Schloss Trachselwald: Millionen von US-Mennoniten?



Schloss Trachselwald / Foto: Wikipedia / Paenultima (picswiss.ch) / GNU Free Documentation License, version 1.2
Schloss Trachselwald / Foto: Wikipedia / Paenultima (picswiss.ch) / GNU Free Documentation License, version 1.2
Es gibt da so einen Nachkriegsmythos: Die Geschichte vom märchenhaft reichen Onkel aus Amerika, der sich mit Koffern voller Dollars in Europa auf die Suche nach den Wurzeln seiner Familie begibt. Er verliebt sich in ein Trachtenmädel und kauft gleich die zugehörige Burg über dem Dorf seiner Vorfahren.

Solche Fälle gab es auch außerhalb des Heimatfilms tatsächlich: ein Mr. Rhinelander erwarb zum Beispiel die Schönburg am Rhein (allerdings schon 1885 und ohne weibliche Nebenrolle).

Viele Burgherren würden angesichts nicht enden wollender Sanierungsaufgaben nichts lieber wünschen als wohlhabende Geschichtsfreunde aus Übersee.

Auf Schloss Trachselwald im Schweizer Kanton Bern könnte so ein utopischer Wunsch jetzt in Erfüllung gehen: Rund ein Dutzend Mennoniten-Organisationen aus den USA haben erklärt, bei der Umwandlung der Burg in ein Begegnungszentrum und Museum helfen zu wollen. Das berichtet die Berner Zeitung.

Mennoniten? USA? Was suchen die im Emmental außer vielleicht Käse?

Schloss Trachselwald aus dem 12. Jahrhundert / Foto: Kantin Bern/gemeinfrei
Schloss Trachselwald aus dem 12. Jahrhundert / Foto: Kanton Bern/gemeinfrei
Dahinter steckt die reichlich blutige Reformationsgeschichte der Schweiz. Die Täuferbewegung war unter anderem im Umfeld des Berner Reformators Zwingli entstanden. Ihr Kerngedanke ist neben Gewaltverzicht und Eidverweigerung, dass nicht Neugeborene sondern erst Erwachsene getauft werden sollten, wenn sie bewusst nach der Taufe verlangen.

Für katholische und protestantische Obrigkeiten eine nicht hinnehmbare Provokation.



Mit dem Erstarken der Reformation nach 1528 sahen sich die ersten Täufer in den Schweizer Städten allerdings massiver Verfolgung ausgesetzt. Im Kanton Bern wurden zwischen 1534 und 1540 mindestens 158 Täufer gefangen gesetzt. Davon wurden 109 ausgewiesen und 26 hingerichtet, heißt es bei Fritz Blanke, Heinrich Bullinger: Vater der reformierten Kirche von 1990.

1585 erließ der Berner Stadtrat ein sogenannter Täufermandat, das alle Täufer zur Zwangsarbeit auf der Galeere verurteilte. 1699 fragte der Berner Magistrat bei der Niederländischen Ostindienkompanie an, ob man die heimischen Täufer nicht kollektiv nach Südostasien deportieren könnte. Noch 1714 waren offizielle „Täuferjäger“ in Schweizer Kantonen unterwegs.  Erst seit 1815 sind Täufer in der Schweiz toleriert.

Täufer-Prediger Hans Haslibacher (hingerichtet 1571) vor den bernischen Behörden, Illustration von Rudolf Münger / Wikipedia/gemeinfrei
Täufer-Prediger Hans Haslibacher (hingerichtet 1571) vor den bernischen Behörden, Illustration von Rudolf Münger / Wikipedia/gemeinfrei
Die Verfolgung führte zu Vertreibungs- und Auswanderungswellen. Und wirklichen Schutz vor der Repression der europäischen Potentaten bot nur die Neue Welt: „Ab 1710 entstand in der Gegend der heutigen Stadt Lancaster, Pennsylvania, mehr oder weniger planvoll eine kleine Siedlung schweizerischer Täufer“, heißt es im Artikel „Die Auswanderung der Berner Täufer ab 1671“ bei Täufergeschichte.net.

Viele Methodistische Kirchen in den USA führen ihre Gründung auf die ausgewanderten Schweizer Täufer zurück. Rund 150.000 Amerikaner sollen von schweizerischen Mennoniten („Swiss Brethren“) abstammen.

Und Schloss Trachselwald könnte für sie zum Erinnerungsort werden. In den Verliesen der ehemaligen Reichsburg aus dem 12. Jahrhundert saßen über die Jahre hunderte gefangene Täufer ein. Das Schloss gehörte ab 1528 dem Kanton Bern.

Hier hatte immer die örtliche Obrigkeit zwangsweise das Sagen: 1835 bis 1876 war das Schloss „Armenerziehungsanstalt“, danach bis 1927 „Zwangserziehungsanstalt für Jugendliche“. Niemand ging hier gerne hin, außer zur Eheschließung. Bis 2009 saß im Schloss das Regierungsstatthalteramt. Nach dessen Auszug wird nach einer neuen Nutzung gesucht. Das Schloss steht seitdem leer.

Für den entsprechenden Umbau sind aber mindestens zwei Millionen Franken nötig. Und die sollen jetzt von den US-Mennoniten kommen. Hilfsangebote gibt es wie gesagt schon einige, allerdings keine konkreten Finanzierungszusagen. Möglich wäre die Einrichtung einer Begegnungsstätte und eines historischen Zentrums zur Geschichte der Täufer.

„Der Kanton Bern steht gegenüber dem Täufertum in einer historischen Schuld“, sagt der Sumiswalder Gemeindepräsident Christian Wader, der sich für das Projekt stark macht.

Hier geht’s zur Geschichte von Cyril Beck (Berner Zeitung): „US-Täufer wollen Berner Schloss neues Leben einhauchen

Ganz so neu ist das Interesse der US-Mennoniten übrigens nicht. Täufergeschichte.net berichtete schon im Januar 2010 unter der schmissigen Überschrift: „Täufer-Kerker Trachselwald“ (nicht mehr online)
Das Schweizer Radio berichtet über die Geschichte des Schlosses: „Schloss Trachselwald – nach über 600 Jahren Obrigkeit leer




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