeit so beliebten dunklen Holzvertäfelungen der Marke urige Stammkneipe.
Der größte Teil der biederen 50er-Jahre-Deko wurde später wieder entfernt. Heute herrscht in den meisten Räumen der Charme der 1980er-Jahre.
Richard von Weizsäcker, der erste gesamtdeutsche Bundespräsident, verlegte 1994 seinen Hauptsitz von der Bonner Villa Hammerschmidt ins Schloss Bellvue.
Eine Schlossbesichtigung ist nicht möglich. Man kann mit der S-Bahn zur Haltestelle Bellevue fahren, und dann etwa 300 Meter bis zum Schloss laufen. Anschließend bietet sich ein Spaziergang durch den Tiergarten bis zur Siegessäule an.
Elisabeth Binder hat für den Berliner Tagesspiegel mal den Protokollchef im Schloss Bellevue porträtiert: „Der Mann fürs Protokoll im Schloss Bellevue“
Und hier ein Kurzfilm zu Schloss Bellvue: