Die zum Dienst in die deutschen Kolonien versetzten Offiziere Kaiser Wilhelms II. hätten am liebsten überall auf der Welt „Klein-Deutschlands“ aufgemacht: Mit Backsteinkirche, Brauerei, Postamt und Kasernenhof voller stramm stehender Einheimischer.
Alles sollte so sein wie zuhause, ob unter Palmen, in der Wüste Namib oder am Südchinesischen Meer.
Und zu Deutschland gehören eben auch von Burgen gekrönte Berge. Also mussten die auch in den Kolonien her: Eine ziemlich bizarre Idee. Aber die Generation Pickelhaube war in der weltweiten Durchsetzung ihrer Gemütlichkeits-Doktrin unerbittlich.
Besonders dringend wurde die Burgenromantik offenbar in der Kolonie Deutsch-Südwest benötigt. Ein „Bergfried“ war auch schon vorhanden: Ein Signalturm mit Schießscharten. Ihn hatte der kaiserliche Offizier Curt von François 1890 über dem von ihm gegründeten Windhoek errichten lassen.
Wenige Jahre später eröffnete der Gastwirt Rudolf Moeller hier oben unter dem Namen „Sperlingslust“ eine Bierschänke mit Restaurant. Moeller engagierte den Architekten Wilhelm Sander, um stilechtes Burgruinenflair mit Rundbögen und Mauerresten zu schaffen.
Angesichts des Hereroaufstands musste die Gaststätte 1904/05 geschlossen und mit Wachtposten besetzt werden. Der Neustart gelang nicht mehr, und 1913 kaufte Hans Bogislav Graf von Schwerin das verlassene Lokal.
Wieder wurde Architekt Sander geholt: Diesmal bekam er vom Ehepaar Schwerin den Auftrag, „Sperlingslust“ in ein romantisches Schlösschen zu verwandeln.
Die Anlage nannte er nach dem Schloss seiner Kindheit in Vorpommern Schwerinsburg.
Um die Wasserversorgung sicherzustellen, ließ von Schwerin außerdem einen 104 Meter tiefen Brunnen graben. Als hoher Kolonialbeamter war er im Juli 1915 maßgeblich am Zustandekommen des Waffenstillstands zwischen den unterlegenen deutschen Truppen und der Armee der Südafrikanischen Union beteiligt.
Die Schwerinsburg steht noch
Nach Kriegsende wurde der Graf durch die Briten ausgewiesen, kam aber der Geschäfte wegen immer wieder nach Windhoek. Die Schwerinsburg blieb erhalten – bis vor kurzem wohnte hier der italienische Botschafter. Jetzt ist sie erneut verkauft und in Privatbesitz.
Die Deutschen hinterließen neben der Schwerinsburg noch zwei weitere schlossähnliche Villen in Windhoek: Die nach Schwerins Gattin benannte Heinitzburg (heute ein Luxushotel) und die Sanderburg, Wohnsitz des gleichnamigen Architekten.
Die Windhoek-Burgen waren keine Einzelfälle. Sander baute noch mehr eindrucksvolle Burgschlösser in Namibia: Zum Beispiel Schloss Duwisib für den sächsischen Schutztruppen-Hauptmann Hansheinrich von Wolf.
Dieser Anlage hat die Deutsche Welle einen längeren Online Artikel gewidmet: „Wie eine deutsche Ritterburg nach Afrika kam“
Die Schwerinsburg ist heute bei Google Maps verzeichnet: