Um mal mit modernen Mythen aufzuräumen: Ja, Windsor Castle geht zwar auf Wilhelm den Eroberer zurück. Aber: Nein, den mächtigen Rundturm ließ er nicht bauen. Und auch sonst ist aus der Zeit des Siegers von Hastings in Windsor nicht viel stehen geblieben.
Dafür konnte die Queen zu ihren Lebzeiten hier umso schöner Geburtstag feiern als im normannisch-engen Tower in London.
Mönche verkaufen Burg-Bauplatz
Wilhelm konnte sich bei den besiegten Angelsachsen nie so sicher sein, ob sie ihm wirklich treu ergeben waren. Daher errichtete er eine Reihe von Befestigungen.
Bei Windsor nahe London stand seit 1078 eine davon. Das Grundstück hatte er nicht etwa à la Putin einfach an sich gerissen, sondern es den Mönchen der Westminster Abby abgekauft (ich denke mal, zu einem Sonderpreis).
Wilhelms Burg würde heutige Touristen enttäuschen, denn ihre Bauten bestanden lediglich aus Holz, umgeben von einer Palisade. Erst sein Sohn ließ Gebäude aus Stein hochziehen.
Weitere Befestigungen wie ein Bergfried und der bis heute erhaltene Curfew Tower (Glockenturm) entstanden erst 100 Jahre später unter Heinrich III.
300 Jahre lang thronte diese eher durchnittliche Normannen-Befestigung also über Windsor, bis Eduard III. ab 1350 etwas Repräsentativeres brauchte. Der König aus dem Hause Anjou-Planatgenet kannte das alte Schloss Windsor bestens, schließlich war er 1307 dort geboren worden.
Bauzeit von 24 Jahren
Um 1350 beauftragte er William von Wykeham, den Bischof von Winchester mit dem Bau einer standesgemäßen Palast-Festung. Es sollte ein 24-jähriges Mammut-Bauprogramm werden, das auch der Ausbruch der Pest nicht aufhalten konnte.
Der König regierte rund 50 Jahre lang, was bei solch langfristigen Plänen natürlich half…
Das normannische Schloss ließ Eduard mitsamt Bergfried abreißen, um Platz für sein neues Schloss zu schaffen. Nur wenige Gebäude blieben stehen wie der Glockenturm, der alle drei Stunden sein Glockenspiel hören lässt – und der Kern der St. Georgs-Kapelle (St. George’s Chapel).
1348 hatte der König dort noch schnell den Hosenbandorden gegründet.
Bei diesem Ausbau entstand auch der damals nur 15 Meter hohe Runde Turm. Er ist aber keineswegs rund, sondern wurde der Form des künstlichen, 15 Meter hohen Kalk-Hügels anpasst, auf dem vorher der normannische Bergfried gestanden hatte.
Oben ließ er Schießscharten anbringen. Es sollte ja nach wehrhaftem, „gotischem“ Mittelalter aussehen.
In der Eigenwerbung von Windsor Castle wird diese kleine Mogelei übrigens verschwiegen und so getan, also ob der Riesenturm schon 800 Jahre über Schloss Windsor wachen würde…
1975 bis 2011 war der Turm wegen Renovierungsarbeiten geschlossen, was die Briten klaglos ertrugen. Seitdem kann man die Kanonenplattform auf dem Dach wieder über 200 Stufen erklettern und den grandiosen Blick über das Schloss genießen (falls es nicht gerade regnet).
Münzen eingemauert
Der 15 Meter hohe Flaggenmast wurde dort oben übrigens erst 1892 befestigt. Ganz in abergläubischer Marine-Tradition mauerten die Arbeiter darunter einen Kasten mit einem Shilling und fünf Pence in kleinen Münzen ein: Dieses Geld fand sich auch unter den Masten britischer Schiffe.
Er stellte eine Art Gemeinschaftskasse dar, für den Fall, dass das Schiff sinken sollte: Dann hätten ertrunkene Matrosen damit den Fährmann ins Jenseits bezahlen können, schreibt der Daily Telegraph.
Die St. Georgs Kapelle ist heute Grablege der Windsors. Hier finden sich unter anderem das Grab von Queen Elizabeth, ihrem 2021 verstorbenem Gatten Prinz Philip und ihrer Mutter „Queen Mum“ (auch eine Elizabeth).
Wenn König Charles III. im Schloss ist, weht auf dem Turm seine Flagge. Ansonsten flattert der Union Jack im Wind.
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Robin Hood: Was wurde aus Nottingham Castle?
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Traitors Gate: Durchs Verrätertor in den Tower von London
Und so wird für den Besuch des Round Tower geworben: